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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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sonstige Glaubensgenossen (Mennoniten in Galizien, Lippowaner, eine geringe
Anzahl von Mohamedanern :c.) gegen 4000 Jsraeliten über eine Million.

Da in mehreren der deutsch-östreichischen Länder bis in die jüngste Zeit
Anordnungen gegen das Seßhaftwerden von Jsraeliten bestanden, so ist ihre
Zahl in Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Görz. Jstrien und Tirol
höchst unbedeutend; nur in Oestreich ob der Enns hat sich während der jüng¬
sten Zeit längs und nächst der Eisenbahn die Ziffer der Jsraeliten sehr ver¬
mehrt, und zu Hohenems in Voralberg besteht eine ziemlich zahlreiche alt¬
einheimische Gemeinde. Auch in Böhmen, Mähren und Schlesien befreite das
Jahr 1848 die Jsraeliten von vielen Hemmnissen der Verbreitung und Nieder¬
lassung, so daß ihre Zahl in Mähren, in dem östlichen Theile Schlesiens,
dann in den Kreisen Prag, Saaz, Castan schon zwei Procent der heimischen
Bevölkerung übersteigt, und im Kreise Tabor auf 3.24 Procent anwächst.
Der Wadowicer Kreis Galiziens gleicht bezüglich der relativen Zahl mosai¬
scher Bewohner d"en eben erwähnten Ländern; im Sandecer Kreise wachsen
sie über 3, in den Kreisen Krakau, Sanok, Lemberg steigen sie auf S--6,
in den Kreisen Tarnow. Zolkiew. Tarnopol, Stryj, Stanislawow, Kolo-
mea und Czortkow über ein Zehntheil der einheimischen Gesammtbewohner-
schaft, und erreichen ihr Maximum im Kreise Zloczow mit 13,83 Procent.
Auch die Stadt Ofen zählt 10 Procent, Prag 11, Preßburg 13, Großwar-
dein, Pest 17 Procent Jsraeliten unter ihren Bewohnern. In Czernowitz
wächst diese Ziffer aus 22, in Krakau auf 38, in Lemberg auf über 40 Proc,,
so daß in den letzteren Orten Industrie und Verkehr fast ganz in den Hän¬
den isralitischer Einwohner sind.

Im Allgemeinen treten auch in Ungarn die Jsraeliten mit ähnlichen
Procentualziffern auf, wie in der böhmisch-mährischen Ländergruppe. Be¬
sonders zahlreich sind sie in den Comitaten. welche an Mähren und an den
ruthenischen Theil Galiziens angrenzen, nämlich in den Comitaten Preßburg
und Neutra mit 6 und 8 Procent, sowie in Saros, Zemplin, Ungh. Mar-
maros, Beregh, wo sie von 6--11 Procent aufsteigen. Wie rasch hier die
jüdische Bevölkerung zunahm, sieht man daraus, daß im Jahre 1785 die
Anzahl der Jsraeliten in Ungarn, Kroatien und Slavonien 75,089 Köpfe
betrug, 1805 aber sich auf 127.816 vermehrt hatte, und 1848 bereits 292.000
stark war. In Pest lebten 1840 nur 7771 Juden, schon 1848 war ihre
Anzahl auf 16.512 gestiegen.

Daß endlich die Angehörigen der römisch-katholischen Kirche vier
Fünftheile aller Bewohner des Kirchenstaates bilden, ist bekannt. In Tirol,
Salzburg, Niederöstreich, Krain, einem Theile Steiermarks herrscht das
katholische Glaubensbekenntniß fast ausschließlich. In Böhmen, Mähren,
Oberöstreich, Kärnthen, einem Theile Steiermarks, Kroatien und theilweise


sonstige Glaubensgenossen (Mennoniten in Galizien, Lippowaner, eine geringe
Anzahl von Mohamedanern :c.) gegen 4000 Jsraeliten über eine Million.

Da in mehreren der deutsch-östreichischen Länder bis in die jüngste Zeit
Anordnungen gegen das Seßhaftwerden von Jsraeliten bestanden, so ist ihre
Zahl in Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Görz. Jstrien und Tirol
höchst unbedeutend; nur in Oestreich ob der Enns hat sich während der jüng¬
sten Zeit längs und nächst der Eisenbahn die Ziffer der Jsraeliten sehr ver¬
mehrt, und zu Hohenems in Voralberg besteht eine ziemlich zahlreiche alt¬
einheimische Gemeinde. Auch in Böhmen, Mähren und Schlesien befreite das
Jahr 1848 die Jsraeliten von vielen Hemmnissen der Verbreitung und Nieder¬
lassung, so daß ihre Zahl in Mähren, in dem östlichen Theile Schlesiens,
dann in den Kreisen Prag, Saaz, Castan schon zwei Procent der heimischen
Bevölkerung übersteigt, und im Kreise Tabor auf 3.24 Procent anwächst.
Der Wadowicer Kreis Galiziens gleicht bezüglich der relativen Zahl mosai¬
scher Bewohner d"en eben erwähnten Ländern; im Sandecer Kreise wachsen
sie über 3, in den Kreisen Krakau, Sanok, Lemberg steigen sie auf S—6,
in den Kreisen Tarnow. Zolkiew. Tarnopol, Stryj, Stanislawow, Kolo-
mea und Czortkow über ein Zehntheil der einheimischen Gesammtbewohner-
schaft, und erreichen ihr Maximum im Kreise Zloczow mit 13,83 Procent.
Auch die Stadt Ofen zählt 10 Procent, Prag 11, Preßburg 13, Großwar-
dein, Pest 17 Procent Jsraeliten unter ihren Bewohnern. In Czernowitz
wächst diese Ziffer aus 22, in Krakau auf 38, in Lemberg auf über 40 Proc,,
so daß in den letzteren Orten Industrie und Verkehr fast ganz in den Hän¬
den isralitischer Einwohner sind.

Im Allgemeinen treten auch in Ungarn die Jsraeliten mit ähnlichen
Procentualziffern auf, wie in der böhmisch-mährischen Ländergruppe. Be¬
sonders zahlreich sind sie in den Comitaten. welche an Mähren und an den
ruthenischen Theil Galiziens angrenzen, nämlich in den Comitaten Preßburg
und Neutra mit 6 und 8 Procent, sowie in Saros, Zemplin, Ungh. Mar-
maros, Beregh, wo sie von 6—11 Procent aufsteigen. Wie rasch hier die
jüdische Bevölkerung zunahm, sieht man daraus, daß im Jahre 1785 die
Anzahl der Jsraeliten in Ungarn, Kroatien und Slavonien 75,089 Köpfe
betrug, 1805 aber sich auf 127.816 vermehrt hatte, und 1848 bereits 292.000
stark war. In Pest lebten 1840 nur 7771 Juden, schon 1848 war ihre
Anzahl auf 16.512 gestiegen.

Daß endlich die Angehörigen der römisch-katholischen Kirche vier
Fünftheile aller Bewohner des Kirchenstaates bilden, ist bekannt. In Tirol,
Salzburg, Niederöstreich, Krain, einem Theile Steiermarks herrscht das
katholische Glaubensbekenntniß fast ausschließlich. In Böhmen, Mähren,
Oberöstreich, Kärnthen, einem Theile Steiermarks, Kroatien und theilweise


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/76>, abgerufen am 26.06.2024.