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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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daens durch die Replik seines Bildes im Louvre, welches einen Patriarchen
und seine Familie darstellt, wie sie sich zugleich in Wein, Brod und Musik
gütlich thun. -- Von Zeitgenossen und Schülern des Rubens ist Nichts vor¬
handen. Die Skizze aus der Sammlung Suermondt kann sehr wohl für
eine Originalstudie zu dem riesenhaften Bilde des "Sturzes der Verdammten"
in der Münchener Pinakothek gelten, an welchem der größere Theil offenbar
von Schülerhänden herrührt. Geist und Phantasie sind in der Composition
des vom Himmel herniedersausenden Sündergesindels höchst bedeutend. Könnte
man einen der Kirchenpfleger von Parma, der dem Correggio vorwarf, er
habe ein Frosch-Hände in die dortige Domkuppel gemalt, an diese Leinewand
führen, so würde ihm vermuthlich vor Schreck der Witz vergehen. Auf un¬
serem Entwurf sind zum Glück für den Beschauer so massenhafte Motive
und solche Mannigfaltigkeit der Handlung in kleinem Raum zusammen¬
gedrängt, daß man für die Details keine Muße behält. Wer sich auf eine
Analyse einlassen wollte, würde bald durch die vorherrschende Rohheit ab¬
gestoßen werden, aber die Meisterschaft, womit die teuflische Gewalt der
Qual und die furchtbare Energie der Verzweiflung zum Ausdruck gebracht
sind, behält nichtsdestoweniger ihre Krone. Auch die Ausführung ist bewun¬
derungswürdig, das Fleisch mit durchsichtigster Klarheit gemalt und durch
den Contrast der Himmelsstrahlen mit dem qualmenden Brodem und den
lichtlosen Flammen der Hölle eine packende Wirkung erreicht. -- Neben diesem
Meisterstück von Gruppirung und Behandlung sehen wir einen vorzüglichen
Kopf von derselben Hand, voll Feuer im Ausdruck und mit dem Schwunge
vorgetragen, der Van Dyck's Stärke war.

Unter den holländischen Porträtmalern stehen hier Franz Hals, Rem-
brandt. Terburg und Keyzer obenan. Es wird berichtet, Rembrandt
habe in jungen Jahren sehr unter dem Eindruck des vortrefflichen Hals'schen
Stiles gestanden, sich nachmals jedoch davon frei gemacht. Das von dem
großen Coloristen hier ausgestellte Bildniß eines alten Mannes (bei Suer¬
mondt) hat mit dem Frauenporträt von Hals wenig gemein. Letzteres (im
Besitz des Herrn Sedelmeyer in Wien) ist früher gemalt, es hat die Jahr¬
zahl 1634, und mit der Leichtigkeit ausgeführt, welche wir bei Velasquez in
seiner späteren Periode wahrnehmen. Die Fleischpartien bestehen lediglich
aus nebeneinander gesetzten flauen Tönen von dickem Jmpasto, die nur hier
und da zusammengearbeitet, häufig mit absichtlicher Rauheit Streifen an
Streifen stehen gelassen sind. Nichtsdestoweniger geben dieselben, zumeist in
Grau gestimmt, wie sie sind, aus einiger Entfernung gesehen einen wunder¬
vollen Accord. Die Augen, mit eigenthümlichem Glanz im Blick, sehen wie
Schlehen aus; Krause und reichgestickter Aufschlag sind von Einem Ton, das
Kleid schwarzer Damast mit eingewebten Arabesken und Vögeln; Hals- und


daens durch die Replik seines Bildes im Louvre, welches einen Patriarchen
und seine Familie darstellt, wie sie sich zugleich in Wein, Brod und Musik
gütlich thun. — Von Zeitgenossen und Schülern des Rubens ist Nichts vor¬
handen. Die Skizze aus der Sammlung Suermondt kann sehr wohl für
eine Originalstudie zu dem riesenhaften Bilde des „Sturzes der Verdammten"
in der Münchener Pinakothek gelten, an welchem der größere Theil offenbar
von Schülerhänden herrührt. Geist und Phantasie sind in der Composition
des vom Himmel herniedersausenden Sündergesindels höchst bedeutend. Könnte
man einen der Kirchenpfleger von Parma, der dem Correggio vorwarf, er
habe ein Frosch-Hände in die dortige Domkuppel gemalt, an diese Leinewand
führen, so würde ihm vermuthlich vor Schreck der Witz vergehen. Auf un¬
serem Entwurf sind zum Glück für den Beschauer so massenhafte Motive
und solche Mannigfaltigkeit der Handlung in kleinem Raum zusammen¬
gedrängt, daß man für die Details keine Muße behält. Wer sich auf eine
Analyse einlassen wollte, würde bald durch die vorherrschende Rohheit ab¬
gestoßen werden, aber die Meisterschaft, womit die teuflische Gewalt der
Qual und die furchtbare Energie der Verzweiflung zum Ausdruck gebracht
sind, behält nichtsdestoweniger ihre Krone. Auch die Ausführung ist bewun¬
derungswürdig, das Fleisch mit durchsichtigster Klarheit gemalt und durch
den Contrast der Himmelsstrahlen mit dem qualmenden Brodem und den
lichtlosen Flammen der Hölle eine packende Wirkung erreicht. — Neben diesem
Meisterstück von Gruppirung und Behandlung sehen wir einen vorzüglichen
Kopf von derselben Hand, voll Feuer im Ausdruck und mit dem Schwunge
vorgetragen, der Van Dyck's Stärke war.

Unter den holländischen Porträtmalern stehen hier Franz Hals, Rem-
brandt. Terburg und Keyzer obenan. Es wird berichtet, Rembrandt
habe in jungen Jahren sehr unter dem Eindruck des vortrefflichen Hals'schen
Stiles gestanden, sich nachmals jedoch davon frei gemacht. Das von dem
großen Coloristen hier ausgestellte Bildniß eines alten Mannes (bei Suer¬
mondt) hat mit dem Frauenporträt von Hals wenig gemein. Letzteres (im
Besitz des Herrn Sedelmeyer in Wien) ist früher gemalt, es hat die Jahr¬
zahl 1634, und mit der Leichtigkeit ausgeführt, welche wir bei Velasquez in
seiner späteren Periode wahrnehmen. Die Fleischpartien bestehen lediglich
aus nebeneinander gesetzten flauen Tönen von dickem Jmpasto, die nur hier
und da zusammengearbeitet, häufig mit absichtlicher Rauheit Streifen an
Streifen stehen gelassen sind. Nichtsdestoweniger geben dieselben, zumeist in
Grau gestimmt, wie sie sind, aus einiger Entfernung gesehen einen wunder¬
vollen Accord. Die Augen, mit eigenthümlichem Glanz im Blick, sehen wie
Schlehen aus; Krause und reichgestickter Aufschlag sind von Einem Ton, das
Kleid schwarzer Damast mit eingewebten Arabesken und Vögeln; Hals- und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/66>, abgerufen am 22.07.2024.