Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

presse, werden zusammen benutzt, um durch ihre Zeichen, gleich Telegrammen,
den geistigen Inhalt einer Menschenseele in die andere zu senden.

Wenn der Verfasser eines Buches, einer Composition, eines Kunstwerkes
die Arbeit seiner schöpferischen Kraft in solcher Vervielfältigung seinen Zeit¬
genossen übergibt, so betrachtet er sich allerdings mit Recht als Arbeiter,
welcher aus dieser Lehrer- und Bildnerthätigkeit auch die Möglichkeit sucht
auf Erden zu existiren. Wenn jetzt der Schriftsteller einen Bruchtheil des
Kaufpreises, der für das Fabricae bezahlt wird, für sich beansprucht, so thut
er damit nichts anderes, als was unter anderen Bildungsverhältnissen der
hellenische Rhapsode that, wenn er versammeltem Volke homerische Gesänge
recitirte, oder was der griechische Rhetor that, wenn er seinem Auditorium
seine Weisheit in sorgfältig studirter Attitüde vortrug. Das Bestreben, aus
geistiger Arbeit auch die Mittel für das äußere Leben zu holen, ist genau so
alt, als die originelle geistige Arbeit der Individuen überhaupt, es beginnt
in der Urzeit des Menschengeschlechts, wo die Priester und Orakel ihre
Sprüche verkauften, es hat sich erst seit Ausbildung des Bücherdrucks sehr
allmälig so demokratisch entwickelt, daß dem Producenten seine Unabhängig¬
keit und Freiheit durch den Bücher laufenden Theil der Nation, mit anderen
Worten, durch das Honorar des Buchhändlers gesichert wird.

Aber wie wichtig dem Schriftsteller in den meisten Fällen der Empfang
eines Entgeldes für seine Arbeit sein wird, das Verhältniß zwischen Schrift¬
steller und Verleger hat eine ganz andere sittliche und für die Kultur noch wich¬
tigere Grundlage; der Buchhändler ist gegenüber der Nation der vertraute Ge¬
schäftsführer der Schriftsteller, welcher sich verpflichtet hat, im Fabrikat,
welches er fertigt und vertreibt, die Arbeit des Schriftstellers: Sinn, Inhalt und
Wortlaut genau und treu herzustellen. Diese treue und autorisirte Wieder¬
gabe der geistigen Arbeit ist für den Schriftsteller und das Publikum an
dem Werk die Hauptsache. Nicht jedes bedeutende Werk kann honorirt
werden, in jedem Falle aber besteht dies Treuverhältniß zwischen Autor und
Verleger, zwischen Beiden zusammen gegenüber den Käufern. Der Autor setzt
-- mit jetzt seltener Ausnahme -- seinen Namen auf die Schrift, um vor aller
Welt den Inhalt zu vertreten, er fordert von dem Verleger, daß der Druck
Nichts enthalte, als was er geschrieben, und Alles genau so. wie er es ge¬
schrieben, er macht deshalb auch sogar Vorschriften über das Format, wählt
die Lettern und revidirt selbst die gedruckten Bogen, um die Sicherheit zu
h.ihm. daß seine Arbeit ganz und völlig, wie er es begehrt, in die Oeffent-
lichkeit gelange. Jedem Schriftsteller und Künstler liegt daran, daß seine Arbeit
in möglichst viele Seelen dringe und dort nach seinem Wunsche wirke, erhebend,
erheiternd, anregend, belehrend. Aber ihm selbst ist, wenn er als gewissen¬
hafter Mann empfindet, stets die Voraussetzung dafür, daß die Vervielfältigung


presse, werden zusammen benutzt, um durch ihre Zeichen, gleich Telegrammen,
den geistigen Inhalt einer Menschenseele in die andere zu senden.

Wenn der Verfasser eines Buches, einer Composition, eines Kunstwerkes
die Arbeit seiner schöpferischen Kraft in solcher Vervielfältigung seinen Zeit¬
genossen übergibt, so betrachtet er sich allerdings mit Recht als Arbeiter,
welcher aus dieser Lehrer- und Bildnerthätigkeit auch die Möglichkeit sucht
auf Erden zu existiren. Wenn jetzt der Schriftsteller einen Bruchtheil des
Kaufpreises, der für das Fabricae bezahlt wird, für sich beansprucht, so thut
er damit nichts anderes, als was unter anderen Bildungsverhältnissen der
hellenische Rhapsode that, wenn er versammeltem Volke homerische Gesänge
recitirte, oder was der griechische Rhetor that, wenn er seinem Auditorium
seine Weisheit in sorgfältig studirter Attitüde vortrug. Das Bestreben, aus
geistiger Arbeit auch die Mittel für das äußere Leben zu holen, ist genau so
alt, als die originelle geistige Arbeit der Individuen überhaupt, es beginnt
in der Urzeit des Menschengeschlechts, wo die Priester und Orakel ihre
Sprüche verkauften, es hat sich erst seit Ausbildung des Bücherdrucks sehr
allmälig so demokratisch entwickelt, daß dem Producenten seine Unabhängig¬
keit und Freiheit durch den Bücher laufenden Theil der Nation, mit anderen
Worten, durch das Honorar des Buchhändlers gesichert wird.

