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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Jesuitenpartei und der Mehrzahl der römischen Cardinäle Argwohn, hoch¬
fahrenden Uebermuth, kurze Abweisung ihrer frommen Bedenken; jeder
Widerspruch sollte ein Beweis des Ungehorsams und der Auflehnung gegen
ihre heilige Kirche sein. Durch solche Eindrücke wurde ihre Kritik geschärft,
und sie kamen dazu, ihr eigenes Wesen und die katholische Kirche ihrer Heimath
mit der römischen Prälatur zu vergleichen und mit dem, was man zu Rom
Frömmigkeit nennt. Sie selbst find Fürsten und vornehme Männer mit dem
Bewußtsein, ein hohes Ansehen in der bürgerlichen Gesellschaft zu genießen,
für den römischen Cardinal und Prälaten aber hat der gebildete Römer nach den
französischen Witzwort Demimonde einen besonderen Namen erfunden, er heißt
dort verächtlich msWO Mlantuoiuo. Und wenn die Deutschen die italienischen
Pfeiler der römischen Kirche in ihrer humanen Bildung, in Auffassung des
Glaubens und im Verständniß der Welt prüften, so fanden sie mit Erstaunen
gerade bei den thätigsten neben einer durchtriebenen kurzsichtigen Schlauheit
und italienischer Formgewandtheit einen Mangel an innerem Wahrheitssinn
und Leben, vielleicht sogar an christlichem Gewissen, und dabei gänzliche Un¬
fähigkeit, Culturverhältnisse eines anderen Volksthums zu würdigen. Den
schweren Kampf gegen die moderne Bildung, gegen die große Arbeit abend¬
ländischer Wissenschaft, gegen die steigenden Ansprüche des modernen Staaten¬
lebens wollten diese Zeloten führen öurch ohnmächtigen Fluch, durch Bann
und Bücherverbote, um die sich Niemand kümmert, sie waren ungeduldig,
daß in Deutschland, in England die Bekehrung nicht größere Fortschritte
mache, denn im Ganzen sei diese Bekehrung nur Frage der Zeit und
einer nicht gar zu langen, sie legten unverhältmäßigen Werth auf jede
Bekehrung eines einzelnen verdorbenen Weltkinds und auf jeden kleinen Er¬
folg, den die Agenten der Jesuitenpartei gegen die Irrgläubigen durchge¬
setzt hatten, und waren völlig ohne Verständniß für die Zweifel und Disso¬
nanzen, welche dem Leben auch der Gläubigen durch untilgbare Resultate
der Wissenschaft und kluger Erfindung entstehen.

Die Sitzungen des Conciliums begannen. Und welches war das Verhal¬
ten der Römlinge gegen das Gewissen der Deutschen? Wie Schulknaben,
wie Capläne und Curaten bei geistlichen Exercitien wurden die Deutschen
behandelt, die Geschäftsordnung tyrannisch, ihre Handhabung plump und ge¬
waltthätig; der Verkehr der Kirchenfürsten außerhalb des Conciliums be¬
schränkt und durch Spione überwacht, die Bildung von Fractionen verboten,
Briefe angehalten und eröffnet, Vertraute, Secretäre und gelehrte Beirather
ausgewiesen oder wie Verbrecher vorgeladen, sie selbst mit Abneigung und
studirter Nichtachtung behandelt, wie Verdächtige und Ketzer, in den Sitzun¬
gen ihnen kaum das Wort gestattet, ihre Reden unterbrochen und ihnen das
Wort entzogen. Außerdem jedes Mittel der Einschüchterung und der Ver-


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Jesuitenpartei und der Mehrzahl der römischen Cardinäle Argwohn, hoch¬
fahrenden Uebermuth, kurze Abweisung ihrer frommen Bedenken; jeder
Widerspruch sollte ein Beweis des Ungehorsams und der Auflehnung gegen
ihre heilige Kirche sein. Durch solche Eindrücke wurde ihre Kritik geschärft,
und sie kamen dazu, ihr eigenes Wesen und die katholische Kirche ihrer Heimath
mit der römischen Prälatur zu vergleichen und mit dem, was man zu Rom
Frömmigkeit nennt. Sie selbst find Fürsten und vornehme Männer mit dem
Bewußtsein, ein hohes Ansehen in der bürgerlichen Gesellschaft zu genießen,
für den römischen Cardinal und Prälaten aber hat der gebildete Römer nach den
französischen Witzwort Demimonde einen besonderen Namen erfunden, er heißt
dort verächtlich msWO Mlantuoiuo. Und wenn die Deutschen die italienischen
Pfeiler der römischen Kirche in ihrer humanen Bildung, in Auffassung des
Glaubens und im Verständniß der Welt prüften, so fanden sie mit Erstaunen
gerade bei den thätigsten neben einer durchtriebenen kurzsichtigen Schlauheit
und italienischer Formgewandtheit einen Mangel an innerem Wahrheitssinn
und Leben, vielleicht sogar an christlichem Gewissen, und dabei gänzliche Un¬
fähigkeit, Culturverhältnisse eines anderen Volksthums zu würdigen. Den
schweren Kampf gegen die moderne Bildung, gegen die große Arbeit abend¬
ländischer Wissenschaft, gegen die steigenden Ansprüche des modernen Staaten¬
lebens wollten diese Zeloten führen öurch ohnmächtigen Fluch, durch Bann
und Bücherverbote, um die sich Niemand kümmert, sie waren ungeduldig,
daß in Deutschland, in England die Bekehrung nicht größere Fortschritte
mache, denn im Ganzen sei diese Bekehrung nur Frage der Zeit und
einer nicht gar zu langen, sie legten unverhältmäßigen Werth auf jede
Bekehrung eines einzelnen verdorbenen Weltkinds und auf jeden kleinen Er¬
folg, den die Agenten der Jesuitenpartei gegen die Irrgläubigen durchge¬
setzt hatten, und waren völlig ohne Verständniß für die Zweifel und Disso¬
nanzen, welche dem Leben auch der Gläubigen durch untilgbare Resultate
der Wissenschaft und kluger Erfindung entstehen.

