Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.theils nach Gutdünken zur Wahl herangezogen, theils gar nicht berücksich¬ Noch leidenschaftlicher traten die Feudal-Clericalen bei der Verhandlung Diese stramme Haltung hindert unsere Conservativen jedoch nicht, sich theils nach Gutdünken zur Wahl herangezogen, theils gar nicht berücksich¬ Noch leidenschaftlicher traten die Feudal-Clericalen bei der Verhandlung Diese stramme Haltung hindert unsere Conservativen jedoch nicht, sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123318"/> <p xml:id="ID_625" prev="#ID_624"> theils nach Gutdünken zur Wahl herangezogen, theils gar nicht berücksich¬<lb/> tigt. Pflicht des k. k. Commissärs wäre es gewesen, solchen Acten auto¬<lb/> nomen Beliebens entgegenzutreten. Dr. Rautenkranz beleuchtete die Un¬<lb/> wahrheit dieser Anschuldigungen durch eine sehr eingehende Erwiderung im<lb/> „Innsbrucker Tageblatt" und Dr- Jäger mußte auf eine zehn Tage später<lb/> an den Statthalter gerichtete Jnterpellation, ob Jäger die Beweise, die er<lb/> schon in der Tasche zu. haben vorgab, nunmehr vorgelegt, seine sämmtlichen<lb/> Angaben betreffs der Haller Vorgänge öffentlich im Landtage widerrufen.<lb/> Nicht viel besser erging es ihm mit den vorgeschützten Gesetzwidrigkeiten in<lb/> Schwaz. Der Professor wurde vom Statthalter darüber belehrt, daß die<lb/> landesfürstlichen Wahlcommissäre durch eine Einsprache gegen die Beschlüsse<lb/> der Wahlcommission ihren Wirkungskreis überschritten hätten; auch sei die<lb/> Frage über die. Ausübung des Wahlrechts der Frauen bei Landtagswahlen<lb/> eine nach dem Gesetze noch offene.</p><lb/> <p xml:id="ID_626"> Noch leidenschaftlicher traten die Feudal-Clericalen bei der Verhandlung<lb/> über-den Landesbeitrag zur Etschcorreetion auf; der Schaden, den der im<lb/> Herbste 1868 aus seinem Bette getretene Strom verursacht hatte, war amt¬<lb/> lich auf 453,293 si. ö. W. geschätzt worden. Der Durchstich und die Vor¬<lb/> handen sollten anderthalb Millionen kosten und dazu hatte der Statthalter<lb/> beim Ministerium und Reichsrath ein Geschenk von 350,000 si. erwirkt.<lb/> Um aber, in Tirol für Wohlthaten Dank zu ernten, muß man ultramontan<lb/> sein. Paul Giovanelli sprach sich daher ganz unverhohlen dahin aus, daß<lb/> dieser Beitrag noch viel zu gering sei, was jedenfalls um fo schlagender war,<lb/> als der Landtag kaum 125,000 Gulden beisteuern wollte. Das Reich ist<lb/> nur dazu gut, Tirol für seine halsstarrige Opposition in allen Reichsange¬<lb/> legenheiten zu belohnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_627" next="#ID_628"> Diese stramme Haltung hindert unsere Conservativen jedoch nicht, sich<lb/> gelegentlich auch einen Anstrich von Liberalismus zu geben. Baron Ignaz<lb/> Giovanelli läßt in solchem Falle seinen demokratischen Freund Greuter ge¬<lb/> währen. So hatte dieser schon gegen Schluß des vorigen Landtages einen<lb/> Antrag auf Erweiterung des Wahlrechts gestellt, ihn aber wegen Kürze der<lb/> Zeit wieder zurückgezogen; bald nach Eröffnung der letzten Session trat er<lb/> mit demselben wieder hervor. Es sollten nämlich Alle, die nur irgend eine<lb/> Steuer bezahlten^ für den Landtag wählen können. Der Erfolg davon wäre<lb/> eine völlige Umänderung des bisherigen Wahlsystems gewesen; denn während<lb/> man jetzt in Innsbruck, Bozen und Trient zehn, in kleineren Städten und<lb/> Orten fünf Gulden an directer Steuer bezahlen, in Gemeinden mit weniger<lb/> als drei Wahlkörpern aber den ersten zwei Dritttheilen der höher Besteuer¬<lb/> ten angehören muß > um zur Wahl berechtigt zu sein, hätte nun die ärmere<lb/> Classe ein bedeutendes Uebergewicht gewonnen. Die Ultramontanen stützen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
