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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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gen italienischen Handschriften üblichen, rein römischen Schriftductus, der
damals den deutschen Officirer ganz fremd war, nachbildeten, so kam doch
auch hier die deutsche Druckschrift bei den berühmtesten Druckern in Gebrauch,
ja sie wurde selbst dann noch angewendet, als die römische Schrift bereits durch
Wendelin von Sy el er bedeutende Verbesserungen erfahren hatte, und der
Venetianer Nicolaus Jenson (1470--1482) wahrscheinlich nach Handschriften
aus der berühmten Florentinischen Schreiberschule, die ihm der Zufall in die
Hände gespielt hatte, seine herrlichen g er ad e stehen Typen gegossen hatte, welche
anfänglich die venetianischen, dann die römischen oder Antiqua (in
Frankreich Komaill, auch äroit, in England Romain, in Italien ^illico) ge¬
nannt wurden. Es scheint aber, daß man die geschnörkelten gothischen Let¬
tern Deutschlands für kirchlicher hielt. Nur allmälig wurde die Anwendung
der gothischen Schrift seltener, wozu der Umstand beitrug, daß der Venetia¬
ner Aldus Manutius ums Jahr 1S02 auch zur Anführung von Citaten ze.,
wozu man sich zur Unterscheidung von der Textschrift noch lange der gothi¬
schen Schrift bediente, eine selbständige, im Typus des römischen Ductus ge¬
formte Schrift, nämlich die nach der römischen Canzleischrift geschnittene
schiefe sogenannte römische Cursivschrift (in Frankreich italio oder
xeneluz) erfand, die gleich der Antiqua später mannigfache Ausbildung und
Verschönerung erlangte, und seitdem mit ihr in Italien und Frankreich herr¬
schend geblieben ist.

In England war gleich anfangs die in deutschen Drucken vorkom¬
mende Type (dort vo^ufte black, auch blueK-Iotters genannt -- schwarze
Schrift, weil sie ihrer starken Striche wegen gegen die lateinische Schrift
schwarz erscheint) angewendet worden; es erklärt sich diese Erscheinung da¬
durch, daß der erste Drucker Englands. William Carton (1474--1491).
seinen ganzen Druckapparat aus Deutschland, wahrscheinlich aus Köln, wo
er das Drucken erlernt hatte, mitnahm. Ebenso war es bei den Druckern,
welche nach Dänemark, Schweden, Böhmen, Polen :c. kamen; auch
dort erscheint schon in den ersten Druckwerken eine Unterart der gothischen
Schrift. Noch Carton selbst aber nahm auf die in gleichzeitigen englischen
Handschriften vorkommende Buchstabensorm Rücksicht, und seine Schüler und
Nachfolger führten endlich eine nach dem Muster der italienischen Antiqua
und später (1331) auch Cursiv geschnittene Schrift ein, welche vielfach ver¬
bessert und theilweise selbständig-gestaltet, noch heute gilt.

Auch die Dänen haben später die runden Schriftarten angenommen,
ja man setzte sich dort frühzeitig mit berühmten Druckern des Auslandes in
Verbindung, um durch sie schöne römische Typen zu erlangen, und nahm an
allen Verbesserungen, welche Antiqua und Cursiv erfuhren, regen Antheil.
Zum Druck dänischer Werke wurde aber die runde Schrift erst am Ende


Grenzboten IV. 1863. 12

gen italienischen Handschriften üblichen, rein römischen Schriftductus, der
damals den deutschen Officirer ganz fremd war, nachbildeten, so kam doch
auch hier die deutsche Druckschrift bei den berühmtesten Druckern in Gebrauch,
ja sie wurde selbst dann noch angewendet, als die römische Schrift bereits durch
Wendelin von Sy el er bedeutende Verbesserungen erfahren hatte, und der
Venetianer Nicolaus Jenson (1470—1482) wahrscheinlich nach Handschriften
aus der berühmten Florentinischen Schreiberschule, die ihm der Zufall in die
Hände gespielt hatte, seine herrlichen g er ad e stehen Typen gegossen hatte, welche
anfänglich die venetianischen, dann die römischen oder Antiqua (in
Frankreich Komaill, auch äroit, in England Romain, in Italien ^illico) ge¬
nannt wurden. Es scheint aber, daß man die geschnörkelten gothischen Let¬
tern Deutschlands für kirchlicher hielt. Nur allmälig wurde die Anwendung
der gothischen Schrift seltener, wozu der Umstand beitrug, daß der Venetia¬
ner Aldus Manutius ums Jahr 1S02 auch zur Anführung von Citaten ze.,
wozu man sich zur Unterscheidung von der Textschrift noch lange der gothi¬
schen Schrift bediente, eine selbständige, im Typus des römischen Ductus ge¬
formte Schrift, nämlich die nach der römischen Canzleischrift geschnittene
schiefe sogenannte römische Cursivschrift (in Frankreich italio oder
xeneluz) erfand, die gleich der Antiqua später mannigfache Ausbildung und
Verschönerung erlangte, und seitdem mit ihr in Italien und Frankreich herr¬
schend geblieben ist.

