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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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um uns wenigstens das Verdienst, daß er das Seinige dazu gethan, um das
preußische Wesen von uns fernzuhalten." Die offene Ausdrucksweise ist jeden-
falls frappant; daß Herr v. Scheel.Plessen bisher den Particularisten zu Liebe
regiert hat, ist im Lande freilich nichts Neues; aber auch auswärts ist da¬
rüber nach der oft kundgegebenen Vorliebe des Oberpräsidenten für die wurm¬
stichigen "berechtigten Eigenthümlichkeiten" wohl kein Zweifel.

Diesen Zug hat die Provincialverwaltung bis jetzt seit Jahren getragen.
Seitdem jene Regierungsmaximen klarer hervorgetreten, habe ich keinen Raum
für eine Thätigkeit mehr zu finden gewußt, welche meinen Begriffen von dem
entspräche, was politisch nothwendig und anständig ist. Wie lächerlich, sich
preußisch zu geberden, während das königliche Oberpräsidium mit den Parti¬
cularisten schön thut! Sie haben hierin auch den Grund, weshalb ich seit
dem Herbste 1867 aus so mancher, mir werth gewordenen Beziehung getreten
bin. Ich habe keine Lust und weiß es auch nicht Dor mir selbst zu verant¬
worten, wenn ich direct oder auch nur mittelbar den Männern in die Hände
arbeitete, welche in der Provinz das Nuder führen dürfen. Ich bin fest
überzeugt, daß das preußische Interesse auf den Wegen, welche diese Leute
bisher gegangen, übel berathen ist. Ich freue mich, daß ich in dieser Hin¬
sicht von früheren Entschlüssen nicht abgewichen bin, denn die jüngsten Wahl¬
vorgänge in Kiel haben meine Ansicht, daß die Wirksamkeit jener früheren
dänischen Gesammtstaatsmänner dem preußischen Interesse verderblich ist,
leider aufs Neue bethätigt. Es ist nicht leicht zu sagen, was unglückseliger
ist -- die Hätschelei der Augustenburger mit den "berechtigten Eigenthüm¬
lichkeiten" -- oder die allerneueste Schwenkung des preußischen Oberpräsi¬
denten zur Frese-Mayer'schen Volkspartei.

Jedenfalls stehen wir an einem Wendepunkte der preußischen Politik in
den Herzogthümern. Denn daß Excellenz Scheel-Plessen mit der "Volks¬
partei" die Augustenburger hat überrumpeln wollen, werden ihm diese nie¬
mals vergessen. Daß sein Conniviren und Coquettiren mit ihren Zwecken für
die Dauer ernst gemeint sei, wird freilich die particularistische Partei selbst
nicht erwartet haben, sie begnügte sich, die augenblicklichen Vortheile der
gebotenen Lage gleichmüthig einzusammeln. Für politisch zuverlässig hat
Herr v. Scheel-Plessen überhaupt weder in den Herzogthümern noch in Däne¬
mark jemals gegolten, und ich zweifle, daß die Volkspartei aus Irrthum
hierüber ein Bündniß mit ihm einging. Sie hat ihren Zweck völlig erreicht,
sie hat durch die Kieler Wahlvorgänge nicht blos in dieser Stadt, sondern
für die Provinz eine Bedeutung erlangt, die sie vorher nicht entfernt besaß,
und ohne die Unterstützung des Oberpräsidenten und seiner Freunde nie er¬
langen konnte. Wo sonst in unseren Städten die "Volkspartei" diesmal sich
erhoben, z. B. in Rendsburg, ist sie durch die Vereinigung aller konservativen


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um uns wenigstens das Verdienst, daß er das Seinige dazu gethan, um das
preußische Wesen von uns fernzuhalten." Die offene Ausdrucksweise ist jeden-
falls frappant; daß Herr v. Scheel.Plessen bisher den Particularisten zu Liebe
regiert hat, ist im Lande freilich nichts Neues; aber auch auswärts ist da¬
rüber nach der oft kundgegebenen Vorliebe des Oberpräsidenten für die wurm¬
stichigen „berechtigten Eigenthümlichkeiten" wohl kein Zweifel.

Diesen Zug hat die Provincialverwaltung bis jetzt seit Jahren getragen.
Seitdem jene Regierungsmaximen klarer hervorgetreten, habe ich keinen Raum
für eine Thätigkeit mehr zu finden gewußt, welche meinen Begriffen von dem
entspräche, was politisch nothwendig und anständig ist. Wie lächerlich, sich
preußisch zu geberden, während das königliche Oberpräsidium mit den Parti¬
cularisten schön thut! Sie haben hierin auch den Grund, weshalb ich seit
dem Herbste 1867 aus so mancher, mir werth gewordenen Beziehung getreten
bin. Ich habe keine Lust und weiß es auch nicht Dor mir selbst zu verant¬
worten, wenn ich direct oder auch nur mittelbar den Männern in die Hände
arbeitete, welche in der Provinz das Nuder führen dürfen. Ich bin fest
überzeugt, daß das preußische Interesse auf den Wegen, welche diese Leute
bisher gegangen, übel berathen ist. Ich freue mich, daß ich in dieser Hin¬
sicht von früheren Entschlüssen nicht abgewichen bin, denn die jüngsten Wahl¬
vorgänge in Kiel haben meine Ansicht, daß die Wirksamkeit jener früheren
dänischen Gesammtstaatsmänner dem preußischen Interesse verderblich ist,
leider aufs Neue bethätigt. Es ist nicht leicht zu sagen, was unglückseliger
ist — die Hätschelei der Augustenburger mit den „berechtigten Eigenthüm¬
lichkeiten" — oder die allerneueste Schwenkung des preußischen Oberpräsi¬
denten zur Frese-Mayer'schen Volkspartei.

