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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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ein großer Theil der Arbeitskraft den Rest des Jahres hindurch keine Nach¬
frage fand. Im Jahr 1444, wo der gewöhnliche Arbeiter zwei Metzen
Weizen per Tag erhalten haben soll, betrug sein Einkommen für das Jahr
15 Schilling nebst Kleidung im Werthe von 3 Schilling 4 Pere. und Fleisch
und Getränk. Das Bauerntuch, das die Arbeiter damals trugen, kostete 2
Schilling pro Elle, so daß der ganze Lohn des Arbeiters nicht über neun
Ellen Tuch und seine Kost betrug. Eine Abschätzung des Privateigenthums
zu Colchester, damals der zehnten englischen Stadt dem Range nach, zeigt
uns den Zustand der Handels- und Gewerbsleute dieser Periode und setzt
uns genügend in den Stand, uns einen Begriff von der Lage des gewöhn¬
lichen Arbeiters zu bilden. In den meisten Häusern scheint darnach ein eiser¬
ner Topf das einzige gewöhnliche Geschirr gewesen zu sein. Das Hand¬
werkscapital eines Schuhflickers wurde auf 7 Schilling geschätzt, der Vor¬
rath eines Fleischers an Pöckelfleisch auf 1 Pfd. sert. 13 Schilling. Fast
jede Familie hatte einen kleinen Vorrath von Gerste, da Roggen nur wenig
und Weizen fast gar nicht im Gebrauch war. Im Jahr 1301 wurden die
Haushaltungsgegenstände selten auf mehr als zwanzig Schilling geschätzt.
Brod, Bier und Milch bildeten die gewöhnliche Kost der Städter. Im Jahre
13S7 erschien das Statut der Arbeiter, durch welches der Lohn der Mäher
und Ausgäther auf 2 Pence per Tag festgesetzt wurde, die nach Gutdünken
des Arbeitsgebers in Geld oder Weizen, den Büschel zu 10 Pence gerechnet,
bezahlt werden konnten. Welche Wirkung diese Verfügung hatte, wird man
bemessen können, wenn man vernimmt, daß der Weizen während des vier¬
zehnten Jahrhunderts zwischen 2 und 4 Pfd. sert. per Quarter im Preise
schwankte. War er theuer, so zahlte man den Arbeiter in Geld, das für
seine Nahrung nicht hinreichte, war der Weizen billig, so gab man ihm
Korn, wofür er nicht genug Kleidung bekam. Niemand durfte im Sommer
sein Dorf verlassen, um Arbeit zu suchen, wenn er zu dem erwähnten Lohn
Arbeit erhalten konnte, mit Ausnahme der Einwohner von Staffordshire,
Lancashire und einigen anderen Grafschaften. Die Arbeiter mußten zwei¬
mal im Jahr schwören, diese Verordnungen zu beobachten und die Ueber-
treter des Gesetzes wurden in die Blöcke gesperrt. Im Jahr 1360 wurde
das Arbeitsstatut vom Parlament bestätigt und die Beobachtung desselben
bei Strafe der Einsparung und Brandmarkung auf der Stirne eingeschärft.
Dem Gutdünken des Herrn war es überlassen, den Arbeiter auf Tage oder
fürs Jahr zu miethen, der Letztere dagegen war gezwungen, für den im
Statut bestimmten Lohn aus Tage oder das ganze Jahr hindurch zu arbeiten
je nach dem Belieben des Arbeitsgebers. Im Jahr 1388 wurden die Arbeits¬
löhne abermals regulirt, und für einen Ackerer 7 Schilling pro Jahr nebst
Kost aber ohne Kleidung und sonstige Stipulationen festgesetzt. Eden, aus


ein großer Theil der Arbeitskraft den Rest des Jahres hindurch keine Nach¬
frage fand. Im Jahr 1444, wo der gewöhnliche Arbeiter zwei Metzen
Weizen per Tag erhalten haben soll, betrug sein Einkommen für das Jahr
15 Schilling nebst Kleidung im Werthe von 3 Schilling 4 Pere. und Fleisch
und Getränk. Das Bauerntuch, das die Arbeiter damals trugen, kostete 2
Schilling pro Elle, so daß der ganze Lohn des Arbeiters nicht über neun
Ellen Tuch und seine Kost betrug. Eine Abschätzung des Privateigenthums
zu Colchester, damals der zehnten englischen Stadt dem Range nach, zeigt
uns den Zustand der Handels- und Gewerbsleute dieser Periode und setzt
uns genügend in den Stand, uns einen Begriff von der Lage des gewöhn¬
lichen Arbeiters zu bilden. In den meisten Häusern scheint darnach ein eiser¬
ner Topf das einzige gewöhnliche Geschirr gewesen zu sein. Das Hand¬
werkscapital eines Schuhflickers wurde auf 7 Schilling geschätzt, der Vor¬
rath eines Fleischers an Pöckelfleisch auf 1 Pfd. sert. 13 Schilling. Fast
jede Familie hatte einen kleinen Vorrath von Gerste, da Roggen nur wenig
und Weizen fast gar nicht im Gebrauch war. Im Jahr 1301 wurden die
Haushaltungsgegenstände selten auf mehr als zwanzig Schilling geschätzt.
