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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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zum Taufpathen und erhielt schon als Jüngling eine Anstellung am Hofe
Karls des Kühnen. Obgleich er aber somit fast durch jegliche Erwägung,
welche Dankbarkeit und Pietät hervorrufen konnten, an das burgundische
Haus gefesselt war, so lieh er doch sehr bald verführerischen Lockungen, die
ihm von französischer Seite zukamen, sein Ohr. Die erste Gelegenheit zu
einer Anknüpfung zwischen ihm und Ludwig XI. ergab sich im Jahre 1468,
als Commynes erst einige 20 Jahre alt war*). Denn König Ludwig veranstal-
tete damals eine Zusammenkunft mit Herzog Karl in dem Schloß zu Peronne,
wurde aber gleich nach dem Beginn derselben, weil der Herzog plötzlich von
verräterischen Umtrieben des Königs Kunde erhielt, gefangen genommen und
gerieth hierdurch in die allerdringendste Gefahr. Was damals von Seiten
des Commynes geschah, ist niemals völlig aufgeklärt worden, doch scheint
es sicher zu sein, daß der junge Edelmann den maßlosen Grimm seines Herrn
geschickt besänftigt und den König durch Uebermittlung geeigneter Nachrich¬
ten zum Anspinnen rettender Verhandlungen in Stand gesetzt hat.

Ludwig XI. hat es späterhin bestätigt, daß ihm Commynes zu Peronne
einen großen Dienst geleistet hat. Drei Jahre später empfing Commynes
von Karl dem Kühnen den Auftrag, in politischen Geschäften nach der Bre¬
tagne und nach Spanien zu gehen. Diese Reise wurde von ihm benutzt, um
den König Ludwig in dessen eigenem Gebiete aufzusuchen und mit dem¬
selben in nähere Beziehungen zu treten. Der König erwies sich hierfür so¬
gleich dankbar, indem er dem burgundischen Herrn eine jährliche Pension
von 6000 Livres bewilligte, und nicht lange darauf, in der Nacht vom 7. zum
8. August 1472, entfloh Commynes aus denLanden des Herzogs Karl und begab
sich nach Frankreich, um von da bis zum Ende seines Lebens der französischen
Sache zu dienen**). Karl der Kühne erhob sich bei der Nachricht von dieser
Flucht in heftigem Zorne. Er confiscirte auf der Stelle alle Güter und Rechte
seines treulosen Dieners und zeigte demselben auch späterhin noch eine so feind¬
selige Gesinnung, daß er ihn bei einem Waffenstillstande, den er mit König
Ludwig im Jahre 1473 schloß, von der Amnestie, die zugleich festgesetzt wurde,
ausdrücklich ausnahm. Hierüber konnte sich Commynes nun freilich trösten.
Denn Ludwig XI. nahm ihn mit offenen Armen auf, unterstützte ihn zur
Belohnung mit bedeutenden Geldgeschenken, verheirathete ihn mit einer
reichen Erbin und machte ihn nach und nach zum eaMg-ius Z<z OKinon,
prmes <1e lalmont, ssiZueul' ä'Olonns, Olillteau-Oontdier, Lursom und




') Die Geburt Commynes' wurde bisher in das Jahr 1447 gesetzt. Wahrscheinlich war
aber Commynes damals schon ein oder ein paar Jahre alt. Vrgl, I^sttrs" Et riög-oomtions
us ä. vom. pudlivss Mi-. N. Is daron KsrvM als Lettsnliovs, Liuxsllizs 1867, l, 47.
'
-) Ueber die Flucht Commynes siehe besonders KervM cle I^stteMovs, IZtnclizs sur Iss
Kistorions ein XV. siöels. Bulletins als I'irvirclümis roz-Ah no Kelg'Mio. 2 sol-is, VII, 273
ff. Und daS obenerwähnte neuere Werk desselben Autors.
Grenzboten I. 1870. 37

