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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Metropole Frankreichs. Es sind in den privaten Fabriken, Manufakturen
und Ateliers der französischen Hauptstadt, abgesehen von den Buchhaltern,
Commis und sonstigen kaufmännischen Beamten, nicht weniger als 416,811
Arbeiter, und nimmt man hierzu noch die in den industriellen Etablissements
des Staats beschäftigten Leute, so steigt die Zahl dieser Köpfe auf S50,280
Köpfe. Seit der Februarrevolution von 1848, wo die Zahl der Arbeiter
nur wenig über 340.000 betrug, hat diese Bevölkerungsclasse sich um
ca. 62 Procent vermehrt, während die Gesammtbevölkerung von 1,134,000
auf 1,680,000 Köpfe kam und der Gesammtwerth der Erzeugnisse der Pa¬
riser Industrie sich fast um 50 Procent gehoben hat.

Was den Lohn dieser Arbeiter anlangt, so ist zunächst zu bemerken,
daß in Paris und überhaupt in Frankreich die rohe Kraft nicht in dem
Maße geschätzt wird, als dies in den norddeutschen Seestädten der Fall ist,
beispielsweise in Danzig. wo eine große Anzahl von Leuten durch das
Hinaustragen von Getreidesäcken aus die Speicher wöchentlich zwanzig
bis 2 3 Thaler, ja mitunter noch mehr verdient. Dagegen wird in Paris
die Geschicklichkeit des Arbeiters relativ hoch bezahlt. In 397,000 Fällen,
also etwa bei acht Eilftheilen aller Arbeiter, ist durch eine vom Minister der
öffentlichen Arbeiten behufs Prüfung der Erwerbsverhältnisse der arbeitenden
Classen niedergesetzte Commission der empfangene Lohnsatz ziemlich genau
ermittelt worden. Es hat sich dabei zuvörderst herausgestellt: daß der Ar¬
beiterlohn in drei Kategorien zerfällt. Die erste unterste umfaßt die eigent¬
lichen Tagelöhner, Kinder, bloße Hilfsarbeiter und die noch ganz ungeübten
Leute, die zweite das Gros der Arbeiter, die dritte endlich die Verfertige?
künstlicher Arbeit oder die vorzugsweise geübten und geschickten Arbeiter.
Der wöchentliche Verdienst der untersten Stufe variirt, je nach dem Alter
der Arbeiter und der Art des Gewerbes (die Woche zu sechs Arbeitstagen
gerechnet) zwischen 4 und 15 Francs, d. i. 1 Thlr. 2 Sgr. bis 4 Thaler,
derjenigen der zweiten zwischen 16 und 36 Fras. oder 4 Thaler 8 Sgr. his
9 Thaler 18 Sgr. und derjenigen der obersten Stufe zwischen 40 bis 100
Francs oder 10 Thaler 20 Sgr. bis 26 Thaler 20 Sgr. Ja einzelne beson-
ders geschickte Arbeiter verdienen bis zu 120 Francs oder 32 Thaler die
Woche oder 1664 Thaler das Jahr.

In Großbritannien sind die Gegensätze noch ungleich schroffer, der Ar¬
beitslohn noch ungleich höher. An die Stelle der früheren schrankenlosen
Abhängigkeit der Arbeiter ist eine ganz unbegrenzte Freiheit der Bewegung
getreten; an die Stelle der Abgeschlossenheit und Jsolirung eine ganz un¬
bedingte Freizügigkeit.

Was wir oben über das Verhältniß des Arbeitslohns zu den Getreide¬
preisen im mittelalterlichen England und im Frankreich des 18. Jahrhunderts


Metropole Frankreichs. Es sind in den privaten Fabriken, Manufakturen
und Ateliers der französischen Hauptstadt, abgesehen von den Buchhaltern,
Commis und sonstigen kaufmännischen Beamten, nicht weniger als 416,811
Arbeiter, und nimmt man hierzu noch die in den industriellen Etablissements
des Staats beschäftigten Leute, so steigt die Zahl dieser Köpfe auf S50,280
Köpfe. Seit der Februarrevolution von 1848, wo die Zahl der Arbeiter
nur wenig über 340.000 betrug, hat diese Bevölkerungsclasse sich um
ca. 62 Procent vermehrt, während die Gesammtbevölkerung von 1,134,000
auf 1,680,000 Köpfe kam und der Gesammtwerth der Erzeugnisse der Pa¬
riser Industrie sich fast um 50 Procent gehoben hat.

