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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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angekündigte Amendement zu Z. 8 wäre keine Verbesserung des Ent¬
wurfes, zunächst weil dasselbe jedem einzelnen Werke eines Autors seine
besondere Schutzfrist zu Theil werden läßt. In den verhältnißmäßig
wenigen Fällen, in denen nach dem Tode eines Autors seine Werke noch
Gegenstand kräftiger Wirksamkeit sind, wird es im höchsten Interesse
der Hinterbliebenen d. h. seiner Rechtsnachfolger liegen, dieselben gesammelt
oder theilweise herauszugeben. Auch die Nation hat dann das Verlangen,
ein Gesammtbild seines geistigen Lebens vor sich zu sehen. Ein solches Zu-
sammenfassen der literarischen Production wird wesentlich erschwert, wenn
die Schutzfrist der einzelnen Werke dieser Sammlung ungleich bemessen ist.
"Dazu kommt, daß das Amendement seinen Zweck: Beschleunigung der freien
Concurrenz doch auch nur bei einzelnen Werken erreicht, und daß alles, was
ein Autor in den letzten 10 Jahren seines Lebens geschrieben hat, -- also in
vielen Fällen seine reifsten Leistungen -- doch auch erst 30 Jahre nach sei¬
nem Tode Gegenstand der freien Speculation werden soll.

Die Unsicherheit in den Bestimmungen dieses Amendements wird aber
wesentlich durch einen besonderen Umstand vermehrt. In sehr vielen Fällen, z. B.
bei populär-wissenschaftlichen Werken ändert und erweitert der Autor oder Her¬
ausgeber in späteren Auflagen sein Werk so beträchtlich, daß dasselbe durch
die Umarbeitung und Fortführung weit anderen Umfang, Aussehen, Bedeu¬
tung gewinnt; wie soll bei solchen veränderten und fortgeführten Werken der
Schutz berechnet werden? Soll die frühere vom Autor durch Aenderungen ver¬
leugnete Auflage selbständig frei werden? Und wenn sie in solcher Weise vor
den späteren Auflagen desselben Werkes Gegenstand freier Concurrenz zu werden
vermag, wer kann hindern, wenn sie von einem neuen Herausgeber selbständig
umgebildet wird? Dann würden von demselben Werk, welches noch Autor¬
schutz genießt, daneben ganz freie und ungeänderte Bearbeitungen umlaufen
können. Zuverlässig wird in jedem einzelnen Falle der Richter zu befinden
vermögen, aber die durch solche Bestimmung eingetragene Rechtsunsicherheit
ist ein Nachtheil. Die in der Hauptsache entsprechenden Bestimmungen des
englischen Gesetzes, welche an sich unbequem sind, würden bei ihrer Einfüh¬
rung in das vielgetheilte und im literarischen Verkehr durchaus nicht leicht
zu übersehende Deutschland dauernd Veranlassung zu Streitigkeiten und Stö¬
rungen des geschäftlichen Verkehrs geben.

Jede einfache Limitirung der Schutzfrist vom Tode des Autors ab, ist
den verwickelten Bestimmungen des Amendements vorzuziehen.

Bei Festsetzung der Schutzjahre kann man freilich sehr verschiedener
Meinung sein und wenn es Aufgabe des vorliegenden Gesetzes wäre, ein
neues Recht zu schaffen, so dürfte eine, dem Vernehmen nach angeregte,
Schutzfrist von 20 Jahren nach dem Tode des Urhebers vielleicht dem socialen


angekündigte Amendement zu Z. 8 wäre keine Verbesserung des Ent¬
wurfes, zunächst weil dasselbe jedem einzelnen Werke eines Autors seine
besondere Schutzfrist zu Theil werden läßt. In den verhältnißmäßig
wenigen Fällen, in denen nach dem Tode eines Autors seine Werke noch
Gegenstand kräftiger Wirksamkeit sind, wird es im höchsten Interesse
der Hinterbliebenen d. h. seiner Rechtsnachfolger liegen, dieselben gesammelt
oder theilweise herauszugeben. Auch die Nation hat dann das Verlangen,
ein Gesammtbild seines geistigen Lebens vor sich zu sehen. Ein solches Zu-
sammenfassen der literarischen Production wird wesentlich erschwert, wenn
die Schutzfrist der einzelnen Werke dieser Sammlung ungleich bemessen ist.
"Dazu kommt, daß das Amendement seinen Zweck: Beschleunigung der freien
Concurrenz doch auch nur bei einzelnen Werken erreicht, und daß alles, was
ein Autor in den letzten 10 Jahren seines Lebens geschrieben hat, — also in
vielen Fällen seine reifsten Leistungen — doch auch erst 30 Jahre nach sei¬
nem Tode Gegenstand der freien Speculation werden soll.