Brod, Bier und Milch bildeten die gewöhnliche Kost der Städter. Im Jahre
13S7 erschien das Statut der Arbeiter, durch welches der Lohn der Mäher
und Ausgäther auf 2 Pence per Tag festgesetzt wurde, die nach Gutdünken
des Arbeitsgebers in Geld oder Weizen, den Büschel zu 10 Pence gerechnet,
bezahlt werden konnten. Welche Wirkung diese Verfügung hatte, wird man
bemessen können, wenn man vernimmt, daß der Weizen während des vier¬
zehnten Jahrhunderts zwischen 2 und 4 Pfd. sert. per Quarter im Preise
schwankte. War er theuer, so zahlte man den Arbeiter in Geld, das für
seine Nahrung nicht hinreichte, war der Weizen billig, so gab man ihm
Korn, wofür er nicht genug Kleidung bekam. Niemand durfte im Sommer
sein Dorf verlassen, um Arbeit zu suchen, wenn er zu dem erwähnten Lohn
Arbeit erhalten konnte, mit Ausnahme der Einwohner von Staffordshire,
Lancashire und einigen anderen Grafschaften. Die Arbeiter mußten zwei¬
mal im Jahr schwören, diese Verordnungen zu beobachten und die Ueber-
treter des Gesetzes wurden in die Blöcke gesperrt. Im Jahr 1360 wurde
das Arbeitsstatut vom Parlament bestätigt und die Beobachtung desselben
bei Strafe der Einsparung und Brandmarkung auf der Stirne eingeschärft.
Dem Gutdünken des Herrn war es überlassen, den Arbeiter auf Tage oder
fürs Jahr zu miethen, der Letztere dagegen war gezwungen, für den im
Statut bestimmten Lohn aus Tage oder das ganze Jahr hindurch zu arbeiten
je nach dem Belieben des Arbeitsgebers. Im Jahr 1388 wurden die Arbeits¬
löhne abermals regulirt, und für einen Ackerer 7 Schilling pro Jahr nebst
Kost aber ohne Kleidung und sonstige Stipulationen festgesetzt. Eden, aus


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[0396] ein großer Theil der Arbeitskraft den Rest des Jahres hindurch keine Nach¬ frage fand. Im Jahr 1444, wo der gewöhnliche Arbeiter zwei Metzen Weizen per Tag erhalten haben soll, betrug sein Einkommen für das Jahr 15 Schilling nebst Kleidung im Werthe von 3 Schilling 4 Pere. und Fleisch und Getränk. Das Bauerntuch, das die Arbeiter damals trugen, kostete 2 Schilling pro Elle, so daß der ganze Lohn des Arbeiters nicht über neun Ellen Tuch und seine Kost betrug. Eine Abschätzung des Privateigenthums zu Colchester, damals der zehnten englischen Stadt dem Range nach, zeigt uns den Zustand der Handels- und Gewerbsleute dieser Periode und setzt uns genügend in den Stand, uns einen Begriff von der Lage des gewöhn¬ lichen Arbeiters zu bilden. In den meisten Häusern scheint darnach ein eiser¬ ner Topf das einzige gewöhnliche Geschirr gewesen zu sein. Das Hand¬ werkscapital eines Schuhflickers wurde auf 7 Schilling geschätzt, der Vor¬ rath eines Fleischers an Pöckelfleisch auf 1 Pfd. sert. 13 Schilling. Fast jede Familie hatte einen kleinen Vorrath von Gerste, da Roggen nur wenig und Weizen fast gar nicht im Gebrauch war. Im Jahr 1301 wurden die Haushaltungsgegenstände selten auf mehr als zwanzig Schilling geschätzt. Brod, Bier und Milch bildeten die gewöhnliche Kost der Städter. Im Jahre 13S7 erschien das Statut der Arbeiter, durch welches der Lohn der Mäher und Ausgäther auf 2 Pence per Tag festgesetzt wurde, die nach Gutdünken des Arbeitsgebers in Geld oder Weizen, den Büschel zu 10 Pence gerechnet, bezahlt werden konnten. Welche Wirkung diese Verfügung hatte, wird man bemessen können, wenn man vernimmt, daß der Weizen während des vier¬ zehnten Jahrhunderts zwischen 2 und 4 Pfd. sert. per Quarter im Preise schwankte. War er theuer, so zahlte man den Arbeiter in Geld, das für seine Nahrung nicht hinreichte, war der Weizen billig, so gab man ihm Korn, wofür er nicht genug Kleidung bekam. Niemand durfte im Sommer sein Dorf verlassen, um Arbeit zu suchen, wenn er zu dem erwähnten Lohn Arbeit erhalten konnte, mit Ausnahme der Einwohner von Staffordshire, Lancashire und einigen anderen Grafschaften. Die Arbeiter mußten zwei¬ mal im Jahr schwören, diese Verordnungen zu beobachten und die Ueber- treter des Gesetzes wurden in die Blöcke gesperrt. Im Jahr 1360 wurde das Arbeitsstatut vom Parlament bestätigt und die Beobachtung desselben bei Strafe der Einsparung und Brandmarkung auf der Stirne eingeschärft. Dem Gutdünken des Herrn war es überlassen, den Arbeiter auf Tage oder fürs Jahr zu miethen, der Letztere dagegen war gezwungen, für den im Statut bestimmten Lohn aus Tage oder das ganze Jahr hindurch zu arbeiten je nach dem Belieben des Arbeitsgebers. Im Jahr 1388 wurden die Arbeits¬ löhne abermals regulirt, und für einen Ackerer 7 Schilling pro Jahr nebst Kost aber ohne Kleidung und sonstige Stipulationen festgesetzt. Eden, aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/396>, abgerufen am 29.06.2024.