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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Monat der Abonnementserneuerung und bleiben die Zeitungen uniform wie
jetzt, so werden überall wo bisher verschiedene Blätter neben einander ge¬
halten wurden, Einschränkungen eintreten. Zwar steht principiell die ganze
Bourgeoisie auf der Seite der Druckerei- und Zeitungsbesitzer, da der Sieg
der Setzer das Signal zu einer allgemeinen Arbeitererhebung geben würde,
aber es dürften nur sehr Wenige Gemeingeist genug bewähren, um die Unter¬
nehmer durch Abonnement zu unterstützen. Hat sich doch die Ansicht fest¬
gesetzt, daß das Zeitungsgeschäft überhaupt ein so glänzendes sei, wie es in
einzelnen Fällen allerdings ist. Dies fabelhaft schnelle Entstehen von Reich¬
thümern durch die Zeitungsindustrie ist es auch ohne Zweifel, was die Setzer
so anspruchsvoll und so einmüthig gemacht hat. Wollten die Eigenthümer
aufrichtig gegen sich und Andere sein, so müßten sie zugeben, daß aus ihren
Kreisen den Arbeitern die Parole gegeben worden ist. Vor fünf oder sechs
Jahren traten Redacteure und Administratoren der "Presse" an den Besitzer
dieser Zeitung mit der Erklärung heran, sie machten das Blatt und wollten
deshalb außer ihren glänzenden Gehalten noch Antheil am Gewinn haben.
Herr Zang wies dies Ansinnen zurück, jene Herren traten aus, gründeten
die Neue Presse und proclamirten unzähligem"!, sie seien eigentlich "die Presse,"
benutzten ohne viele Wahl jedes Mittel, um jenes ältere Blatt zu Grunde
zu richten und versicherten dabei stets, in ihrem heiligen Rechte zu sein gegen¬
über dem Bourgeois Zang, welcher so unverschämt gewesen war, das von ihm
gegründete und in die Höhe gebrachte Blatt ihnen nicht ausliefern zu wollen.
Der Vorgang wiederholte sich bei mehreren Blättern, einmal mit, einmal
ohne den gehofften Erfolg, und die Setzer haben nicht ohne Nutzen für sich
selbst solche Doctrinen verbreitet. -- Dieselbe Neue Presse ist in diesen Tagen
an eine Bank verkauft worden, angeblich für anderthalb Millionen. Von
dieser Summe mögen einige Hunderttausende abzuziehen sein, da bei derarti¬
gen Geschäften gewöhnlich auf beiden Seiten etwas aufgeschnitten wird:
immer bleibt das Facit, daß innerhalb weniger Jahre die drei Eigenthümer
des Blattes bei demselben Paläste und Villen verdient haben und sich nun
mit einem Baarvermögen zurückziehen, welches überall und in jedem Ge¬
schäftskreise ein großes genannt werden würde. Kann man es den Setzern
da so übel nehmen, wenn ihnen dos Blur und allerlei Gedanken zu Kopfe
steigen?

Gerade die großen Blätter wissen jederzeit so klug zu reden über "un¬
gesunde Verhältnisse" in unserem ökonomischen Leben; nicht leicht kann es
etwas ungesunderes geben als das Zeitungswesen bei uns! Als eigentlicher
Käufer der Neuen Presse wurde öffentlich Graf Beust bezeichnet; er hat da¬
gegen sehr bestimmt romonstriren lassen, allein es kann trotzdem etwas Wah¬
res an der Sache sein. Man erinnert sich, daß erst vor einigen Monaten


Monat der Abonnementserneuerung und bleiben die Zeitungen uniform wie
jetzt, so werden überall wo bisher verschiedene Blätter neben einander ge¬
halten wurden, Einschränkungen eintreten. Zwar steht principiell die ganze
Bourgeoisie auf der Seite der Druckerei- und Zeitungsbesitzer, da der Sieg
der Setzer das Signal zu einer allgemeinen Arbeitererhebung geben würde,
aber es dürften nur sehr Wenige Gemeingeist genug bewähren, um die Unter¬
nehmer durch Abonnement zu unterstützen. Hat sich doch die Ansicht fest¬
gesetzt, daß das Zeitungsgeschäft überhaupt ein so glänzendes sei, wie es in
einzelnen Fällen allerdings ist. Dies fabelhaft schnelle Entstehen von Reich¬
thümern durch die Zeitungsindustrie ist es auch ohne Zweifel, was die Setzer
so anspruchsvoll und so einmüthig gemacht hat. Wollten die Eigenthümer
aufrichtig gegen sich und Andere sein, so müßten sie zugeben, daß aus ihren
Kreisen den Arbeitern die Parole gegeben worden ist. Vor fünf oder sechs
Jahren traten Redacteure und Administratoren der „Presse" an den Besitzer
dieser Zeitung mit der Erklärung heran, sie machten das Blatt und wollten
deshalb außer ihren glänzenden Gehalten noch Antheil am Gewinn haben.
Herr Zang wies dies Ansinnen zurück, jene Herren traten aus, gründeten
die Neue Presse und proclamirten unzähligem«!, sie seien eigentlich „die Presse,"
benutzten ohne viele Wahl jedes Mittel, um jenes ältere Blatt zu Grunde
zu richten und versicherten dabei stets, in ihrem heiligen Rechte zu sein gegen¬
über dem Bourgeois Zang, welcher so unverschämt gewesen war, das von ihm
gegründete und in die Höhe gebrachte Blatt ihnen nicht ausliefern zu wollen.
Der Vorgang wiederholte sich bei mehreren Blättern, einmal mit, einmal
ohne den gehofften Erfolg, und die Setzer haben nicht ohne Nutzen für sich
selbst solche Doctrinen verbreitet. — Dieselbe Neue Presse ist in diesen Tagen
an eine Bank verkauft worden, angeblich für anderthalb Millionen. Von
dieser Summe mögen einige Hunderttausende abzuziehen sein, da bei derarti¬
gen Geschäften gewöhnlich auf beiden Seiten etwas aufgeschnitten wird:
immer bleibt das Facit, daß innerhalb weniger Jahre die drei Eigenthümer
des Blattes bei demselben Paläste und Villen verdient haben und sich nun
mit einem Baarvermögen zurückziehen, welches überall und in jedem Ge¬
schäftskreise ein großes genannt werden würde. Kann man es den Setzern
da so übel nehmen, wenn ihnen dos Blur und allerlei Gedanken zu Kopfe
steigen?

