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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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ewiges Resultat, ein in-Eins-Sein aller sich gegenseitig bestimmenden Mo¬
mente von Ewigkeit zu Ewigkeit, und dieses in - Eins - Sein der einander
bestimmenden Momente erscheint uns nur als Proceß, wenn wir sie im
discursiven Denken künstlich auseinander zerren." Nun können wir uns aber
das Verhältniß von Wille und Vorstellung oder richtiger, da das Wollen an
sich immer dasselbe sein muß, den Zustand der Vorstellung in ihrer vorwelt¬
lichen Existenz nur in zwiefacher Weise denken. Entweder das Reich der
Vorstellung, das Ideelle ist im außerzeitlichen und außerräumlichen Sein, in
jenem vorweltlichen reinen Sein, welches gleich dem Nichtsein ist, doch voll¬
ständig schon so specialisnt, individualisirt und determinirt (natürlich nach dem
immanenten, eigenen Gesetze des Logischen), wie es später unter dem mäch¬
tigen Werde des Willens als Weltinhalt zu Tage treten soll, d. h, es ist
ein millionenfach gegliederter Organismus, oder es ist innerlich unter¬
schiedslos, ungestaltet und ungeformt, nichts weiter als ein organischer
Keim, der unter der Berührung des Willens erst in der realen Welt sich
(wiederum nach immanenten, logischem Gesetz) zu Gestalten und Formen
auseinander legt. Im ersten Falle, den der Verf. mit dem zeitlosen Jnein-
andersein der Ideen :c. meinen könnte, war und ist der sogenannte Welt¬
proceß ein ewig Fertiges im Aether des reinen Seins, es würde bei dieser
Voraussetzung der gegen Hegel entsandte Pfeil vollständig auf den Schützen
zurückfallen. Um ein Bild zu gebrauchen, so läge, diesen Fall angenommen,
das ganze große Buch der Welt wie mit chemischer Dinte selbstgeschrieben
in jenem Aether da, und der Wille wäre das Reagens, das die Schrift suc¬
cessive lesbar machte. Aber es wäre zugleich auch der unwahrscheinlichste und
sinnloseste Zufall, der den blinden Willen nicht nur einst an der richtigen
Stelle hätte anfangen, sondern immerfort und noch heute in der richtigen
Zeile hätte fortfahren lassen, der ihn mit andern Worten allemal die Vor¬
stellung erfassen ließe, deren Verwirklichung nach logischem Gesetz gerade an
der Reihe ist. Kurz bei Setzung dieses Falles ist der Proceß unfaßbar.
Sollte nun die andere Ausfassung gelten, die allerdings im Wesentlichen die
des Verfassers sein dürfte, wonach das Ideelle im embryonischen Zustande vom
Willen ergriffen und in den Weltproceß hineingezogen wird, so wäre dieser
Proceß nur so zu denken, daß aus der Vereinigung von Wille und Idee
zunächst irgend ein Erstes (etwa die Atomkräfte) reale Gestalt gewonnen hätte,
aus diesem sodann ein Zweites hervorgegangen wäre, aus dem Zweiten
resp, der Combination der beiden Ersten ein Drittes, aus diesem resp, aus
Combination der Früheren ein Viertes, und ebenso ein Fünftes, Sechstes:c.
Sein Dasein (sein "Daß") würde jedes folgende Ding der in dem Vor¬
gängen vermöge des wollenden Theiles enthaltenen Productionskraft, sein
Wesen (sein "Was und Wie") dem vermöge des ideellen Theiles im Vor-


ewiges Resultat, ein in-Eins-Sein aller sich gegenseitig bestimmenden Mo¬
mente von Ewigkeit zu Ewigkeit, und dieses in - Eins - Sein der einander
bestimmenden Momente erscheint uns nur als Proceß, wenn wir sie im
discursiven Denken künstlich auseinander zerren." Nun können wir uns aber
das Verhältniß von Wille und Vorstellung oder richtiger, da das Wollen an
sich immer dasselbe sein muß, den Zustand der Vorstellung in ihrer vorwelt¬
lichen Existenz nur in zwiefacher Weise denken. Entweder das Reich der
Vorstellung, das Ideelle ist im außerzeitlichen und außerräumlichen Sein, in
jenem vorweltlichen reinen Sein, welches gleich dem Nichtsein ist, doch voll¬
ständig schon so specialisnt, individualisirt und determinirt (natürlich nach dem
immanenten, eigenen Gesetze des Logischen), wie es später unter dem mäch¬
tigen Werde des Willens als Weltinhalt zu Tage treten soll, d. h, es ist
ein millionenfach gegliederter Organismus, oder es ist innerlich unter¬
schiedslos, ungestaltet und ungeformt, nichts weiter als ein organischer
Keim, der unter der Berührung des Willens erst in der realen Welt sich
(wiederum nach immanenten, logischem Gesetz) zu Gestalten und Formen
auseinander legt. Im ersten Falle, den der Verf. mit dem zeitlosen Jnein-
andersein der Ideen :c. meinen könnte, war und ist der sogenannte Welt¬
proceß ein ewig Fertiges im Aether des reinen Seins, es würde bei dieser
Voraussetzung der gegen Hegel entsandte Pfeil vollständig auf den Schützen
zurückfallen. Um ein Bild zu gebrauchen, so läge, diesen Fall angenommen,
das ganze große Buch der Welt wie mit chemischer Dinte selbstgeschrieben
in jenem Aether da, und der Wille wäre das Reagens, das die Schrift suc¬
cessive lesbar machte. Aber es wäre zugleich auch der unwahrscheinlichste und
sinnloseste Zufall, der den blinden Willen nicht nur einst an der richtigen
Stelle hätte anfangen, sondern immerfort und noch heute in der richtigen
Zeile hätte fortfahren lassen, der ihn mit andern Worten allemal die Vor¬
stellung erfassen ließe, deren Verwirklichung nach logischem Gesetz gerade an
der Reihe ist. Kurz bei Setzung dieses Falles ist der Proceß unfaßbar.
