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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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lange anderswo gedruckt waren. Aber wahrscheinlich wollte der Verf. zeigen,
daß er sich nicht umsonst herzoglich sächsischer Archivrath nennt und dieser Grund
genügtin der That. Was die unverschämten Gegner daraufgesagt und geschrieben
haben, mag man billig anderwärts nachlesen, weil es ja auch schon oft gedruckt
worden ist. Herr Ebeling. wohl fühlend, daß sein Publicum Abwechselung
verlangt und durch ein bloßes Conglomerat von Deductionen, Staatsschriften,
Kammerreden :c. gelangweilt würde, beschafft diese Abwechslung dadurch, daß
er nach und nach den ganzen Vorrath, den die deutsche Sprache an Verbal¬
injurien besitzt, aufmarschiren läßt und damit die Gegner seines Helden und
deren teuflische schwarzweiße Pläne todtschlägt.. In dieser Hinsicht dürfte
das Buch noch ein besonderes Interesse, auf das der Verfasser nicht gerechnet
hat, beanspruchen, und man kann es allen denen, die sich mit deutschen
lexicalischen Studien und Sammlungen befassen, nicht genug empfehlen, zumal
viele originelle und lebenskräftige Neugebilde darin zu finden sind. Auch der
"Stuttgarter Beobachter", die bayrische "patriotische" Presse und ähnliche
Repräsentanten deutscher Cultur und Gesinnung könnten hier noch manches
brauchbare auflesen, zumal sie selbst in eigener Erfindung auf sprachlichem
Gebiete -- auf dem der Erfindung von Thatsachen, was man sonst schlankweg
Lügen und Verleumder heißt, wird ihnen Niemand eine unvergleichliche
Fruchtbarkeit bestreiten -- wenig fruchtbar sind und immer noch von manchem
Höckerweibe auf dem ersten besten Markte überboten werden. Um aber noch
unser specielles Interesse an dem Buche zu bethätigen, machen wir den Herrn
Verfasser darauf aufmerksam, daß er sich einen nicht unwichtigen Zug aus
dem Leben seines Helden, des damaligen Freiherrn, jetzigen Grafen Beust hat
entgehen lassen. Vielleicht ist die Eile schuld, mit der der erste Band auf das
Drängen vieler sehnsüchtig Harrenden, wie die Vorrede klagt, gleichsam zu
früh geboren werden mußte. Nämlich aus jenen dunkeln Tagen von 48/49,
vor der Uebernahme des königlich sächsischen Portefeuilles, (Tagen, von denen
Herr Ebeling wenigstens so weit es seinen Helden angeht, sehr wenig zu
berichten weiß, außer daß der Edle durch seine persönliche Liebenswürdigkeit
sich die beträchtliche Erbschaft einer alten grimmigen Tante zuzuwenden
wußte), ließe sich als Lückenbüßer erzählen, nöthigenfalls auch belegen, wie der
Held, in Sachsen ohne festen Halt, sich ernstlich um eine Unterkunft in Preußen
bemühte, wie man ihn aber dort -- sehr mit Unrecht -- schnöde abfertigte,
worauf dann als ein veus ex ma-edina. der sächsische Ministerposten ihn auf die
Bahn seiner Triumphe, zunächst über das perfide Preußen führte.

Schließlich wollen wir unseren wahrhaft aufrichtigen Dank für Herrn
Ebeling nach alter Sitte in einige gute Wünsche einkleiden. Weil wir
aber fürchten müssen, bet der Ueberfülle unseres Herzens gar zu weitläufig


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lange anderswo gedruckt waren. Aber wahrscheinlich wollte der Verf. zeigen,
daß er sich nicht umsonst herzoglich sächsischer Archivrath nennt und dieser Grund
genügtin der That. Was die unverschämten Gegner daraufgesagt und geschrieben
haben, mag man billig anderwärts nachlesen, weil es ja auch schon oft gedruckt
worden ist. Herr Ebeling. wohl fühlend, daß sein Publicum Abwechselung
verlangt und durch ein bloßes Conglomerat von Deductionen, Staatsschriften,
Kammerreden :c. gelangweilt würde, beschafft diese Abwechslung dadurch, daß
er nach und nach den ganzen Vorrath, den die deutsche Sprache an Verbal¬
injurien besitzt, aufmarschiren läßt und damit die Gegner seines Helden und
deren teuflische schwarzweiße Pläne todtschlägt.. In dieser Hinsicht dürfte
das Buch noch ein besonderes Interesse, auf das der Verfasser nicht gerechnet
hat, beanspruchen, und man kann es allen denen, die sich mit deutschen
lexicalischen Studien und Sammlungen befassen, nicht genug empfehlen, zumal
viele originelle und lebenskräftige Neugebilde darin zu finden sind. Auch der
„Stuttgarter Beobachter", die bayrische „patriotische" Presse und ähnliche
Repräsentanten deutscher Cultur und Gesinnung könnten hier noch manches
brauchbare auflesen, zumal sie selbst in eigener Erfindung auf sprachlichem
Gebiete — auf dem der Erfindung von Thatsachen, was man sonst schlankweg
Lügen und Verleumder heißt, wird ihnen Niemand eine unvergleichliche
Fruchtbarkeit bestreiten — wenig fruchtbar sind und immer noch von manchem
Höckerweibe auf dem ersten besten Markte überboten werden. Um aber noch
unser specielles Interesse an dem Buche zu bethätigen, machen wir den Herrn
Verfasser darauf aufmerksam, daß er sich einen nicht unwichtigen Zug aus
dem Leben seines Helden, des damaligen Freiherrn, jetzigen Grafen Beust hat
entgehen lassen. Vielleicht ist die Eile schuld, mit der der erste Band auf das
Drängen vieler sehnsüchtig Harrenden, wie die Vorrede klagt, gleichsam zu
früh geboren werden mußte. Nämlich aus jenen dunkeln Tagen von 48/49,
vor der Uebernahme des königlich sächsischen Portefeuilles, (Tagen, von denen
Herr Ebeling wenigstens so weit es seinen Helden angeht, sehr wenig zu
berichten weiß, außer daß der Edle durch seine persönliche Liebenswürdigkeit
sich die beträchtliche Erbschaft einer alten grimmigen Tante zuzuwenden
wußte), ließe sich als Lückenbüßer erzählen, nöthigenfalls auch belegen, wie der
Held, in Sachsen ohne festen Halt, sich ernstlich um eine Unterkunft in Preußen
bemühte, wie man ihn aber dort — sehr mit Unrecht — schnöde abfertigte,
worauf dann als ein veus ex ma-edina. der sächsische Ministerposten ihn auf die
Bahn seiner Triumphe, zunächst über das perfide Preußen führte.