In England war gleich anfangs die in deutschen Drucken vorkom¬
mende Type (dort vo^ufte black, auch blueK-Iotters genannt — schwarze
Schrift, weil sie ihrer starken Striche wegen gegen die lateinische Schrift
schwarz erscheint) angewendet worden; es erklärt sich diese Erscheinung da¬
durch, daß der erste Drucker Englands. William Carton (1474—1491).
seinen ganzen Druckapparat aus Deutschland, wahrscheinlich aus Köln, wo
er das Drucken erlernt hatte, mitnahm. Ebenso war es bei den Druckern,
welche nach Dänemark, Schweden, Böhmen, Polen :c. kamen; auch
dort erscheint schon in den ersten Druckwerken eine Unterart der gothischen
Schrift. Noch Carton selbst aber nahm auf die in gleichzeitigen englischen
Handschriften vorkommende Buchstabensorm Rücksicht, und seine Schüler und
Nachfolger führten endlich eine nach dem Muster der italienischen Antiqua
und später (1331) auch Cursiv geschnittene Schrift ein, welche vielfach ver¬
bessert und theilweise selbständig-gestaltet, noch heute gilt.

Auch die Dänen haben später die runden Schriftarten angenommen,
ja man setzte sich dort frühzeitig mit berühmten Druckern des Auslandes in
Verbindung, um durch sie schöne römische Typen zu erlangen, und nahm an
allen Verbesserungen, welche Antiqua und Cursiv erfuhren, regen Antheil.
Zum Druck dänischer Werke wurde aber die runde Schrift erst am Ende


Grenzboten IV. 1863. 12
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[0097] gen italienischen Handschriften üblichen, rein römischen Schriftductus, der damals den deutschen Officirer ganz fremd war, nachbildeten, so kam doch auch hier die deutsche Druckschrift bei den berühmtesten Druckern in Gebrauch, ja sie wurde selbst dann noch angewendet, als die römische Schrift bereits durch Wendelin von Sy el er bedeutende Verbesserungen erfahren hatte, und der Venetianer Nicolaus Jenson (1470—1482) wahrscheinlich nach Handschriften aus der berühmten Florentinischen Schreiberschule, die ihm der Zufall in die Hände gespielt hatte, seine herrlichen g er ad e stehen Typen gegossen hatte, welche anfänglich die venetianischen, dann die römischen oder Antiqua (in Frankreich Komaill, auch äroit, in England Romain, in Italien ^illico) ge¬ nannt wurden. Es scheint aber, daß man die geschnörkelten gothischen Let¬ tern Deutschlands für kirchlicher hielt. Nur allmälig wurde die Anwendung der gothischen Schrift seltener, wozu der Umstand beitrug, daß der Venetia¬ ner Aldus Manutius ums Jahr 1S02 auch zur Anführung von Citaten ze., wozu man sich zur Unterscheidung von der Textschrift noch lange der gothi¬ schen Schrift bediente, eine selbständige, im Typus des römischen Ductus ge¬ formte Schrift, nämlich die nach der römischen Canzleischrift geschnittene schiefe sogenannte römische Cursivschrift (in Frankreich italio oder xeneluz) erfand, die gleich der Antiqua später mannigfache Ausbildung und Verschönerung erlangte, und seitdem mit ihr in Italien und Frankreich herr¬ schend geblieben ist. In England war gleich anfangs die in deutschen Drucken vorkom¬ mende Type (dort vo^ufte black, auch blueK-Iotters genannt — schwarze Schrift, weil sie ihrer starken Striche wegen gegen die lateinische Schrift schwarz erscheint) angewendet worden; es erklärt sich diese Erscheinung da¬ durch, daß der erste Drucker Englands. William Carton (1474—1491). seinen ganzen Druckapparat aus Deutschland, wahrscheinlich aus Köln, wo er das Drucken erlernt hatte, mitnahm. Ebenso war es bei den Druckern, welche nach Dänemark, Schweden, Böhmen, Polen :c. kamen; auch dort erscheint schon in den ersten Druckwerken eine Unterart der gothischen Schrift. Noch Carton selbst aber nahm auf die in gleichzeitigen englischen Handschriften vorkommende Buchstabensorm Rücksicht, und seine Schüler und Nachfolger führten endlich eine nach dem Muster der italienischen Antiqua und später (1331) auch Cursiv geschnittene Schrift ein, welche vielfach ver¬ bessert und theilweise selbständig-gestaltet, noch heute gilt. Auch die Dänen haben später die runden Schriftarten angenommen, ja man setzte sich dort frühzeitig mit berühmten Druckern des Auslandes in Verbindung, um durch sie schöne römische Typen zu erlangen, und nahm an allen Verbesserungen, welche Antiqua und Cursiv erfuhren, regen Antheil. Zum Druck dänischer Werke wurde aber die runde Schrift erst am Ende Grenzboten IV. 1863. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/97>, abgerufen am 22.07.2024.