Was den Lohn dieser Arbeiter anlangt, so ist zunächst zu bemerken,
daß in Paris und überhaupt in Frankreich die rohe Kraft nicht in dem
Maße geschätzt wird, als dies in den norddeutschen Seestädten der Fall ist,
beispielsweise in Danzig. wo eine große Anzahl von Leuten durch das
Hinaustragen von Getreidesäcken aus die Speicher wöchentlich zwanzig
bis 2 3 Thaler, ja mitunter noch mehr verdient. Dagegen wird in Paris
die Geschicklichkeit des Arbeiters relativ hoch bezahlt. In 397,000 Fällen,
also etwa bei acht Eilftheilen aller Arbeiter, ist durch eine vom Minister der
öffentlichen Arbeiten behufs Prüfung der Erwerbsverhältnisse der arbeitenden
Classen niedergesetzte Commission der empfangene Lohnsatz ziemlich genau
ermittelt worden. Es hat sich dabei zuvörderst herausgestellt: daß der Ar¬
beiterlohn in drei Kategorien zerfällt. Die erste unterste umfaßt die eigent¬
lichen Tagelöhner, Kinder, bloße Hilfsarbeiter und die noch ganz ungeübten
Leute, die zweite das Gros der Arbeiter, die dritte endlich die Verfertige?
künstlicher Arbeit oder die vorzugsweise geübten und geschickten Arbeiter.
Der wöchentliche Verdienst der untersten Stufe variirt, je nach dem Alter
der Arbeiter und der Art des Gewerbes (die Woche zu sechs Arbeitstagen
gerechnet) zwischen 4 und 15 Francs, d. i. 1 Thlr. 2 Sgr. bis 4 Thaler,
derjenigen der zweiten zwischen 16 und 36 Fras. oder 4 Thaler 8 Sgr. his
9 Thaler 18 Sgr. und derjenigen der obersten Stufe zwischen 40 bis 100
Francs oder 10 Thaler 20 Sgr. bis 26 Thaler 20 Sgr. Ja einzelne beson-
ders geschickte Arbeiter verdienen bis zu 120 Francs oder 32 Thaler die
Woche oder 1664 Thaler das Jahr.

In Großbritannien sind die Gegensätze noch ungleich schroffer, der Ar¬
beitslohn noch ungleich höher. An die Stelle der früheren schrankenlosen
Abhängigkeit der Arbeiter ist eine ganz unbegrenzte Freiheit der Bewegung
getreten; an die Stelle der Abgeschlossenheit und Jsolirung eine ganz un¬
bedingte Freizügigkeit.

Was wir oben über das Verhältniß des Arbeitslohns zu den Getreide¬
preisen im mittelalterlichen England und im Frankreich des 18. Jahrhunderts


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[0398] Metropole Frankreichs. Es sind in den privaten Fabriken, Manufakturen und Ateliers der französischen Hauptstadt, abgesehen von den Buchhaltern, Commis und sonstigen kaufmännischen Beamten, nicht weniger als 416,811 Arbeiter, und nimmt man hierzu noch die in den industriellen Etablissements des Staats beschäftigten Leute, so steigt die Zahl dieser Köpfe auf S50,280 Köpfe. Seit der Februarrevolution von 1848, wo die Zahl der Arbeiter nur wenig über 340.000 betrug, hat diese Bevölkerungsclasse sich um ca. 62 Procent vermehrt, während die Gesammtbevölkerung von 1,134,000 auf 1,680,000 Köpfe kam und der Gesammtwerth der Erzeugnisse der Pa¬ riser Industrie sich fast um 50 Procent gehoben hat. Was den Lohn dieser Arbeiter anlangt, so ist zunächst zu bemerken, daß in Paris und überhaupt in Frankreich die rohe Kraft nicht in dem Maße geschätzt wird, als dies in den norddeutschen Seestädten der Fall ist, beispielsweise in Danzig. wo eine große Anzahl von Leuten durch das Hinaustragen von Getreidesäcken aus die Speicher wöchentlich zwanzig bis 2 3 Thaler, ja mitunter noch mehr verdient. Dagegen wird in Paris die Geschicklichkeit des Arbeiters relativ hoch bezahlt. In 397,000 Fällen, also etwa bei acht Eilftheilen aller Arbeiter, ist durch eine vom Minister der öffentlichen Arbeiten behufs Prüfung der Erwerbsverhältnisse der arbeitenden Classen niedergesetzte Commission der empfangene Lohnsatz ziemlich genau ermittelt worden. Es hat sich dabei zuvörderst herausgestellt: daß der Ar¬ beiterlohn in drei Kategorien zerfällt. Die erste unterste umfaßt die eigent¬ lichen Tagelöhner, Kinder, bloße Hilfsarbeiter und die noch ganz ungeübten Leute, die zweite das Gros der Arbeiter, die dritte endlich die Verfertige? künstlicher Arbeit oder die vorzugsweise geübten und geschickten Arbeiter. Der wöchentliche Verdienst der untersten Stufe variirt, je nach dem Alter der Arbeiter und der Art des Gewerbes (die Woche zu sechs Arbeitstagen gerechnet) zwischen 4 und 15 Francs, d. i. 1 Thlr. 2 Sgr. bis 4 Thaler, derjenigen der zweiten zwischen 16 und 36 Fras. oder 4 Thaler 8 Sgr. his 9 Thaler 18 Sgr. und derjenigen der obersten Stufe zwischen 40 bis 100 Francs oder 10 Thaler 20 Sgr. bis 26 Thaler 20 Sgr. Ja einzelne beson- ders geschickte Arbeiter verdienen bis zu 120 Francs oder 32 Thaler die Woche oder 1664 Thaler das Jahr. In Großbritannien sind die Gegensätze noch ungleich schroffer, der Ar¬ beitslohn noch ungleich höher. An die Stelle der früheren schrankenlosen Abhängigkeit der Arbeiter ist eine ganz unbegrenzte Freiheit der Bewegung getreten; an die Stelle der Abgeschlossenheit und Jsolirung eine ganz un¬ bedingte Freizügigkeit. Was wir oben über das Verhältniß des Arbeitslohns zu den Getreide¬ preisen im mittelalterlichen England und im Frankreich des 18. Jahrhunderts

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/398>, abgerufen am 29.06.2024.