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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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genstunden, die mich von Przetnysl nach Lemberg führten, an meinem geisti¬
gen Auge vorübergezogen. Noch lehnte ich am Fenster des Waggons, um die
immer zahlreicher werdenden ruhenischer Dörfer und Kirchthürme näher in's Auge
zu fassen, als der Schaffner "Lo6w" rief und der Zug auf dem Lemberger
Bahnhofe hielt. Sichtbar war von der Stadt, die eine halbe Stunde ent¬
fernt liegt, noch nichts: nur der Swätoi-Juri (poln. Swenti-Jur), die auf
einer dominirenden Anhöhe liegende russische Cathedral-Kirche, der Mittelpunkt
der groß-russischen Agitation, erhob ihre stolzen, schimmernden Kuppeln, die
von der Morgensonne beschienen weithin durch die schneebedeckte Landschaft
glänzten.




Literatur.

Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Norträge, heraus¬
gegeben von Rudolf Virchow und Franz von Holtzendorff (Serie IV.
Heft 73--81). Berlin, Lüderitz'sche Buchhandlung.

Die letzten Wochen des abgelaufenen Jahres haben uns wiederum eine Reihe
Fortsetzungen dieser verdienstvollen, von den Grenzboten bereits wiederholt erwähnten
Sammelschrift gebracht. Auch dieses Mal umfassen dieselben die verschiedensten Gebiete
des Wissens. Am reichlichsten sind die Naturwissenschaften vertreten: "Licht und
Leben" von Prof. F. Cohn, die "Arbeitstheilung in Natur und Menschenleben"
von Ernst Häckel, "der Streit über die Entstehung des Basaltes" von R. v. Lasaulx.
"der Farbensinn" von A. Nagel, "das mechanische Wärme-Aequivalent" von H.
Töpfer, R. Virchow "Menschen - und Affenschädel". Römer "die ältesten Formen
organischen Lebens auf der Erde." -- Aber die historischen Wissenschaften sind
keineswegs vernachlässigt und durch eine Anzahl höchst interessanter Aufsätze ver¬
treten; zu diesen rechnen wir vor Allem Nippold's "Aegypten und seine Stellung
in der Culturgeschichte" und A. Lammers "Geschichte des Freihandels". Unter
den in Aussicht gestellten Fortsetzungen erscheint ein Aufsatz Holtzendorff's über
England's Presse, besonders vielversprechend.

Höchst anerkennenswert!) ist, daß die Herausgeber nicht nur die rechten Männer
für die einzelnen Gebiete ausfindig gemacht, sondern unter diesen ohne Rücksicht auf
deren Parteistandpunkte ausgewählt und ihr Unternehmen dadurch von parteilicher
Einseitigkeit frei gehalten haben.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Heriig. -- Druck von Hüthel Segler in Leipzig.

genstunden, die mich von Przetnysl nach Lemberg führten, an meinem geisti¬
gen Auge vorübergezogen. Noch lehnte ich am Fenster des Waggons, um die
immer zahlreicher werdenden ruhenischer Dörfer und Kirchthürme näher in's Auge
zu fassen, als der Schaffner „Lo6w" rief und der Zug auf dem Lemberger
Bahnhofe hielt. Sichtbar war von der Stadt, die eine halbe Stunde ent¬
fernt liegt, noch nichts: nur der Swätoi-Juri (poln. Swenti-Jur), die auf
einer dominirenden Anhöhe liegende russische Cathedral-Kirche, der Mittelpunkt
der groß-russischen Agitation, erhob ihre stolzen, schimmernden Kuppeln, die
von der Morgensonne beschienen weithin durch die schneebedeckte Landschaft
glänzten.




Literatur.

Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Norträge, heraus¬
gegeben von Rudolf Virchow und Franz von Holtzendorff (Serie IV.
Heft 73—81). Berlin, Lüderitz'sche Buchhandlung.

