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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Armband von Perlen vollenden die Toilette, -- Alles auf verwischten grauen
Grund. Mit flüchtiger derber Hand gibt der Maler die feine Blässe von
Leuten aus distinguirten Stande wieder. -- Das Rembrandt'sche Bildniß
(Cad. Suermondt) ist von 1645, reich und warm schattirt und belichtet, hervor¬
tretende Stellen, wie die untere Gesichtshälfte und Hand, überraschend modellirt,
die umgebenden Partien von mysteriöser Tiefe. Die eigenthümliche Textur,
die Rembrandt seinen Bildern mittels des Borstpinsels gibt, das Körnige
und die weiche Transparenz der braunen Töne findet sich in der bekannten
Weise vor und ist in seiner Art vollendet. -- Kräftigere Tiefen, besonders
in gewissen rothen Nuancen, und ziemlich harter, schwarzer Umrisse in eini¬
gen Contouren zeichnet die nicht mit Signatur versehene, aber ebenfalls unter
Rembrandt's Namen ausgestellte "Ruhe auf der Flucht" aus. Das Bild,
äußerst sorgfältig gemalt, hat verhältnißmäßig glatte Oberfläche, hier und da
durch zarte Lasuren modificirt. Ungemein licht und breit behandelt ist der
Kopf des Joseph. Es sind Zweifel laut geworden, ob Rembrandt in irgend
einer Periode seiner Kunstthätigkeit so gemalt haben könne, doch dürfte es
beim Antritt des Beweises sehr schwer fallen, einen Maler ausfindig zu
machen, der sich dem Meister in solchem Grade nähert. Der Hintergrund
der Composition hat italienischen Charakter, wenigstens erinnert die Verbin¬
dung von Felsabhängen und Wasserfall, wie sie diese Landschaft bietet, eher
an Tivoli als an die Ufer der Maas. Die Sonne ist verhüllt, blos Maria
mit dem Kind auf dem Schooße sowie das sinnende Antlitz Josephs und
sein Geräth, Korb, Stab und Lederflasche, werden von schmalem Lichtschein
beleuchtet. -- Dicht neben diesen anziehenden Gemälden finden sich ein Paar
Studien, Fischerknaben und Mädchen, von Hals. Man könnte sich vor¬
stellen, daß der Meister diese Bambocciaden in der Weinlaune mit kecker, aber
nicht gerade sicherer Hand hingeworfen habe. Eins davon stellt ein Weib
mit der Deckelkanne in der Hand und einer Eule auf der Schulter vor,
ein zweites (beide aus der Sammlung Suermondt) einen schielenden Jungen
mit gesunder Gesichtsfarbe, das dritte (Bes. Herr Ränder in München) ein
junges Mädchen auf Rembrandt'sehen Hintergrunde.

Von diesen Menschenbildern niedrigsten Schlages hinweg wendet man
sich mit Vergnügen den beiden Flügelstücken eines Tripthchons von DeKey-
zer zu (Sammlung Suermondt), welche den Stifter mit seinem Sohn und
die Stifterin mit der Tochter enthalten, die mit dem reichen, steifen Kostüme
der Zeit angethan, aber lebensvoll und höchst aristokratisch ihre Andacht ver¬
richten. Was wir daneben von Bol sehen, ist, wenn auch nicht unverdienst¬
lich, so doch im Vergleich damit kalt, und sein "Mann mit der Goldwaage"
(Bes. Baronin Arelim in München) steht nicht auf dem gewohnten Niveau
der Einzelfiguren, die er darstellt. Funck, der den Rembrandt häufig mit


8*

Armband von Perlen vollenden die Toilette, — Alles auf verwischten grauen
Grund. Mit flüchtiger derber Hand gibt der Maler die feine Blässe von
Leuten aus distinguirten Stande wieder. — Das Rembrandt'sche Bildniß
(Cad. Suermondt) ist von 1645, reich und warm schattirt und belichtet, hervor¬
tretende Stellen, wie die untere Gesichtshälfte und Hand, überraschend modellirt,
die umgebenden Partien von mysteriöser Tiefe. Die eigenthümliche Textur,
die Rembrandt seinen Bildern mittels des Borstpinsels gibt, das Körnige
und die weiche Transparenz der braunen Töne findet sich in der bekannten
Weise vor und ist in seiner Art vollendet. — Kräftigere Tiefen, besonders
in gewissen rothen Nuancen, und ziemlich harter, schwarzer Umrisse in eini¬
gen Contouren zeichnet die nicht mit Signatur versehene, aber ebenfalls unter
Rembrandt's Namen ausgestellte „Ruhe auf der Flucht" aus. Das Bild,
äußerst sorgfältig gemalt, hat verhältnißmäßig glatte Oberfläche, hier und da
durch zarte Lasuren modificirt. Ungemein licht und breit behandelt ist der
Kopf des Joseph. Es sind Zweifel laut geworden, ob Rembrandt in irgend
einer Periode seiner Kunstthätigkeit so gemalt haben könne, doch dürfte es
beim Antritt des Beweises sehr schwer fallen, einen Maler ausfindig zu
machen, der sich dem Meister in solchem Grade nähert. Der Hintergrund
der Composition hat italienischen Charakter, wenigstens erinnert die Verbin¬
dung von Felsabhängen und Wasserfall, wie sie diese Landschaft bietet, eher
an Tivoli als an die Ufer der Maas. Die Sonne ist verhüllt, blos Maria
mit dem Kind auf dem Schooße sowie das sinnende Antlitz Josephs und
sein Geräth, Korb, Stab und Lederflasche, werden von schmalem Lichtschein
beleuchtet. — Dicht neben diesen anziehenden Gemälden finden sich ein Paar
Studien, Fischerknaben und Mädchen, von Hals. Man könnte sich vor¬
stellen, daß der Meister diese Bambocciaden in der Weinlaune mit kecker, aber
nicht gerade sicherer Hand hingeworfen habe. Eins davon stellt ein Weib
mit der Deckelkanne in der Hand und einer Eule auf der Schulter vor,
ein zweites (beide aus der Sammlung Suermondt) einen schielenden Jungen
mit gesunder Gesichtsfarbe, das dritte (Bes. Herr Ränder in München) ein
junges Mädchen auf Rembrandt'sehen Hintergrunde.

Von diesen Menschenbildern niedrigsten Schlages hinweg wendet man
sich mit Vergnügen den beiden Flügelstücken eines Tripthchons von DeKey-
zer zu (Sammlung Suermondt), welche den Stifter mit seinem Sohn und
die Stifterin mit der Tochter enthalten, die mit dem reichen, steifen Kostüme
der Zeit angethan, aber lebensvoll und höchst aristokratisch ihre Andacht ver¬
richten. Was wir daneben von Bol sehen, ist, wenn auch nicht unverdienst¬
lich, so doch im Vergleich damit kalt, und sein „Mann mit der Goldwaage"
(Bes. Baronin Arelim in München) steht nicht auf dem gewohnten Niveau
der Einzelfiguren, die er darstellt. Funck, der den Rembrandt häufig mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/67>, abgerufen am 22.07.2024.