Die Unsicherheit in den Bestimmungen dieses Amendements wird aber
wesentlich durch einen besonderen Umstand vermehrt. In sehr vielen Fällen, z. B.
bei populär-wissenschaftlichen Werken ändert und erweitert der Autor oder Her¬
ausgeber in späteren Auflagen sein Werk so beträchtlich, daß dasselbe durch
die Umarbeitung und Fortführung weit anderen Umfang, Aussehen, Bedeu¬
tung gewinnt; wie soll bei solchen veränderten und fortgeführten Werken der
Schutz berechnet werden? Soll die frühere vom Autor durch Aenderungen ver¬
leugnete Auflage selbständig frei werden? Und wenn sie in solcher Weise vor
den späteren Auflagen desselben Werkes Gegenstand freier Concurrenz zu werden
vermag, wer kann hindern, wenn sie von einem neuen Herausgeber selbständig
umgebildet wird? Dann würden von demselben Werk, welches noch Autor¬
schutz genießt, daneben ganz freie und ungeänderte Bearbeitungen umlaufen
können. Zuverlässig wird in jedem einzelnen Falle der Richter zu befinden
vermögen, aber die durch solche Bestimmung eingetragene Rechtsunsicherheit
ist ein Nachtheil. Die in der Hauptsache entsprechenden Bestimmungen des
englischen Gesetzes, welche an sich unbequem sind, würden bei ihrer Einfüh¬
rung in das vielgetheilte und im literarischen Verkehr durchaus nicht leicht
zu übersehende Deutschland dauernd Veranlassung zu Streitigkeiten und Stö¬
rungen des geschäftlichen Verkehrs geben.

Jede einfache Limitirung der Schutzfrist vom Tode des Autors ab, ist
den verwickelten Bestimmungen des Amendements vorzuziehen.

Bei Festsetzung der Schutzjahre kann man freilich sehr verschiedener
Meinung sein und wenn es Aufgabe des vorliegenden Gesetzes wäre, ein
neues Recht zu schaffen, so dürfte eine, dem Vernehmen nach angeregte,
Schutzfrist von 20 Jahren nach dem Tode des Urhebers vielleicht dem socialen


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[0509] angekündigte Amendement zu Z. 8 wäre keine Verbesserung des Ent¬ wurfes, zunächst weil dasselbe jedem einzelnen Werke eines Autors seine besondere Schutzfrist zu Theil werden läßt. In den verhältnißmäßig wenigen Fällen, in denen nach dem Tode eines Autors seine Werke noch Gegenstand kräftiger Wirksamkeit sind, wird es im höchsten Interesse der Hinterbliebenen d. h. seiner Rechtsnachfolger liegen, dieselben gesammelt oder theilweise herauszugeben. Auch die Nation hat dann das Verlangen, ein Gesammtbild seines geistigen Lebens vor sich zu sehen. Ein solches Zu- sammenfassen der literarischen Production wird wesentlich erschwert, wenn die Schutzfrist der einzelnen Werke dieser Sammlung ungleich bemessen ist. "Dazu kommt, daß das Amendement seinen Zweck: Beschleunigung der freien Concurrenz doch auch nur bei einzelnen Werken erreicht, und daß alles, was ein Autor in den letzten 10 Jahren seines Lebens geschrieben hat, — also in vielen Fällen seine reifsten Leistungen — doch auch erst 30 Jahre nach sei¬ nem Tode Gegenstand der freien Speculation werden soll. Die Unsicherheit in den Bestimmungen dieses Amendements wird aber wesentlich durch einen besonderen Umstand vermehrt. In sehr vielen Fällen, z. B. bei populär-wissenschaftlichen Werken ändert und erweitert der Autor oder Her¬ ausgeber in späteren Auflagen sein Werk so beträchtlich, daß dasselbe durch die Umarbeitung und Fortführung weit anderen Umfang, Aussehen, Bedeu¬ tung gewinnt; wie soll bei solchen veränderten und fortgeführten Werken der Schutz berechnet werden? Soll die frühere vom Autor durch Aenderungen ver¬ leugnete Auflage selbständig frei werden? Und wenn sie in solcher Weise vor den späteren Auflagen desselben Werkes Gegenstand freier Concurrenz zu werden vermag, wer kann hindern, wenn sie von einem neuen Herausgeber selbständig umgebildet wird? Dann würden von demselben Werk, welches noch Autor¬ schutz genießt, daneben ganz freie und ungeänderte Bearbeitungen umlaufen können. Zuverlässig wird in jedem einzelnen Falle der Richter zu befinden vermögen, aber die durch solche Bestimmung eingetragene Rechtsunsicherheit ist ein Nachtheil. Die in der Hauptsache entsprechenden Bestimmungen des englischen Gesetzes, welche an sich unbequem sind, würden bei ihrer Einfüh¬ rung in das vielgetheilte und im literarischen Verkehr durchaus nicht leicht zu übersehende Deutschland dauernd Veranlassung zu Streitigkeiten und Stö¬ rungen des geschäftlichen Verkehrs geben. Jede einfache Limitirung der Schutzfrist vom Tode des Autors ab, ist den verwickelten Bestimmungen des Amendements vorzuziehen. Bei Festsetzung der Schutzjahre kann man freilich sehr verschiedener Meinung sein und wenn es Aufgabe des vorliegenden Gesetzes wäre, ein neues Recht zu schaffen, so dürfte eine, dem Vernehmen nach angeregte, Schutzfrist von 20 Jahren nach dem Tode des Urhebers vielleicht dem socialen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/509>, abgerufen am 26.06.2024.