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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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des vorigen Jahrhunderts versuchsweise eingeführt. Im Allgemeinen gilt
in Dänemark noch heute die deutsche Fractur, und zwar in der Form,
welche als Schwabacher Schrift bezeichnet wird, als Nationalschrift.
Dies ist auch in Schweden der Fall, obwohl nicht verkannt werden darf,
daß hier in den letzten Decennien die runde Schrift, besonders bei wissen¬
schaftlichen Werken, immer mehr an Ausdehnung gewann. Am längsten hat
sich in außerdeutschen Ländern die deutsche Druckschrift in Böhmen und
Polen erhalten, denn erst seit etlichen zwanzig Jahren begann hier die
Schwabacherschrift der Antiqua zu weichen. ja in Schriften für das Volk ist
sie, abgesehen von Zeitungen, noch heute gebraucht, und es scheint, daß es
auch den angestrengten Versuchen, welche aus Nationalitätseifer gemacht
worden sind, nicht sofort gelingen dürfte, die beim Volk tief gewurzelte Schrote"
bacherschrift zu verdrängen.

In Deutschland wird die Schwabacherschrift heut zu Tage nur selten,
höchstens auf Titeln und zu Citaten angewendet. Noch im sechszehnten
Jahrhundert aber ward sie zum Druck ganzer Bücher, und zwar sowohl
deutscher als lateinischer gebraucht. Sie ist dicker als die Fracturschrift und
mehr abgerundet und läßt sich auf zum schnelleren Schreiben eingerichtete
Schreibweise zurückführen, welche bei Erfindung der Buchdruckerkunst neben
dem in den eigentlichen Handschriften vorkommenden Ductus im gewöhnlichen
Leben angewendet wurde. Schon Gutenberg hat seine Typen theilweise nach
dem Muster dieser Schrift geschnitten, mehr noch Schöffer, der eigentliche Be¬
gründer des Schwabacher Typus, der bald darauf namentlich durch die Augs¬
burger Drucker Bämler und Sorg Verbesserungen erfuhr, und von einem
späteren Verschönerer seinen Namen erhielt.

Nur durch Schüler. Freunde und Gehilfen der Erfinder sind, zugleich
mit der deutschen Erfindung, die Typen, welche aus der in gleichzeitigen deutschen
Handschriften geltenden Schrift entwickelt waren, ins Ausland gekommen, und
es muß daher auffallen, wie man, diese Thatsache vollständig außer Acht
lassend, die in den ersten deutschen Drucken vorkommenden Typen sür ein
Gemeingut aller Völker im fünfzehnten Jahrhundert erklärte, und wie selbst
Jacob Grimm im ersten Bande seiner deutschen Grammatik behaupten konnte,
"daß diese scharfeckige Buchstabenform ebenso in allen lateinischen, französi¬
schen, italienischen, slavischen Handschriften und Drucken herrsche, daß man
diese Schrift mit gleichem Fug z. B. die böhmische heißen könnte, und daß
es ohne vernünftigen Grund geschieht, wenn man diese verdorbene Schrift,
wie sie sich zur Zeit der erfundenen Druckerei gerade gebildet hatte, eine
gothische oder deutsche nenne." -- Denn obgleich diese Schrift und der auf
derselben ruhende Druck keine Originalerfindung der deutschen Stämme ist,
und obgleich sie auch auf der lateinischen Schrift basirt, so ist sie doch eine


des vorigen Jahrhunderts versuchsweise eingeführt. Im Allgemeinen gilt
in Dänemark noch heute die deutsche Fractur, und zwar in der Form,
welche als Schwabacher Schrift bezeichnet wird, als Nationalschrift.
Dies ist auch in Schweden der Fall, obwohl nicht verkannt werden darf,
daß hier in den letzten Decennien die runde Schrift, besonders bei wissen¬
schaftlichen Werken, immer mehr an Ausdehnung gewann. Am längsten hat
sich in außerdeutschen Ländern die deutsche Druckschrift in Böhmen und
Polen erhalten, denn erst seit etlichen zwanzig Jahren begann hier die
Schwabacherschrift der Antiqua zu weichen. ja in Schriften für das Volk ist
sie, abgesehen von Zeitungen, noch heute gebraucht, und es scheint, daß es
auch den angestrengten Versuchen, welche aus Nationalitätseifer gemacht
worden sind, nicht sofort gelingen dürfte, die beim Volk tief gewurzelte Schrote»
bacherschrift zu verdrängen.

In Deutschland wird die Schwabacherschrift heut zu Tage nur selten,
höchstens auf Titeln und zu Citaten angewendet. Noch im sechszehnten
Jahrhundert aber ward sie zum Druck ganzer Bücher, und zwar sowohl
deutscher als lateinischer gebraucht. Sie ist dicker als die Fracturschrift und
mehr abgerundet und läßt sich auf zum schnelleren Schreiben eingerichtete
Schreibweise zurückführen, welche bei Erfindung der Buchdruckerkunst neben
dem in den eigentlichen Handschriften vorkommenden Ductus im gewöhnlichen
Leben angewendet wurde. Schon Gutenberg hat seine Typen theilweise nach
dem Muster dieser Schrift geschnitten, mehr noch Schöffer, der eigentliche Be¬
gründer des Schwabacher Typus, der bald darauf namentlich durch die Augs¬
burger Drucker Bämler und Sorg Verbesserungen erfuhr, und von einem
späteren Verschönerer seinen Namen erhielt.