Sollte nun die andere Ausfassung gelten, die allerdings im Wesentlichen die
des Verfassers sein dürfte, wonach das Ideelle im embryonischen Zustande vom
Willen ergriffen und in den Weltproceß hineingezogen wird, so wäre dieser
Proceß nur so zu denken, daß aus der Vereinigung von Wille und Idee
zunächst irgend ein Erstes (etwa die Atomkräfte) reale Gestalt gewonnen hätte,
aus diesem sodann ein Zweites hervorgegangen wäre, aus dem Zweiten
resp, der Combination der beiden Ersten ein Drittes, aus diesem resp, aus
Combination der Früheren ein Viertes, und ebenso ein Fünftes, Sechstes:c.
Sein Dasein (sein „Daß") würde jedes folgende Ding der in dem Vor¬
gängen vermöge des wollenden Theiles enthaltenen Productionskraft, sein
Wesen (sein „Was und Wie") dem vermöge des ideellen Theiles im Vor-


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[0068] ewiges Resultat, ein in-Eins-Sein aller sich gegenseitig bestimmenden Mo¬ mente von Ewigkeit zu Ewigkeit, und dieses in - Eins - Sein der einander bestimmenden Momente erscheint uns nur als Proceß, wenn wir sie im discursiven Denken künstlich auseinander zerren." Nun können wir uns aber das Verhältniß von Wille und Vorstellung oder richtiger, da das Wollen an sich immer dasselbe sein muß, den Zustand der Vorstellung in ihrer vorwelt¬ lichen Existenz nur in zwiefacher Weise denken. Entweder das Reich der Vorstellung, das Ideelle ist im außerzeitlichen und außerräumlichen Sein, in jenem vorweltlichen reinen Sein, welches gleich dem Nichtsein ist, doch voll¬ ständig schon so specialisnt, individualisirt und determinirt (natürlich nach dem immanenten, eigenen Gesetze des Logischen), wie es später unter dem mäch¬ tigen Werde des Willens als Weltinhalt zu Tage treten soll, d. h, es ist ein millionenfach gegliederter Organismus, oder es ist innerlich unter¬ schiedslos, ungestaltet und ungeformt, nichts weiter als ein organischer Keim, der unter der Berührung des Willens erst in der realen Welt sich (wiederum nach immanenten, logischem Gesetz) zu Gestalten und Formen auseinander legt. Im ersten Falle, den der Verf. mit dem zeitlosen Jnein- andersein der Ideen :c. meinen könnte, war und ist der sogenannte Welt¬ proceß ein ewig Fertiges im Aether des reinen Seins, es würde bei dieser Voraussetzung der gegen Hegel entsandte Pfeil vollständig auf den Schützen zurückfallen. Um ein Bild zu gebrauchen, so läge, diesen Fall angenommen, das ganze große Buch der Welt wie mit chemischer Dinte selbstgeschrieben in jenem Aether da, und der Wille wäre das Reagens, das die Schrift suc¬ cessive lesbar machte. Aber es wäre zugleich auch der unwahrscheinlichste und sinnloseste Zufall, der den blinden Willen nicht nur einst an der richtigen Stelle hätte anfangen, sondern immerfort und noch heute in der richtigen Zeile hätte fortfahren lassen, der ihn mit andern Worten allemal die Vor¬ stellung erfassen ließe, deren Verwirklichung nach logischem Gesetz gerade an der Reihe ist. Kurz bei Setzung dieses Falles ist der Proceß unfaßbar. Sollte nun die andere Ausfassung gelten, die allerdings im Wesentlichen die des Verfassers sein dürfte, wonach das Ideelle im embryonischen Zustande vom Willen ergriffen und in den Weltproceß hineingezogen wird, so wäre dieser Proceß nur so zu denken, daß aus der Vereinigung von Wille und Idee zunächst irgend ein Erstes (etwa die Atomkräfte) reale Gestalt gewonnen hätte, aus diesem sodann ein Zweites hervorgegangen wäre, aus dem Zweiten resp, der Combination der beiden Ersten ein Drittes, aus diesem resp, aus Combination der Früheren ein Viertes, und ebenso ein Fünftes, Sechstes:c. Sein Dasein (sein „Daß") würde jedes folgende Ding der in dem Vor¬ gängen vermöge des wollenden Theiles enthaltenen Productionskraft, sein Wesen (sein „Was und Wie") dem vermöge des ideellen Theiles im Vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/68>, abgerufen am 26.06.2024.