Aber wie wichtig dem Schriftsteller in den meisten Fällen der Empfang
eines Entgeldes für seine Arbeit sein wird, das Verhältniß zwischen Schrift¬
steller und Verleger hat eine ganz andere sittliche und für die Kultur noch wich¬
tigere Grundlage; der Buchhändler ist gegenüber der Nation der vertraute Ge¬
schäftsführer der Schriftsteller, welcher sich verpflichtet hat, im Fabrikat,
welches er fertigt und vertreibt, die Arbeit des Schriftstellers: Sinn, Inhalt und
Wortlaut genau und treu herzustellen. Diese treue und autorisirte Wieder¬
gabe der geistigen Arbeit ist für den Schriftsteller und das Publikum an
dem Werk die Hauptsache. Nicht jedes bedeutende Werk kann honorirt
werden, in jedem Falle aber besteht dies Treuverhältniß zwischen Autor und
Verleger, zwischen Beiden zusammen gegenüber den Käufern. Der Autor setzt
— mit jetzt seltener Ausnahme — seinen Namen auf die Schrift, um vor aller
Welt den Inhalt zu vertreten, er fordert von dem Verleger, daß der Druck
Nichts enthalte, als was er geschrieben, und Alles genau so. wie er es ge¬
schrieben, er macht deshalb auch sogar Vorschriften über das Format, wählt
die Lettern und revidirt selbst die gedruckten Bogen, um die Sicherheit zu
h.ihm. daß seine Arbeit ganz und völlig, wie er es begehrt, in die Oeffent-
lichkeit gelange. Jedem Schriftsteller und Künstler liegt daran, daß seine Arbeit
in möglichst viele Seelen dringe und dort nach seinem Wunsche wirke, erhebend,
erheiternd, anregend, belehrend. Aber ihm selbst ist, wenn er als gewissen¬
hafter Mann empfindet, stets die Voraussetzung dafür, daß die Vervielfältigung