Jedenfalls stehen wir an einem Wendepunkte der preußischen Politik in
den Herzogthümern. Denn daß Excellenz Scheel-Plessen mit der „Volks¬
partei" die Augustenburger hat überrumpeln wollen, werden ihm diese nie¬
mals vergessen. Daß sein Conniviren und Coquettiren mit ihren Zwecken für
die Dauer ernst gemeint sei, wird freilich die particularistische Partei selbst
nicht erwartet haben, sie begnügte sich, die augenblicklichen Vortheile der
gebotenen Lage gleichmüthig einzusammeln. Für politisch zuverlässig hat
Herr v. Scheel-Plessen überhaupt weder in den Herzogthümern noch in Däne¬
mark jemals gegolten, und ich zweifle, daß die Volkspartei aus Irrthum
hierüber ein Bündniß mit ihm einging. Sie hat ihren Zweck völlig erreicht,
sie hat durch die Kieler Wahlvorgänge nicht blos in dieser Stadt, sondern
für die Provinz eine Bedeutung erlangt, die sie vorher nicht entfernt besaß,
und ohne die Unterstützung des Oberpräsidenten und seiner Freunde nie er¬
langen konnte. Wo sonst in unseren Städten die „Volkspartei" diesmal sich
erhoben, z. B. in Rendsburg, ist sie durch die Vereinigung aller konservativen


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[0507] um uns wenigstens das Verdienst, daß er das Seinige dazu gethan, um das preußische Wesen von uns fernzuhalten." Die offene Ausdrucksweise ist jeden- falls frappant; daß Herr v. Scheel.Plessen bisher den Particularisten zu Liebe regiert hat, ist im Lande freilich nichts Neues; aber auch auswärts ist da¬ rüber nach der oft kundgegebenen Vorliebe des Oberpräsidenten für die wurm¬ stichigen „berechtigten Eigenthümlichkeiten" wohl kein Zweifel. Diesen Zug hat die Provincialverwaltung bis jetzt seit Jahren getragen. Seitdem jene Regierungsmaximen klarer hervorgetreten, habe ich keinen Raum für eine Thätigkeit mehr zu finden gewußt, welche meinen Begriffen von dem entspräche, was politisch nothwendig und anständig ist. Wie lächerlich, sich preußisch zu geberden, während das königliche Oberpräsidium mit den Parti¬ cularisten schön thut! Sie haben hierin auch den Grund, weshalb ich seit dem Herbste 1867 aus so mancher, mir werth gewordenen Beziehung getreten bin. Ich habe keine Lust und weiß es auch nicht Dor mir selbst zu verant¬ worten, wenn ich direct oder auch nur mittelbar den Männern in die Hände arbeitete, welche in der Provinz das Nuder führen dürfen. Ich bin fest überzeugt, daß das preußische Interesse auf den Wegen, welche diese Leute bisher gegangen, übel berathen ist. Ich freue mich, daß ich in dieser Hin¬ sicht von früheren Entschlüssen nicht abgewichen bin, denn die jüngsten Wahl¬ vorgänge in Kiel haben meine Ansicht, daß die Wirksamkeit jener früheren dänischen Gesammtstaatsmänner dem preußischen Interesse verderblich ist, leider aufs Neue bethätigt. Es ist nicht leicht zu sagen, was unglückseliger ist — die Hätschelei der Augustenburger mit den „berechtigten Eigenthüm¬ lichkeiten" — oder die allerneueste Schwenkung des preußischen Oberpräsi¬ denten zur Frese-Mayer'schen Volkspartei. Jedenfalls stehen wir an einem Wendepunkte der preußischen Politik in den Herzogthümern. Denn daß Excellenz Scheel-Plessen mit der „Volks¬ partei" die Augustenburger hat überrumpeln wollen, werden ihm diese nie¬ mals vergessen. Daß sein Conniviren und Coquettiren mit ihren Zwecken für die Dauer ernst gemeint sei, wird freilich die particularistische Partei selbst nicht erwartet haben, sie begnügte sich, die augenblicklichen Vortheile der gebotenen Lage gleichmüthig einzusammeln. Für politisch zuverlässig hat Herr v. Scheel-Plessen überhaupt weder in den Herzogthümern noch in Däne¬ mark jemals gegolten, und ich zweifle, daß die Volkspartei aus Irrthum hierüber ein Bündniß mit ihm einging. Sie hat ihren Zweck völlig erreicht, sie hat durch die Kieler Wahlvorgänge nicht blos in dieser Stadt, sondern für die Provinz eine Bedeutung erlangt, die sie vorher nicht entfernt besaß, und ohne die Unterstützung des Oberpräsidenten und seiner Freunde nie er¬ langen konnte. Wo sonst in unseren Städten die „Volkspartei" diesmal sich erhoben, z. B. in Rendsburg, ist sie durch die Vereinigung aller konservativen 63*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/507>, abgerufen am 01.07.2024.