Schließlich wollen wir unseren wahrhaft aufrichtigen Dank für Herrn
Ebeling nach alter Sitte in einige gute Wünsche einkleiden. Weil wir
aber fürchten müssen, bet der Ueberfülle unseres Herzens gar zu weitläufig


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[0417] lange anderswo gedruckt waren. Aber wahrscheinlich wollte der Verf. zeigen, daß er sich nicht umsonst herzoglich sächsischer Archivrath nennt und dieser Grund genügtin der That. Was die unverschämten Gegner daraufgesagt und geschrieben haben, mag man billig anderwärts nachlesen, weil es ja auch schon oft gedruckt worden ist. Herr Ebeling. wohl fühlend, daß sein Publicum Abwechselung verlangt und durch ein bloßes Conglomerat von Deductionen, Staatsschriften, Kammerreden :c. gelangweilt würde, beschafft diese Abwechslung dadurch, daß er nach und nach den ganzen Vorrath, den die deutsche Sprache an Verbal¬ injurien besitzt, aufmarschiren läßt und damit die Gegner seines Helden und deren teuflische schwarzweiße Pläne todtschlägt.. In dieser Hinsicht dürfte das Buch noch ein besonderes Interesse, auf das der Verfasser nicht gerechnet hat, beanspruchen, und man kann es allen denen, die sich mit deutschen lexicalischen Studien und Sammlungen befassen, nicht genug empfehlen, zumal viele originelle und lebenskräftige Neugebilde darin zu finden sind. Auch der „Stuttgarter Beobachter", die bayrische „patriotische" Presse und ähnliche Repräsentanten deutscher Cultur und Gesinnung könnten hier noch manches brauchbare auflesen, zumal sie selbst in eigener Erfindung auf sprachlichem Gebiete — auf dem der Erfindung von Thatsachen, was man sonst schlankweg Lügen und Verleumder heißt, wird ihnen Niemand eine unvergleichliche Fruchtbarkeit bestreiten — wenig fruchtbar sind und immer noch von manchem Höckerweibe auf dem ersten besten Markte überboten werden. Um aber noch unser specielles Interesse an dem Buche zu bethätigen, machen wir den Herrn Verfasser darauf aufmerksam, daß er sich einen nicht unwichtigen Zug aus dem Leben seines Helden, des damaligen Freiherrn, jetzigen Grafen Beust hat entgehen lassen. Vielleicht ist die Eile schuld, mit der der erste Band auf das Drängen vieler sehnsüchtig Harrenden, wie die Vorrede klagt, gleichsam zu früh geboren werden mußte. Nämlich aus jenen dunkeln Tagen von 48/49, vor der Uebernahme des königlich sächsischen Portefeuilles, (Tagen, von denen Herr Ebeling wenigstens so weit es seinen Helden angeht, sehr wenig zu berichten weiß, außer daß der Edle durch seine persönliche Liebenswürdigkeit sich die beträchtliche Erbschaft einer alten grimmigen Tante zuzuwenden wußte), ließe sich als Lückenbüßer erzählen, nöthigenfalls auch belegen, wie der Held, in Sachsen ohne festen Halt, sich ernstlich um eine Unterkunft in Preußen bemühte, wie man ihn aber dort — sehr mit Unrecht — schnöde abfertigte, worauf dann als ein veus ex ma-edina. der sächsische Ministerposten ihn auf die Bahn seiner Triumphe, zunächst über das perfide Preußen führte. Schließlich wollen wir unseren wahrhaft aufrichtigen Dank für Herrn Ebeling nach alter Sitte in einige gute Wünsche einkleiden. Weil wir aber fürchten müssen, bet der Ueberfülle unseres Herzens gar zu weitläufig 52*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/417>, abgerufen am 28.06.2024.