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123530"/>
          <p xml:id="ID_1260" prev="#ID_1259"> presse, werden zusammen benutzt, um durch ihre Zeichen, gleich Telegrammen,<lb/>
den geistigen Inhalt einer Menschenseele in die andere zu senden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1261"> Wenn der Verfasser eines Buches, einer Composition, eines Kunstwerkes<lb/>
die Arbeit seiner schöpferischen Kraft in solcher Vervielfältigung seinen Zeit¬<lb/>
genossen übergibt, so betrachtet er sich allerdings mit Recht als Arbeiter,<lb/>
welcher aus dieser Lehrer- und Bildnerthätigkeit auch die Möglichkeit sucht<lb/>
auf Erden zu existiren. Wenn jetzt der Schriftsteller einen Bruchtheil des<lb/>
Kaufpreises, der für das Fabricae bezahlt wird, für sich beansprucht, so thut<lb/>
er damit nichts anderes, als was unter anderen Bildungsverhältnissen der<lb/>
hellenische Rhapsode that, wenn er versammeltem Volke homerische Gesänge<lb/>
recitirte, oder was der griechische Rhetor that, wenn er seinem Auditorium<lb/>
seine Weisheit in sorgfältig studirter Attitüde vortrug. Das Bestreben, aus<lb/>
geistiger Arbeit auch die Mittel für das äußere Leben zu holen, ist genau so<lb/>
alt, als die originelle geistige Arbeit der Individuen überhaupt, es beginnt<lb/>
in der Urzeit des Menschengeschlechts, wo die Priester und Orakel ihre<lb/>
Sprüche verkauften, es hat sich erst seit Ausbildung des Bücherdrucks sehr<lb/>
allmälig so demokratisch entwickelt, daß dem Producenten seine Unabhängig¬<lb/>
keit und Freiheit durch den Bücher laufenden Theil der Nation, mit anderen<lb/>
Worten, durch das Honorar des Buchhändlers gesichert wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1262" next="#ID_1263"> Aber wie wichtig dem Schriftsteller in den meisten Fällen der Empfang<lb/>
eines Entgeldes für seine Arbeit sein wird, das Verhältniß zwischen Schrift¬<lb/>
steller und Verleger hat eine ganz andere sittliche und für die Kultur noch wich¬<lb/>
tigere Grundlage; der Buchhändler ist gegenüber der Nation der vertraute Ge¬<lb/>
schäftsführer der Schriftsteller, welcher sich verpflichtet hat, im Fabrikat,<lb/>
welches er fertigt und vertreibt, die Arbeit des Schriftstellers: Sinn, Inhalt und<lb/>
Wortlaut genau und treu herzustellen. Diese treue und autorisirte Wieder¬<lb/>
gabe der geistigen Arbeit ist für den Schriftsteller und das Publikum an<lb/>
dem Werk die Hauptsache. Nicht jedes bedeutende Werk kann honorirt<lb/>
werden, in jedem Falle aber besteht dies Treuverhältniß zwischen Autor und<lb/>
Verleger, zwischen Beiden zusammen gegenüber den Käufern. Der Autor setzt<lb/>
&#x2014; mit jetzt seltener Ausnahme &#x2014; seinen Namen auf die Schrift, um vor aller<lb/>
Welt den Inhalt zu vertreten, er fordert von dem Verleger, daß der Druck<lb/>
Nichts enthalte, als was er geschrieben, und Alles genau so. wie er es ge¬<lb/>
schrieben, er macht deshalb auch sogar Vorschriften über das Format, wählt<lb/>
die Lettern und revidirt selbst die gedruckten Bogen, um die Sicherheit zu<lb/>
h.ihm. daß seine Arbeit ganz und völlig, wie er es begehrt, in die Oeffent-<lb/>
lichkeit gelange. Jedem Schriftsteller und Künstler liegt daran, daß seine Arbeit<lb/>
in möglichst viele Seelen dringe und dort nach seinem Wunsche wirke, erhebend,<lb/>
erheiternd, anregend, belehrend. Aber ihm selbst ist, wenn er als gewissen¬<lb/>
hafter Mann empfindet, stets die Voraussetzung dafür, daß die Vervielfältigung</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0442] presse, werden zusammen benutzt, um durch ihre Zeichen, gleich Telegrammen, den geistigen Inhalt einer Menschenseele in die andere zu senden. Wenn der Verfasser eines Buches, einer Composition, eines Kunstwerkes die Arbeit seiner schöpferischen Kraft in solcher Vervielfältigung seinen Zeit¬ genossen übergibt, so betrachtet er sich allerdings mit Recht als Arbeiter, welcher aus dieser Lehrer- und Bildnerthätigkeit auch die Möglichkeit sucht auf Erden zu existiren. Wenn jetzt der Schriftsteller einen Bruchtheil des Kaufpreises, der für das Fabricae bezahlt wird, für sich beansprucht, so thut er damit nichts anderes, als was unter anderen Bildungsverhältnissen der hellenische Rhapsode that, wenn er versammeltem Volke homerische Gesänge recitirte, oder was der griechische Rhetor that, wenn er seinem Auditorium seine Weisheit in sorgfältig studirter Attitüde vortrug. Das Bestreben, aus geistiger Arbeit auch die Mittel für das äußere Leben zu holen, ist genau so alt, als die originelle geistige Arbeit der Individuen überhaupt, es beginnt in der Urzeit des Menschengeschlechts, wo die Priester und Orakel ihre Sprüche verkauften, es hat sich erst seit Ausbildung des Bücherdrucks sehr allmälig so demokratisch entwickelt, daß dem Producenten seine Unabhängig¬ keit und Freiheit durch den Bücher laufenden Theil der Nation, mit anderen Worten, durch das Honorar des Buchhändlers gesichert wird. Aber wie wichtig dem Schriftsteller in den meisten Fällen der Empfang eines Entgeldes für seine Arbeit sein wird, das Verhältniß zwischen Schrift¬ steller und Verleger hat eine ganz andere sittliche und für die Kultur noch wich¬ tigere Grundlage; der Buchhändler ist gegenüber der Nation der vertraute Ge¬ schäftsführer der Schriftsteller, welcher sich verpflichtet hat, im Fabrikat, welches er fertigt und vertreibt, die Arbeit des Schriftstellers: Sinn, Inhalt und Wortlaut genau und treu herzustellen. Diese treue und autorisirte Wieder¬ gabe der geistigen Arbeit ist für den Schriftsteller und das Publikum an dem Werk die Hauptsache. Nicht jedes bedeutende Werk kann honorirt werden, in jedem Falle aber besteht dies Treuverhältniß zwischen Autor und Verleger, zwischen Beiden zusammen gegenüber den Käufern. Der Autor setzt — mit jetzt seltener Ausnahme — seinen Namen auf die Schrift, um vor aller Welt den Inhalt zu vertreten, er fordert von dem Verleger, daß der Druck Nichts enthalte, als was er geschrieben, und Alles genau so. wie er es ge¬ schrieben, er macht deshalb auch sogar Vorschriften über das Format, wählt die Lettern und revidirt selbst die gedruckten Bogen, um die Sicherheit zu h.ihm. daß seine Arbeit ganz und völlig, wie er es begehrt, in die Oeffent- lichkeit gelange. Jedem Schriftsteller und Künstler liegt daran, daß seine Arbeit in möglichst viele Seelen dringe und dort nach seinem Wunsche wirke, erhebend, erheiternd, anregend, belehrend. Aber ihm selbst ist, wenn er als gewissen¬ hafter Mann empfindet, stets die Voraussetzung dafür, daß die Vervielfältigung

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/442
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/442>, abgerufen am 28.09.2024.