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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Süden und grundlos war glücklicherweise die Sorge der norddeutschen Freunde,
wir möchten durch die Erklärungen des Bundeskanzlers uns entmuthigt füh¬
len. Es kommt uns dabei zu statten, daß wir unberührt blieben von den
Eigenthümlichkeiten in dem persönlichen Auftreten des Bundeskanzlers und
von den Verstimmungen, welche aus der äußeren Behandlung der Sache im
Reichstag entsprangen. Uns berührte allein der Inhalt der Reden Laster's
und Bismarck's, und rasch sind sich die Kundgebungen aus Carlsruhe, Stutt¬
gart, München gefolgt, des Inhalts: Wir bleiben die Alten. Ist doch auch
der Sinn der großen Debatte vom 24. Februar der gewesen, daß es vor¬
läufig beim Alten bleibt.

Daß die nationale Minderheit im Süden ihre Stellung damit nicht
verbessert, liegt freilich auf der Hand. Aber sie ist gegen die Annehmlichkeiten
ihrer Situation hinreichend abgehärtet, sie ist stark genug um etwas ertragen
zu können, und mit Recht konnte eines der wortführenden Organe der Par¬
tei in einer Anwandlung heiterer Resignation ausrufen: Wir legens zum
Uebrigen! Daß wir durch die Rede des Grafen Bismarck völlig nieder¬
geschmettert seien, erfuhren wir zu unserer fröhlichen Ueberraschung erst aus
der Frankfurter Zeitung.

Ein Anderes wäre es gewesen, wenn Graf Bismarck seine Opposition
gegen die Aufnahme Badens mit einer Frontveränderung seiner Politik moti-
virt und grundsätzlich sich dem nationalen Programm gegenüber gestellt
hätte. Aber das Gegentheil war der Fall. Der gegenwärtige Bund ist ihm
wie der nationalen Partei ein Provisorium, das Ziel ist ihm die politische
Vereinigung des Südens und des Nordens, kein Glied Deutschlands soll vom
künftigen Staat ausgeschlossen sein, nicht den letzten Winkel Altbaierns möchte
er aufgeben. So sehr steht ihm die endliche Gesammteinigung als oberstes
Ziel fest, daß er die Aufnahme eines einzelnen willigen Gliedes in den Bund
als ein untergeordnetes Moment unter jene oberste Rücksicht stellt. Er steht
die Aufnahme Badens darauf an, ob sie ein richtig gewähltes Mittel zum
Zweck ist; er verneint diese Frage im jetzigen Augenblick und läßt sie für
die Zukunft offen. Und wenn er für seine persönliche Meinung einige Au¬
torität beansprucht, so beruft er sich dabei mit Recht auf die bisherigen Er-
folge seiner Politik, aus die Größe des bereits Geleisteten, auf die Stellung,
welche das Haus Hohenzollern heute schon auch in Süddeutschland einnimmt.
Eben diese Größe des bereits Erreichten giebt der nationalen Partei die
Kühnheit mehr zu verlangen. Aber der Graf Bismarck übertrifft sie noch an
Kühnheit, denn er hat die Gewißheit, daß die Hauptsache gethan ist und das
Uebrige in gelassener Ruhe, in Erwartung des schicklichsten Moments vollends
besorgt werden kann. Man braucht den Baum nicht zu schütteln, wenn die
Früchte in Bälde von selber fallen.


Süden und grundlos war glücklicherweise die Sorge der norddeutschen Freunde,
wir möchten durch die Erklärungen des Bundeskanzlers uns entmuthigt füh¬
len. Es kommt uns dabei zu statten, daß wir unberührt blieben von den
Eigenthümlichkeiten in dem persönlichen Auftreten des Bundeskanzlers und
von den Verstimmungen, welche aus der äußeren Behandlung der Sache im
Reichstag entsprangen. Uns berührte allein der Inhalt der Reden Laster's
und Bismarck's, und rasch sind sich die Kundgebungen aus Carlsruhe, Stutt¬
gart, München gefolgt, des Inhalts: Wir bleiben die Alten. Ist doch auch
der Sinn der großen Debatte vom 24. Februar der gewesen, daß es vor¬
läufig beim Alten bleibt.

Daß die nationale Minderheit im Süden ihre Stellung damit nicht
verbessert, liegt freilich auf der Hand. Aber sie ist gegen die Annehmlichkeiten
ihrer Situation hinreichend abgehärtet, sie ist stark genug um etwas ertragen
zu können, und mit Recht konnte eines der wortführenden Organe der Par¬
tei in einer Anwandlung heiterer Resignation ausrufen: Wir legens zum
Uebrigen! Daß wir durch die Rede des Grafen Bismarck völlig nieder¬
geschmettert seien, erfuhren wir zu unserer fröhlichen Ueberraschung erst aus
der Frankfurter Zeitung.

Ein Anderes wäre es gewesen, wenn Graf Bismarck seine Opposition
gegen die Aufnahme Badens mit einer Frontveränderung seiner Politik moti-
virt und grundsätzlich sich dem nationalen Programm gegenüber gestellt
hätte. Aber das Gegentheil war der Fall. Der gegenwärtige Bund ist ihm
wie der nationalen Partei ein Provisorium, das Ziel ist ihm die politische
Vereinigung des Südens und des Nordens, kein Glied Deutschlands soll vom
künftigen Staat ausgeschlossen sein, nicht den letzten Winkel Altbaierns möchte
er aufgeben. So sehr steht ihm die endliche Gesammteinigung als oberstes
Ziel fest, daß er die Aufnahme eines einzelnen willigen Gliedes in den Bund
als ein untergeordnetes Moment unter jene oberste Rücksicht stellt. Er steht
die Aufnahme Badens darauf an, ob sie ein richtig gewähltes Mittel zum
Zweck ist; er verneint diese Frage im jetzigen Augenblick und läßt sie für
die Zukunft offen. Und wenn er für seine persönliche Meinung einige Au¬
torität beansprucht, so beruft er sich dabei mit Recht auf die bisherigen Er-
folge seiner Politik, aus die Größe des bereits Geleisteten, auf die Stellung,
welche das Haus Hohenzollern heute schon auch in Süddeutschland einnimmt.
Eben diese Größe des bereits Erreichten giebt der nationalen Partei die
Kühnheit mehr zu verlangen. Aber der Graf Bismarck übertrifft sie noch an
Kühnheit, denn er hat die Gewißheit, daß die Hauptsache gethan ist und das
Uebrige in gelassener Ruhe, in Erwartung des schicklichsten Moments vollends
besorgt werden kann. Man braucht den Baum nicht zu schütteln, wenn die
Früchte in Bälde von selber fallen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/419>, abgerufen am 28.09.2024.