theils nach Gutdünken zur Wahl herangezogen, theils gar nicht berücksich¬
tigt. Pflicht des k. k. Commissärs wäre es gewesen, solchen Acten auto¬
nomen Beliebens entgegenzutreten. Dr. Rautenkranz beleuchtete die Un¬
wahrheit dieser Anschuldigungen durch eine sehr eingehende Erwiderung im
„Innsbrucker Tageblatt" und Dr- Jäger mußte auf eine zehn Tage später
an den Statthalter gerichtete Jnterpellation, ob Jäger die Beweise, die er
schon in der Tasche zu. haben vorgab, nunmehr vorgelegt, seine sämmtlichen
Angaben betreffs der Haller Vorgänge öffentlich im Landtage widerrufen.
Nicht viel besser erging es ihm mit den vorgeschützten Gesetzwidrigkeiten in
Schwaz. Der Professor wurde vom Statthalter darüber belehrt, daß die
landesfürstlichen Wahlcommissäre durch eine Einsprache gegen die Beschlüsse
der Wahlcommission ihren Wirkungskreis überschritten hätten; auch sei die
Frage über die. Ausübung des Wahlrechts der Frauen bei Landtagswahlen
eine nach dem Gesetze noch offene.
Noch leidenschaftlicher traten die Feudal-Clericalen bei der Verhandlung
über-den Landesbeitrag zur Etschcorreetion auf; der Schaden, den der im
Herbste 1868 aus seinem Bette getretene Strom verursacht hatte, war amt¬
lich auf 453,293 si. ö. W. geschätzt worden. Der Durchstich und die Vor¬
handen sollten anderthalb Millionen kosten und dazu hatte der Statthalter
beim Ministerium und Reichsrath ein Geschenk von 350,000 si. erwirkt.
Um aber, in Tirol für Wohlthaten Dank zu ernten, muß man ultramontan
sein. Paul Giovanelli sprach sich daher ganz unverhohlen dahin aus, daß
dieser Beitrag noch viel zu gering sei, was jedenfalls um fo schlagender war,
als der Landtag kaum 125,000 Gulden beisteuern wollte. Das Reich ist
nur dazu gut, Tirol für seine halsstarrige Opposition in allen Reichsange¬
legenheiten zu belohnen.
Diese stramme Haltung hindert unsere Conservativen jedoch nicht, sich
gelegentlich auch einen Anstrich von Liberalismus zu geben. Baron Ignaz
Giovanelli läßt in solchem Falle seinen demokratischen Freund Greuter ge¬
währen. So hatte dieser schon gegen Schluß des vorigen Landtages einen
Antrag auf Erweiterung des Wahlrechts gestellt, ihn aber wegen Kürze der
Zeit wieder zurückgezogen; bald nach Eröffnung der letzten Session trat er
mit demselben wieder hervor. Es sollten nämlich Alle, die nur irgend eine
Steuer bezahlten^ für den Landtag wählen können. Der Erfolg davon wäre
eine völlige Umänderung des bisherigen Wahlsystems gewesen; denn während
man jetzt in Innsbruck, Bozen und Trient zehn, in kleineren Städten und
Orten fünf Gulden an directer Steuer bezahlen, in Gemeinden mit weniger
als drei Wahlkörpern aber den ersten zwei Dritttheilen der höher Besteuer¬
ten angehören muß > um zur Wahl berechtigt zu sein, hätte nun die ärmere
Classe ein bedeutendes Uebergewicht gewonnen. Die Ultramontanen stützen
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