Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den buchhändlerischen Erfolg findet. Bei uns waren außer Schulbüchern die
Tauchnitz-Ausgaben der Classiker lange fast die einzige Speculation ähnlicher Art.
Erst seit wenigen Jahren hat der deutsche Verlagshandel den Muth gewonnen,
auf den gesteigerten Wohlstand rechnend und auf den Eintritt der unteren Volks¬
classen in unsere Bildungssphäre, ebenfalls in sehr großen Auflagen mit nied¬
rigen Preisen seinen Vortheil zu suchen, zunächst durch populäre Wochenschriften
mit Illustrationen, unterhaltende Bücher. Das Aufhören des literarischen
Schutzes für die deutschen Classiker wurde Veranlassung zu einer ausgedehnten
Anwendung desselben Princips, welches allerdings von größtem Einfluß auf
die Bildung des Volks werden kann. Und wir dürfen vertrauen, daß die
Deutschen in der Ausbeutung dieser Speculation bald hinter ihren wohlhaben¬
deren Nachbarn nicht zurückstehen werden. Gerade unser Buchhandel, den
die Concurrenz so sehr zwingt, jeden Vortheil aufzusuchen, wird darin alles
Mögliche leisten. Nur muß man nicht meinen, daß der größte Theil unserer
guten und fördernden Bücher in Preis und Ausstattung auf den Massen¬
verkauf angelegt werden wird, und man soll ruhig Autoren und Verlegern
überlassen, ob sie für ihre Werke den einen oder den anderen Weg der
Preisnormirung einschlagen wollen. Im Ganzen geht seit den letzten Jahren
die Tendenz des Buch- und Musikalienhandels überwiegend dahin, billig und
massenhaft zu liefern. Man wird auch hier Erfahrungen machen, welche
Vorsicht anempfehlen.

Der vorliegende Gesetzentwurf regelt in 74 Paragraphen die Rechte der
Urheber, der Verleger und der Oeffentlichkeit an Schriftwerken, Abbildungen,
musikalischen Compositionen, dramatischen Werken und Werken der bildenden
Künste, insofern dieselben auf -mechanischem Wege vervielfältigt werden. Der
Schutz der Photographien soll durch einen besonderen Gesetzentwurf geregelt
werden. Der Entwurf bestimmt, daß der Urheber eines Schriftwerkes aus¬
schließlich das Recht hat, dasselbe ganz oder theilweise auf mechanischem Wege
zu vervielfältigen, dies Recht mag er übertragen an Herausgeber oder Unter¬
nehmer, an Verleger, Bühnen oder Kunsthändler, er mag es überlassen zu
einmaliger Vervielfältigung oder zu fortgesetzter. Das Gesetz schützt den
ausschließlich Berechtigten gegen jede mechanische Vervielfältigung, welche
ohne seine Genehmigung erfolgt, eine Anzahl Fälle ausgenommen, in welchen
die Benutzung der Schriftworte, der musikalischen Compositionen oder des
Bildwerkes aus Rücksicht aus allgemeine Culturinteressen und die Freiheit
der geistigen Bewegung im Volke gestattet wird. Die Bestimmungen über
Alles, was nicht als Nachdruck oder unerlaubte Nachbildung zu betrachten
sei, gehören wohl zu den schwierigsten Problemen, welche der Gesetzgebung
überhaupt gestellt werden können. Die betreffenden Paragraphen sind Hervor¬
gegangen aus einem gewissenhaften Abwägen der großen Interessen, welche


den buchhändlerischen Erfolg findet. Bei uns waren außer Schulbüchern die
Tauchnitz-Ausgaben der Classiker lange fast die einzige Speculation ähnlicher Art.
Erst seit wenigen Jahren hat der deutsche Verlagshandel den Muth gewonnen,
auf den gesteigerten Wohlstand rechnend und auf den Eintritt der unteren Volks¬
classen in unsere Bildungssphäre, ebenfalls in sehr großen Auflagen mit nied¬
rigen Preisen seinen Vortheil zu suchen, zunächst durch populäre Wochenschriften
mit Illustrationen, unterhaltende Bücher. Das Aufhören des literarischen
Schutzes für die deutschen Classiker wurde Veranlassung zu einer ausgedehnten
Anwendung desselben Princips, welches allerdings von größtem Einfluß auf
die Bildung des Volks werden kann. Und wir dürfen vertrauen, daß die
Deutschen in der Ausbeutung dieser Speculation bald hinter ihren wohlhaben¬
deren Nachbarn nicht zurückstehen werden. Gerade unser Buchhandel, den
die Concurrenz so sehr zwingt, jeden Vortheil aufzusuchen, wird darin alles
Mögliche leisten. Nur muß man nicht meinen, daß der größte Theil unserer
guten und fördernden Bücher in Preis und Ausstattung auf den Massen¬
verkauf angelegt werden wird, und man soll ruhig Autoren und Verlegern
überlassen, ob sie für ihre Werke den einen oder den anderen Weg der
Preisnormirung einschlagen wollen. Im Ganzen geht seit den letzten Jahren
die Tendenz des Buch- und Musikalienhandels überwiegend dahin, billig und
massenhaft zu liefern. Man wird auch hier Erfahrungen machen, welche
Vorsicht anempfehlen.