Nur durch Schüler. Freunde und Gehilfen der Erfinder sind, zugleich
mit der deutschen Erfindung, die Typen, welche aus der in gleichzeitigen deutschen
Handschriften geltenden Schrift entwickelt waren, ins Ausland gekommen, und
es muß daher auffallen, wie man, diese Thatsache vollständig außer Acht
lassend, die in den ersten deutschen Drucken vorkommenden Typen sür ein
Gemeingut aller Völker im fünfzehnten Jahrhundert erklärte, und wie selbst
Jacob Grimm im ersten Bande seiner deutschen Grammatik behaupten konnte,
„daß diese scharfeckige Buchstabenform ebenso in allen lateinischen, französi¬
schen, italienischen, slavischen Handschriften und Drucken herrsche, daß man
diese Schrift mit gleichem Fug z. B. die böhmische heißen könnte, und daß
es ohne vernünftigen Grund geschieht, wenn man diese verdorbene Schrift,
wie sie sich zur Zeit der erfundenen Druckerei gerade gebildet hatte, eine
gothische oder deutsche nenne." — Denn obgleich diese Schrift und der auf
derselben ruhende Druck keine Originalerfindung der deutschen Stämme ist,
und obgleich sie auch auf der lateinischen Schrift basirt, so ist sie doch eine


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[0098] des vorigen Jahrhunderts versuchsweise eingeführt. Im Allgemeinen gilt in Dänemark noch heute die deutsche Fractur, und zwar in der Form, welche als Schwabacher Schrift bezeichnet wird, als Nationalschrift. Dies ist auch in Schweden der Fall, obwohl nicht verkannt werden darf, daß hier in den letzten Decennien die runde Schrift, besonders bei wissen¬ schaftlichen Werken, immer mehr an Ausdehnung gewann. Am längsten hat sich in außerdeutschen Ländern die deutsche Druckschrift in Böhmen und Polen erhalten, denn erst seit etlichen zwanzig Jahren begann hier die Schwabacherschrift der Antiqua zu weichen. ja in Schriften für das Volk ist sie, abgesehen von Zeitungen, noch heute gebraucht, und es scheint, daß es auch den angestrengten Versuchen, welche aus Nationalitätseifer gemacht worden sind, nicht sofort gelingen dürfte, die beim Volk tief gewurzelte Schrote» bacherschrift zu verdrängen. In Deutschland wird die Schwabacherschrift heut zu Tage nur selten, höchstens auf Titeln und zu Citaten angewendet. Noch im sechszehnten Jahrhundert aber ward sie zum Druck ganzer Bücher, und zwar sowohl deutscher als lateinischer gebraucht. Sie ist dicker als die Fracturschrift und mehr abgerundet und läßt sich auf zum schnelleren Schreiben eingerichtete Schreibweise zurückführen, welche bei Erfindung der Buchdruckerkunst neben dem in den eigentlichen Handschriften vorkommenden Ductus im gewöhnlichen Leben angewendet wurde. Schon Gutenberg hat seine Typen theilweise nach dem Muster dieser Schrift geschnitten, mehr noch Schöffer, der eigentliche Be¬ gründer des Schwabacher Typus, der bald darauf namentlich durch die Augs¬ burger Drucker Bämler und Sorg Verbesserungen erfuhr, und von einem späteren Verschönerer seinen Namen erhielt. Nur durch Schüler. Freunde und Gehilfen der Erfinder sind, zugleich mit der deutschen Erfindung, die Typen, welche aus der in gleichzeitigen deutschen Handschriften geltenden Schrift entwickelt waren, ins Ausland gekommen, und es muß daher auffallen, wie man, diese Thatsache vollständig außer Acht lassend, die in den ersten deutschen Drucken vorkommenden Typen sür ein Gemeingut aller Völker im fünfzehnten Jahrhundert erklärte, und wie selbst Jacob Grimm im ersten Bande seiner deutschen Grammatik behaupten konnte, „daß diese scharfeckige Buchstabenform ebenso in allen lateinischen, französi¬ schen, italienischen, slavischen Handschriften und Drucken herrsche, daß man diese Schrift mit gleichem Fug z. B. die böhmische heißen könnte, und daß es ohne vernünftigen Grund geschieht, wenn man diese verdorbene Schrift, wie sie sich zur Zeit der erfundenen Druckerei gerade gebildet hatte, eine gothische oder deutsche nenne." — Denn obgleich diese Schrift und der auf derselben ruhende Druck keine Originalerfindung der deutschen Stämme ist, und obgleich sie auch auf der lateinischen Schrift basirt, so ist sie doch eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/98>, abgerufen am 22.07.2024.