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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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unserer Frage ausgehen- Jede sittliche Auffassung der Ehe aber lehrt uns,
daß die beiden Theile ungleich und eben deshalb für einander geschaffen sind.
Das Gesetz, auf welchem die ganze bürgerliche Gesellschaft ruht, die gegen¬
seitige Ergänzung individueller Mangelhaftigkeit, findet seinen höchsten und
sittlichsten Ausdruck in der Ehe. Die Frau ist ein Wesen für sich, nicht eine
schwächere Ausgabe des Mannes, sie sind zwei Hälften eines vollkommenen
Wesens, ihre Aufgaben sind verschieden, sie können nicht Nebenbuhler sein,
weil sie nicht um denselben Preis ringen, weil sie ihre Stellen nicht wechseln
können.

Der Mann hat das Brod zu verdienen, die Seinen zu schützen, dem
Sturm, der Hitze und Kälte zu,trotzen; die Frau kann ihm darin mehr oder
weniger beistehen, aber es kommen Zeiten, wo sie dazu unfähig wird, wo
höhere Pflichten, die ihr der Schöpfer befohlen, sie in geheiligter Schwachheit
an das Haus oder die Hütte fesseln, wo sie die Quelle neuen Lebens wird
und sich vor dem Blick der Welt verbirgt. Der Mann fährt fort, für sie
und das um Beide aufsprießende junge Leben zu sorgen, sie hat sür Hans
und Kind zu sorgen, die Nahrung, die er gewinnt, zu bereiten. Wo bleibt
da die Gleichheit, die unser Verfasser von der Zukunft erträumt, wo ist die
Sclaverei, die er in der Gegenwart beklagt? Seltsame Selaverei, die den Herrn
sür den Sclaven arbeiten läßt, räthselhafte Zukunft, wo der Mann vielleicht
die Kinder wiegen soll und die Frau den Pflug führen, denn wo Gleichheit
herrscht, da müssen doch die Rollen ohne Schaden gewechselt werden können.
Wenn es in der Bibel heißt, die zwei sollen ein Fleisch sein, so ist nicht
die Frau zum untern, der Mann zum höhern Wesen gestempelt, sondern es
ist gesagt, daß die zwei sich der Art ergänzen sollen, daß erst beide vereint
einen ganzen Menschen ausmachen. Keine Theorie wird diesen von der
Natur selbst gelegten Grund ändern können, diese radicale Verschiedenheit
beider Geschlechter wegzudisputiren vermögen. Möge man es nur darauf
ankommen lassen, daß die begeisterte Verfechterin der Emancipation der
Frauen den Mann finde, den sie wirklich liebt und alle Hirngespinste der
Schule werden vor der Macht der Wirklichkeit zerstieben, mag sie selbst in
der Ehe das Regiment führen, es werden doch Zeiten kommen, wo sie ihre
natürliche Schwachheit fühlt und gesteht, daß sie von ihm abhängt. Gott
selbst hat ihre Aufgaben von denen des Mannes unterschieden, sie sind nicht
Nebenbuhler, sondern unzertrennliche Genossen und Gehilfen.


Der eine Stab des Andern
Und liebe Last zugleich

wie Geibel in seinem Ehespruch sagt.


unserer Frage ausgehen- Jede sittliche Auffassung der Ehe aber lehrt uns,
daß die beiden Theile ungleich und eben deshalb für einander geschaffen sind.
Das Gesetz, auf welchem die ganze bürgerliche Gesellschaft ruht, die gegen¬
seitige Ergänzung individueller Mangelhaftigkeit, findet seinen höchsten und
sittlichsten Ausdruck in der Ehe. Die Frau ist ein Wesen für sich, nicht eine
schwächere Ausgabe des Mannes, sie sind zwei Hälften eines vollkommenen
Wesens, ihre Aufgaben sind verschieden, sie können nicht Nebenbuhler sein,
weil sie nicht um denselben Preis ringen, weil sie ihre Stellen nicht wechseln
können.