Der vorliegende Gesetzentwurf regelt in 74 Paragraphen die Rechte der
Urheber, der Verleger und der Oeffentlichkeit an Schriftwerken, Abbildungen,
musikalischen Compositionen, dramatischen Werken und Werken der bildenden
Künste, insofern dieselben auf -mechanischem Wege vervielfältigt werden. Der
Schutz der Photographien soll durch einen besonderen Gesetzentwurf geregelt
werden. Der Entwurf bestimmt, daß der Urheber eines Schriftwerkes aus¬
schließlich das Recht hat, dasselbe ganz oder theilweise auf mechanischem Wege
zu vervielfältigen, dies Recht mag er übertragen an Herausgeber oder Unter¬
nehmer, an Verleger, Bühnen oder Kunsthändler, er mag es überlassen zu
einmaliger Vervielfältigung oder zu fortgesetzter. Das Gesetz schützt den
ausschließlich Berechtigten gegen jede mechanische Vervielfältigung, welche
ohne seine Genehmigung erfolgt, eine Anzahl Fälle ausgenommen, in welchen
die Benutzung der Schriftworte, der musikalischen Compositionen oder des
Bildwerkes aus Rücksicht aus allgemeine Culturinteressen und die Freiheit
der geistigen Bewegung im Volke gestattet wird. Die Bestimmungen über
Alles, was nicht als Nachdruck oder unerlaubte Nachbildung zu betrachten
sei, gehören wohl zu den schwierigsten Problemen, welche der Gesetzgebung
überhaupt gestellt werden können. Die betreffenden Paragraphen sind Hervor¬
gegangen aus einem gewissenhaften Abwägen der großen Interessen, welche


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123490"/>
          <p xml:id="ID_1150" prev="#ID_1149"> den buchhändlerischen Erfolg findet. Bei uns waren außer Schulbüchern die<lb/>
Tauchnitz-Ausgaben der Classiker lange fast die einzige Speculation ähnlicher Art.<lb/>
Erst seit wenigen Jahren hat der deutsche Verlagshandel den Muth gewonnen,<lb/>
auf den gesteigerten Wohlstand rechnend und auf den Eintritt der unteren Volks¬<lb/>
classen in unsere Bildungssphäre, ebenfalls in sehr großen Auflagen mit nied¬<lb/>
rigen Preisen seinen Vortheil zu suchen, zunächst durch populäre Wochenschriften<lb/>
mit Illustrationen, unterhaltende Bücher. Das Aufhören des literarischen<lb/>
Schutzes für die deutschen Classiker wurde Veranlassung zu einer ausgedehnten<lb/>
Anwendung desselben Princips, welches allerdings von größtem Einfluß auf<lb/>
die Bildung des Volks werden kann. Und wir dürfen vertrauen, daß die<lb/>
Deutschen in der Ausbeutung dieser Speculation bald hinter ihren wohlhaben¬<lb/>
deren Nachbarn nicht zurückstehen werden. Gerade unser Buchhandel, den<lb/>
die Concurrenz so sehr zwingt, jeden Vortheil aufzusuchen, wird darin alles<lb/>
Mögliche leisten. Nur muß man nicht meinen, daß der größte Theil unserer<lb/>
guten und fördernden Bücher in Preis und Ausstattung auf den Massen¬<lb/>
verkauf angelegt werden wird, und man soll ruhig Autoren und Verlegern<lb/>
überlassen, ob sie für ihre Werke den einen oder den anderen Weg der<lb/>
Preisnormirung einschlagen wollen. Im Ganzen geht seit den letzten Jahren<lb/>
die Tendenz des Buch- und Musikalienhandels überwiegend dahin, billig und<lb/>
massenhaft zu liefern. Man wird auch hier Erfahrungen machen, welche<lb/>
Vorsicht anempfehlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1151" next="#ID_1152"> Der vorliegende Gesetzentwurf regelt in 74 Paragraphen die Rechte der<lb/>
Urheber, der Verleger und der Oeffentlichkeit an Schriftwerken, Abbildungen,<lb/>
musikalischen Compositionen, dramatischen Werken und Werken der bildenden<lb/>
Künste, insofern dieselben auf -mechanischem Wege vervielfältigt werden. Der<lb/>
Schutz der Photographien soll durch einen besonderen Gesetzentwurf geregelt<lb/>
werden. Der Entwurf bestimmt, daß der Urheber eines Schriftwerkes aus¬<lb/>
schließlich das Recht hat, dasselbe ganz oder theilweise auf mechanischem Wege<lb/>
zu vervielfältigen, dies Recht mag er übertragen an Herausgeber oder Unter¬<lb/>
nehmer, an Verleger, Bühnen oder Kunsthändler, er mag es überlassen zu<lb/>
