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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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dern hingebende Diensttreue, die auf den höchsten Lohn sichere Verheißung
hat. In diesem Vertrauen dauert bei der innigsten Hingabe in der Regel
eine gewisse verständige Berechnung, nicht nur Leistung, auch Forderung.
In keinem Volke hat sich das warme und treue Herz des Dieners so oft
und so erfolgreich gegen die Gemüthlosigkeit und Frevel der Herrscherin
Rom empört, wie bei den Deutschen. Und wer rechtes Zutrauen zu der
Tüchtigkeit deutscher Natur hatte, der konnte auch in den letzten Jahrzehn¬
ten der Jesuitenherrschaft die Hoffnung nicht aufgeben, daß die Zeit und
der Ort kommen werde, wo der deutsche Katholicismus seine eigene Art und
die Bedürfnisse deutschen Wesen durch Widerstand gegen die ultramontane
Partei erweisen werde.

Ohne Zweifel war die Mehrzahl der Bischöfe deutscher Zunge schon vor
der letzten Romfahrt nicht selten in geheimer Opposition gegen Hochmuth
und Herrschsucht und gegen ungeschickte Maßregeln und die verkehrte Weltan¬
schauung der römischen Partei gewesen. Sorgfältig war solche Mißstimmung
unterdrückt worden aus Rücksicht für die eigene Stellung und den Vortheil der
Kirche. Dielästigen und übermüthigen Landsknechte des Jesuitenordens waren ja
in den deutschen Diöcesen auch die tapfersten Vorkämpfer gegen den Unglauben
der Weltkinder geworden. Aber schwerlich hat einer der deutschen Bischöfe nach
seinen früheren Besuchen in Rom alle die Eindrücke und Stimmungen erwartet,
welche ihn auf dieser verhängnißvollen Reise beunruhigen sollten. Es ist eine un¬
leugbare Thatsache, welche aus den Berichten der Tagespresse nicht recht deut¬
lich geworden ist, daß die deutschen Kirchenfürsten mit sehr wenigen Ausnahmen
zuerst den Mittelpunkt der Opposition bildeten, mehr gereizt und tiefer er¬
regt als die Franzosen. Schon der erste Empfang verletzte ihren Stolz. Sie
kamen als große Ktrchenfürsten, die meisten von ihnen Vertreter des Glaubens
auf umfangreichen Gebiete eines hochgebildeten und edlen Volkes; sie durften
das Gefühl haben, daß sie in treuer Anhänglichkett an Papst und Kirche
den schwersten Kampf gegen Ketzerthum und zuweilen gegen sehr berechtigte
nationale Forderungen ihrer Landsleute geführt hatten, daß ihre Gemeinden
am reichlichsten in die bodenlosen Cassen der päpstlichen Regierung gesteuert
hatten, und daß sie selbst nach ihrer Bildung, persönlichen Integrität und
Frömmigkeit zu den Besten der Kirche gehörten. Sie aber wurden bei dem
Massenempfange durch den Papst mit Kälte und Cäsarenstolz begrüßt, den
Italienern nachgesetzt und mit allerlei Nullen in xartibus und mit den
Masken aus dem Orient durch dieselbe segnende Handbewegung abgefertigt.
Bet aller christlichen Demuth gerieth das Blut der Schwarzenberge und Ket-
teler doch in Aufregung. Sie waren gekommen, mit schwerem Herzen als
gewissenhafte Männer, welche die ungeheure Gefahr der unvernünftigen Un-
sehlbarkeitslehre recht genau einsahen. Und sie fanden bei der herrschenden


dern hingebende Diensttreue, die auf den höchsten Lohn sichere Verheißung
hat. In diesem Vertrauen dauert bei der innigsten Hingabe in der Regel
eine gewisse verständige Berechnung, nicht nur Leistung, auch Forderung.
In keinem Volke hat sich das warme und treue Herz des Dieners so oft
und so erfolgreich gegen die Gemüthlosigkeit und Frevel der Herrscherin
Rom empört, wie bei den Deutschen. Und wer rechtes Zutrauen zu der
Tüchtigkeit deutscher Natur hatte, der konnte auch in den letzten Jahrzehn¬
ten der Jesuitenherrschaft die Hoffnung nicht aufgeben, daß die Zeit und
der Ort kommen werde, wo der deutsche Katholicismus seine eigene Art und
die Bedürfnisse deutschen Wesen durch Widerstand gegen die ultramontane
Partei erweisen werde.

Ohne Zweifel war die Mehrzahl der Bischöfe deutscher Zunge schon vor
der letzten Romfahrt nicht selten in geheimer Opposition gegen Hochmuth
und Herrschsucht und gegen ungeschickte Maßregeln und die verkehrte Weltan¬
schauung der römischen Partei gewesen. Sorgfältig war solche Mißstimmung
unterdrückt worden aus Rücksicht für die eigene Stellung und den Vortheil der
Kirche. Dielästigen und übermüthigen Landsknechte des Jesuitenordens waren ja
in den deutschen Diöcesen auch die tapfersten Vorkämpfer gegen den Unglauben
der Weltkinder geworden. Aber schwerlich hat einer der deutschen Bischöfe nach
seinen früheren Besuchen in Rom alle die Eindrücke und Stimmungen erwartet,
welche ihn auf dieser verhängnißvollen Reise beunruhigen sollten. Es ist eine un¬
leugbare Thatsache, welche aus den Berichten der Tagespresse nicht recht deut¬
lich geworden ist, daß die deutschen Kirchenfürsten mit sehr wenigen Ausnahmen
zuerst den Mittelpunkt der Opposition bildeten, mehr gereizt und tiefer er¬
regt als die Franzosen. Schon der erste Empfang verletzte ihren Stolz. Sie
kamen als große Ktrchenfürsten, die meisten von ihnen Vertreter des Glaubens
auf umfangreichen Gebiete eines hochgebildeten und edlen Volkes; sie durften
das Gefühl haben, daß sie in treuer Anhänglichkett an Papst und Kirche
den schwersten Kampf gegen Ketzerthum und zuweilen gegen sehr berechtigte
nationale Forderungen ihrer Landsleute geführt hatten, daß ihre Gemeinden
am reichlichsten in die bodenlosen Cassen der päpstlichen Regierung gesteuert
hatten, und daß sie selbst nach ihrer Bildung, persönlichen Integrität und
Frömmigkeit zu den Besten der Kirche gehörten. Sie aber wurden bei dem
Massenempfange durch den Papst mit Kälte und Cäsarenstolz begrüßt, den
Italienern nachgesetzt und mit allerlei Nullen in xartibus und mit den
Masken aus dem Orient durch dieselbe segnende Handbewegung abgefertigt.
Bet aller christlichen Demuth gerieth das Blut der Schwarzenberge und Ket-
teler doch in Aufregung. Sie waren gekommen, mit schwerem Herzen als
gewissenhafte Männer, welche die ungeheure Gefahr der unvernünftigen Un-
sehlbarkeitslehre recht genau einsahen. Und sie fanden bei der herrschenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/288>, abgerufen am 28.06.2024.