Die Sitzungen des Conciliums begannen. Und welches war das Verhal¬
ten der Römlinge gegen das Gewissen der Deutschen? Wie Schulknaben,
wie Capläne und Curaten bei geistlichen Exercitien wurden die Deutschen
behandelt, die Geschäftsordnung tyrannisch, ihre Handhabung plump und ge¬
waltthätig; der Verkehr der Kirchenfürsten außerhalb des Conciliums be¬
schränkt und durch Spione überwacht, die Bildung von Fractionen verboten,
Briefe angehalten und eröffnet, Vertraute, Secretäre und gelehrte Beirather
ausgewiesen oder wie Verbrecher vorgeladen, sie selbst mit Abneigung und
studirter Nichtachtung behandelt, wie Verdächtige und Ketzer, in den Sitzun¬
gen ihnen kaum das Wort gestattet, ihre Reden unterbrochen und ihnen das
Wort entzogen. Außerdem jedes Mittel der Einschüchterung und der Ver-


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[0289] Jesuitenpartei und der Mehrzahl der römischen Cardinäle Argwohn, hoch¬ fahrenden Uebermuth, kurze Abweisung ihrer frommen Bedenken; jeder Widerspruch sollte ein Beweis des Ungehorsams und der Auflehnung gegen ihre heilige Kirche sein. Durch solche Eindrücke wurde ihre Kritik geschärft, und sie kamen dazu, ihr eigenes Wesen und die katholische Kirche ihrer Heimath mit der römischen Prälatur zu vergleichen und mit dem, was man zu Rom Frömmigkeit nennt. Sie selbst find Fürsten und vornehme Männer mit dem Bewußtsein, ein hohes Ansehen in der bürgerlichen Gesellschaft zu genießen, für den römischen Cardinal und Prälaten aber hat der gebildete Römer nach den französischen Witzwort Demimonde einen besonderen Namen erfunden, er heißt dort verächtlich msWO Mlantuoiuo. Und wenn die Deutschen die italienischen Pfeiler der römischen Kirche in ihrer humanen Bildung, in Auffassung des Glaubens und im Verständniß der Welt prüften, so fanden sie mit Erstaunen gerade bei den thätigsten neben einer durchtriebenen kurzsichtigen Schlauheit und italienischer Formgewandtheit einen Mangel an innerem Wahrheitssinn und Leben, vielleicht sogar an christlichem Gewissen, und dabei gänzliche Un¬ fähigkeit, Culturverhältnisse eines anderen Volksthums zu würdigen. Den schweren Kampf gegen die moderne Bildung, gegen die große Arbeit abend¬ ländischer Wissenschaft, gegen die steigenden Ansprüche des modernen Staaten¬ lebens wollten diese Zeloten führen öurch ohnmächtigen Fluch, durch Bann und Bücherverbote, um die sich Niemand kümmert, sie waren ungeduldig, daß in Deutschland, in England die Bekehrung nicht größere Fortschritte mache, denn im Ganzen sei diese Bekehrung nur Frage der Zeit und einer nicht gar zu langen, sie legten unverhältmäßigen Werth auf jede Bekehrung eines einzelnen verdorbenen Weltkinds und auf jeden kleinen Er¬ folg, den die Agenten der Jesuitenpartei gegen die Irrgläubigen durchge¬ setzt hatten, und waren völlig ohne Verständniß für die Zweifel und Disso¬ nanzen, welche dem Leben auch der Gläubigen durch untilgbare Resultate der Wissenschaft und kluger Erfindung entstehen. Die Sitzungen des Conciliums begannen. Und welches war das Verhal¬ ten der Römlinge gegen das Gewissen der Deutschen? Wie Schulknaben, wie Capläne und Curaten bei geistlichen Exercitien wurden die Deutschen behandelt, die Geschäftsordnung tyrannisch, ihre Handhabung plump und ge¬ waltthätig; der Verkehr der Kirchenfürsten außerhalb des Conciliums be¬ schränkt und durch Spione überwacht, die Bildung von Fractionen verboten, Briefe angehalten und eröffnet, Vertraute, Secretäre und gelehrte Beirather ausgewiesen oder wie Verbrecher vorgeladen, sie selbst mit Abneigung und studirter Nichtachtung behandelt, wie Verdächtige und Ketzer, in den Sitzun¬ gen ihnen kaum das Wort gestattet, ihre Reden unterbrochen und ihnen das Wort entzogen. Außerdem jedes Mittel der Einschüchterung und der Ver- 36*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/289>, abgerufen am 29.06.2024.