zum Taufpathen und erhielt schon als Jüngling eine Anstellung am Hofe
Karls des Kühnen. Obgleich er aber somit fast durch jegliche Erwägung,
welche Dankbarkeit und Pietät hervorrufen konnten, an das burgundische
Haus gefesselt war, so lieh er doch sehr bald verführerischen Lockungen, die
ihm von französischer Seite zukamen, sein Ohr. Die erste Gelegenheit zu
einer Anknüpfung zwischen ihm und Ludwig XI. ergab sich im Jahre 1468,
als Commynes erst einige 20 Jahre alt war*). Denn König Ludwig veranstal-
tete damals eine Zusammenkunft mit Herzog Karl in dem Schloß zu Peronne,
wurde aber gleich nach dem Beginn derselben, weil der Herzog plötzlich von
verräterischen Umtrieben des Königs Kunde erhielt, gefangen genommen und
gerieth hierdurch in die allerdringendste Gefahr. Was damals von Seiten
des Commynes geschah, ist niemals völlig aufgeklärt worden, doch scheint
es sicher zu sein, daß der junge Edelmann den maßlosen Grimm seines Herrn
geschickt besänftigt und den König durch Uebermittlung geeigneter Nachrich¬
ten zum Anspinnen rettender Verhandlungen in Stand gesetzt hat.

Ludwig XI. hat es späterhin bestätigt, daß ihm Commynes zu Peronne
einen großen Dienst geleistet hat. Drei Jahre später empfing Commynes
von Karl dem Kühnen den Auftrag, in politischen Geschäften nach der Bre¬
tagne und nach Spanien zu gehen. Diese Reise wurde von ihm benutzt, um
den König Ludwig in dessen eigenem Gebiete aufzusuchen und mit dem¬
selben in nähere Beziehungen zu treten. Der König erwies sich hierfür so¬
gleich dankbar, indem er dem burgundischen Herrn eine jährliche Pension
von 6000 Livres bewilligte, und nicht lange darauf, in der Nacht vom 7. zum
8. August 1472, entfloh Commynes aus denLanden des Herzogs Karl und begab
sich nach Frankreich, um von da bis zum Ende seines Lebens der französischen
Sache zu dienen**). Karl der Kühne erhob sich bei der Nachricht von dieser
Flucht in heftigem Zorne. Er confiscirte auf der Stelle alle Güter und Rechte
seines treulosen Dieners und zeigte demselben auch späterhin noch eine so feind¬
selige Gesinnung, daß er ihn bei einem Waffenstillstande, den er mit König
Ludwig im Jahre 1473 schloß, von der Amnestie, die zugleich festgesetzt wurde,
ausdrücklich ausnahm. Hierüber konnte sich Commynes nun freilich trösten.
Denn Ludwig XI. nahm ihn mit offenen Armen auf, unterstützte ihn zur
Belohnung mit bedeutenden Geldgeschenken, verheirathete ihn mit einer
reichen Erbin und machte ihn nach und nach zum eaMg-ius Z<z OKinon,
prmes <1e lalmont, ssiZueul' ä'Olonns, Olillteau-Oontdier, Lursom und




') Die Geburt Commynes' wurde bisher in das Jahr 1447 gesetzt. Wahrscheinlich war
aber Commynes damals schon ein oder ein paar Jahre alt. Vrgl, I^sttrs» Et riög-oomtions
us ä. vom. pudlivss Mi-. N. Is daron KsrvM als Lettsnliovs, Liuxsllizs 1867, l, 47.
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-) Ueber die Flucht Commynes siehe besonders KervM cle I^stteMovs, IZtnclizs sur Iss
Kistorions ein XV. siöels. Bulletins als I'irvirclümis roz-Ah no Kelg'Mio. 2 sol-is, VII, 273
ff. Und daS obenerwähnte neuere Werk desselben Autors.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/295>, abgerufen am 29.06.2024.