Der Mann hat das Brod zu verdienen, die Seinen zu schützen, dem
Sturm, der Hitze und Kälte zu,trotzen; die Frau kann ihm darin mehr oder
weniger beistehen, aber es kommen Zeiten, wo sie dazu unfähig wird, wo
höhere Pflichten, die ihr der Schöpfer befohlen, sie in geheiligter Schwachheit
an das Haus oder die Hütte fesseln, wo sie die Quelle neuen Lebens wird
und sich vor dem Blick der Welt verbirgt. Der Mann fährt fort, für sie
und das um Beide aufsprießende junge Leben zu sorgen, sie hat sür Hans
und Kind zu sorgen, die Nahrung, die er gewinnt, zu bereiten. Wo bleibt
da die Gleichheit, die unser Verfasser von der Zukunft erträumt, wo ist die
Sclaverei, die er in der Gegenwart beklagt? Seltsame Selaverei, die den Herrn
sür den Sclaven arbeiten läßt, räthselhafte Zukunft, wo der Mann vielleicht
die Kinder wiegen soll und die Frau den Pflug führen, denn wo Gleichheit
herrscht, da müssen doch die Rollen ohne Schaden gewechselt werden können.
Wenn es in der Bibel heißt, die zwei sollen ein Fleisch sein, so ist nicht
die Frau zum untern, der Mann zum höhern Wesen gestempelt, sondern es
ist gesagt, daß die zwei sich der Art ergänzen sollen, daß erst beide vereint
einen ganzen Menschen ausmachen. Keine Theorie wird diesen von der
Natur selbst gelegten Grund ändern können, diese radicale Verschiedenheit
beider Geschlechter wegzudisputiren vermögen. Möge man es nur darauf
ankommen lassen, daß die begeisterte Verfechterin der Emancipation der
Frauen den Mann finde, den sie wirklich liebt und alle Hirngespinste der
Schule werden vor der Macht der Wirklichkeit zerstieben, mag sie selbst in
der Ehe das Regiment führen, es werden doch Zeiten kommen, wo sie ihre
natürliche Schwachheit fühlt und gesteht, daß sie von ihm abhängt. Gott
selbst hat ihre Aufgaben von denen des Mannes unterschieden, sie sind nicht
Nebenbuhler, sondern unzertrennliche Genossen und Gehilfen.


Der eine Stab des Andern
Und liebe Last zugleich

wie Geibel in seinem Ehespruch sagt.


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[0516] unserer Frage ausgehen- Jede sittliche Auffassung der Ehe aber lehrt uns, daß die beiden Theile ungleich und eben deshalb für einander geschaffen sind. Das Gesetz, auf welchem die ganze bürgerliche Gesellschaft ruht, die gegen¬ seitige Ergänzung individueller Mangelhaftigkeit, findet seinen höchsten und sittlichsten Ausdruck in der Ehe. Die Frau ist ein Wesen für sich, nicht eine schwächere Ausgabe des Mannes, sie sind zwei Hälften eines vollkommenen Wesens, ihre Aufgaben sind verschieden, sie können nicht Nebenbuhler sein, weil sie nicht um denselben Preis ringen, weil sie ihre Stellen nicht wechseln können. Der Mann hat das Brod zu verdienen, die Seinen zu schützen, dem Sturm, der Hitze und Kälte zu,trotzen; die Frau kann ihm darin mehr oder weniger beistehen, aber es kommen Zeiten, wo sie dazu unfähig wird, wo höhere Pflichten, die ihr der Schöpfer befohlen, sie in geheiligter Schwachheit an das Haus oder die Hütte fesseln, wo sie die Quelle neuen Lebens wird und sich vor dem Blick der Welt verbirgt. Der Mann fährt fort, für sie und das um Beide aufsprießende junge Leben zu sorgen, sie hat sür Hans und Kind zu sorgen, die Nahrung, die er gewinnt, zu bereiten. Wo bleibt da die Gleichheit, die unser Verfasser von der Zukunft erträumt, wo ist die Sclaverei, die er in der Gegenwart beklagt? Seltsame Selaverei, die den Herrn sür den Sclaven arbeiten läßt, räthselhafte Zukunft, wo der Mann vielleicht die Kinder wiegen soll und die Frau den Pflug führen, denn wo Gleichheit herrscht, da müssen doch die Rollen ohne Schaden gewechselt werden können. Wenn es in der Bibel heißt, die zwei sollen ein Fleisch sein, so ist nicht die Frau zum untern, der Mann zum höhern Wesen gestempelt, sondern es ist gesagt, daß die zwei sich der Art ergänzen sollen, daß erst beide vereint einen ganzen Menschen ausmachen. Keine Theorie wird diesen von der Natur selbst gelegten Grund ändern können, diese radicale Verschiedenheit beider Geschlechter wegzudisputiren vermögen. Möge man es nur darauf ankommen lassen, daß die begeisterte Verfechterin der Emancipation der Frauen den Mann finde, den sie wirklich liebt und alle Hirngespinste der Schule werden vor der Macht der Wirklichkeit zerstieben, mag sie selbst in der Ehe das Regiment führen, es werden doch Zeiten kommen, wo sie ihre natürliche Schwachheit fühlt und gesteht, daß sie von ihm abhängt. Gott selbst hat ihre Aufgaben von denen des Mannes unterschieden, sie sind nicht Nebenbuhler, sondern unzertrennliche Genossen und Gehilfen. Der eine Stab des Andern Und liebe Last zugleich wie Geibel in seinem Ehespruch sagt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/516>, abgerufen am 22.07.2024.