einmaliger Vervielfältigung oder zu fortgesetzter. Das Gesetz schützt den<lb/>
ausschließlich Berechtigten gegen jede mechanische Vervielfältigung, welche<lb/>
ohne seine Genehmigung erfolgt, eine Anzahl Fälle ausgenommen, in welchen<lb/>
die Benutzung der Schriftworte, der musikalischen Compositionen oder des<lb/>
Bildwerkes aus Rücksicht aus allgemeine Culturinteressen und die Freiheit<lb/>
der geistigen Bewegung im Volke gestattet wird. Die Bestimmungen über<lb/>
Alles, was nicht als Nachdruck oder unerlaubte Nachbildung zu betrachten<lb/>
sei, gehören wohl zu den schwierigsten Problemen, welche der Gesetzgebung<lb/>
überhaupt gestellt werden können. Die betreffenden Paragraphen sind Hervor¬<lb/>
gegangen aus einem gewissenhaften Abwägen der großen Interessen, welche</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0402] den buchhändlerischen Erfolg findet. Bei uns waren außer Schulbüchern die Tauchnitz-Ausgaben der Classiker lange fast die einzige Speculation ähnlicher Art. Erst seit wenigen Jahren hat der deutsche Verlagshandel den Muth gewonnen, auf den gesteigerten Wohlstand rechnend und auf den Eintritt der unteren Volks¬ classen in unsere Bildungssphäre, ebenfalls in sehr großen Auflagen mit nied¬ rigen Preisen seinen Vortheil zu suchen, zunächst durch populäre Wochenschriften mit Illustrationen, unterhaltende Bücher. Das Aufhören des literarischen Schutzes für die deutschen Classiker wurde Veranlassung zu einer ausgedehnten Anwendung desselben Princips, welches allerdings von größtem Einfluß auf die Bildung des Volks werden kann. Und wir dürfen vertrauen, daß die Deutschen in der Ausbeutung dieser Speculation bald hinter ihren wohlhaben¬ deren Nachbarn nicht zurückstehen werden. Gerade unser Buchhandel, den die Concurrenz so sehr zwingt, jeden Vortheil aufzusuchen, wird darin alles Mögliche leisten. Nur muß man nicht meinen, daß der größte Theil unserer guten und fördernden Bücher in Preis und Ausstattung auf den Massen¬ verkauf angelegt werden wird, und man soll ruhig Autoren und Verlegern überlassen, ob sie für ihre Werke den einen oder den anderen Weg der Preisnormirung einschlagen wollen. Im Ganzen geht seit den letzten Jahren die Tendenz des Buch- und Musikalienhandels überwiegend dahin, billig und massenhaft zu liefern. Man wird auch hier Erfahrungen machen, welche Vorsicht anempfehlen. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt in 74 Paragraphen die Rechte der Urheber, der Verleger und der Oeffentlichkeit an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Compositionen, dramatischen Werken und Werken der bildenden Künste, insofern dieselben auf -mechanischem Wege vervielfältigt werden. Der Schutz der Photographien soll durch einen besonderen Gesetzentwurf geregelt werden. Der Entwurf bestimmt, daß der Urheber eines Schriftwerkes aus¬ schließlich das Recht hat, dasselbe ganz oder theilweise auf mechanischem Wege zu vervielfältigen, dies Recht mag er übertragen an Herausgeber oder Unter¬ nehmer, an Verleger, Bühnen oder Kunsthändler, er mag es überlassen zu einmaliger Vervielfältigung oder zu fortgesetzter. Das Gesetz schützt den ausschließlich Berechtigten gegen jede mechanische Vervielfältigung, welche ohne seine Genehmigung erfolgt, eine Anzahl Fälle ausgenommen, in welchen die Benutzung der Schriftworte, der musikalischen Compositionen oder des Bildwerkes aus Rücksicht aus allgemeine Culturinteressen und die Freiheit der geistigen Bewegung im Volke gestattet wird. Die Bestimmungen über Alles, was nicht als Nachdruck oder unerlaubte Nachbildung zu betrachten sei, gehören wohl zu den schwierigsten Problemen, welche der Gesetzgebung überhaupt gestellt werden können. Die betreffenden Paragraphen sind Hervor¬ gegangen aus einem gewissenhaften Abwägen der großen Interessen, welche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/402
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/402>, abgerufen am 29.06.2024.