Die letzten Wochen des abgelaufenen Jahres haben uns wiederum eine Reihe
Fortsetzungen dieser verdienstvollen, von den Grenzboten bereits wiederholt erwähnten
Sammelschrift gebracht. Auch dieses Mal umfassen dieselben die verschiedensten Gebiete
des Wissens. Am reichlichsten sind die Naturwissenschaften vertreten: „Licht und
Leben" von Prof. F. Cohn, die „Arbeitstheilung in Natur und Menschenleben"
von Ernst Häckel, „der Streit über die Entstehung des Basaltes" von R. v. Lasaulx.
„der Farbensinn" von A. Nagel, „das mechanische Wärme-Aequivalent" von H.
Töpfer, R. Virchow „Menschen - und Affenschädel". Römer „die ältesten Formen
organischen Lebens auf der Erde." — Aber die historischen Wissenschaften sind
keineswegs vernachlässigt und durch eine Anzahl höchst interessanter Aufsätze ver¬
treten; zu diesen rechnen wir vor Allem Nippold's „Aegypten und seine Stellung
in der Culturgeschichte" und A. Lammers „Geschichte des Freihandels". Unter
den in Aussicht gestellten Fortsetzungen erscheint ein Aufsatz Holtzendorff's über
England's Presse, besonders vielversprechend.

Höchst anerkennenswert!) ist, daß die Herausgeber nicht nur die rechten Männer
für die einzelnen Gebiete ausfindig gemacht, sondern unter diesen ohne Rücksicht auf
deren Parteistandpunkte ausgewählt und ihr Unternehmen dadurch von parteilicher
Einseitigkeit frei gehalten haben.




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Heriig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig.
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[0166] genstunden, die mich von Przetnysl nach Lemberg führten, an meinem geisti¬ gen Auge vorübergezogen. Noch lehnte ich am Fenster des Waggons, um die immer zahlreicher werdenden ruhenischer Dörfer und Kirchthürme näher in's Auge zu fassen, als der Schaffner „Lo6w" rief und der Zug auf dem Lemberger Bahnhofe hielt. Sichtbar war von der Stadt, die eine halbe Stunde ent¬ fernt liegt, noch nichts: nur der Swätoi-Juri (poln. Swenti-Jur), die auf einer dominirenden Anhöhe liegende russische Cathedral-Kirche, der Mittelpunkt der groß-russischen Agitation, erhob ihre stolzen, schimmernden Kuppeln, die von der Morgensonne beschienen weithin durch die schneebedeckte Landschaft glänzten. Literatur. Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Norträge, heraus¬ gegeben von Rudolf Virchow und Franz von Holtzendorff (Serie IV. Heft 73—81). Berlin, Lüderitz'sche Buchhandlung. Die letzten Wochen des abgelaufenen Jahres haben uns wiederum eine Reihe Fortsetzungen dieser verdienstvollen, von den Grenzboten bereits wiederholt erwähnten Sammelschrift gebracht. Auch dieses Mal umfassen dieselben die verschiedensten Gebiete des Wissens. Am reichlichsten sind die Naturwissenschaften vertreten: „Licht und Leben" von Prof. F. Cohn, die „Arbeitstheilung in Natur und Menschenleben" von Ernst Häckel, „der Streit über die Entstehung des Basaltes" von R. v. Lasaulx. „der Farbensinn" von A. Nagel, „das mechanische Wärme-Aequivalent" von H. Töpfer, R. Virchow „Menschen - und Affenschädel". Römer „die ältesten Formen organischen Lebens auf der Erde." — Aber die historischen Wissenschaften sind keineswegs vernachlässigt und durch eine Anzahl höchst interessanter Aufsätze ver¬ treten; zu diesen rechnen wir vor Allem Nippold's „Aegypten und seine Stellung in der Culturgeschichte" und A. Lammers „Geschichte des Freihandels". Unter den in Aussicht gestellten Fortsetzungen erscheint ein Aufsatz Holtzendorff's über England's Presse, besonders vielversprechend. Höchst anerkennenswert!) ist, daß die Herausgeber nicht nur die rechten Männer für die einzelnen Gebiete ausfindig gemacht, sondern unter diesen ohne Rücksicht auf deren Parteistandpunkte ausgewählt und ihr Unternehmen dadurch von parteilicher Einseitigkeit frei gehalten haben. Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt. Verlag von F. L. Heriig. — Druck von Hüthel Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/166>, abgerufen am 26.06.2024.