Gerade die großen Blätter wissen jederzeit so klug zu reden über „un¬
gesunde Verhältnisse" in unserem ökonomischen Leben; nicht leicht kann es
etwas ungesunderes geben als das Zeitungswesen bei uns! Als eigentlicher
Käufer der Neuen Presse wurde öffentlich Graf Beust bezeichnet; er hat da¬
gegen sehr bestimmt romonstriren lassen, allein es kann trotzdem etwas Wah¬
res an der Sache sein. Man erinnert sich, daß erst vor einigen Monaten


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[0462] Monat der Abonnementserneuerung und bleiben die Zeitungen uniform wie jetzt, so werden überall wo bisher verschiedene Blätter neben einander ge¬ halten wurden, Einschränkungen eintreten. Zwar steht principiell die ganze Bourgeoisie auf der Seite der Druckerei- und Zeitungsbesitzer, da der Sieg der Setzer das Signal zu einer allgemeinen Arbeitererhebung geben würde, aber es dürften nur sehr Wenige Gemeingeist genug bewähren, um die Unter¬ nehmer durch Abonnement zu unterstützen. Hat sich doch die Ansicht fest¬ gesetzt, daß das Zeitungsgeschäft überhaupt ein so glänzendes sei, wie es in einzelnen Fällen allerdings ist. Dies fabelhaft schnelle Entstehen von Reich¬ thümern durch die Zeitungsindustrie ist es auch ohne Zweifel, was die Setzer so anspruchsvoll und so einmüthig gemacht hat. Wollten die Eigenthümer aufrichtig gegen sich und Andere sein, so müßten sie zugeben, daß aus ihren Kreisen den Arbeitern die Parole gegeben worden ist. Vor fünf oder sechs Jahren traten Redacteure und Administratoren der „Presse" an den Besitzer dieser Zeitung mit der Erklärung heran, sie machten das Blatt und wollten deshalb außer ihren glänzenden Gehalten noch Antheil am Gewinn haben. Herr Zang wies dies Ansinnen zurück, jene Herren traten aus, gründeten die Neue Presse und proclamirten unzähligem«!, sie seien eigentlich „die Presse," benutzten ohne viele Wahl jedes Mittel, um jenes ältere Blatt zu Grunde zu richten und versicherten dabei stets, in ihrem heiligen Rechte zu sein gegen¬ über dem Bourgeois Zang, welcher so unverschämt gewesen war, das von ihm gegründete und in die Höhe gebrachte Blatt ihnen nicht ausliefern zu wollen. Der Vorgang wiederholte sich bei mehreren Blättern, einmal mit, einmal ohne den gehofften Erfolg, und die Setzer haben nicht ohne Nutzen für sich selbst solche Doctrinen verbreitet. — Dieselbe Neue Presse ist in diesen Tagen an eine Bank verkauft worden, angeblich für anderthalb Millionen. Von dieser Summe mögen einige Hunderttausende abzuziehen sein, da bei derarti¬ gen Geschäften gewöhnlich auf beiden Seiten etwas aufgeschnitten wird: immer bleibt das Facit, daß innerhalb weniger Jahre die drei Eigenthümer des Blattes bei demselben Paläste und Villen verdient haben und sich nun mit einem Baarvermögen zurückziehen, welches überall und in jedem Ge¬ schäftskreise ein großes genannt werden würde. Kann man es den Setzern da so übel nehmen, wenn ihnen dos Blur und allerlei Gedanken zu Kopfe steigen? Gerade die großen Blätter wissen jederzeit so klug zu reden über „un¬ gesunde Verhältnisse" in unserem ökonomischen Leben; nicht leicht kann es etwas ungesunderes geben als das Zeitungswesen bei uns! Als eigentlicher Käufer der Neuen Presse wurde öffentlich Graf Beust bezeichnet; er hat da¬ gegen sehr bestimmt romonstriren lassen, allein es kann trotzdem etwas Wah¬ res an der Sache sein. Man erinnert sich, daß erst vor einigen Monaten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/462>, abgerufen am 29.06.2024.