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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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unter Friedrich Schlegel's Jugendarbeiten zu rechnen sein, gleich so manchen
andern Aufsätzen, die noch nicht als sein Eigenthum erkannt oder gänzlich
wieder vergessen worden sind.

Es darf uns eben nicht Wunder nehmen, daß man jene Aeußerung
Schiller's bisher unbeachtet gelassen, oder daß man nicht gewußt, auf welches
Schlegel'sche Delictum sie zielte. Ueber die früheren Arbeiten des jüngeren
Schlegel ist nur eine unsichere Kunde verbreitet; und die Zeitschrift Deutsch¬
land ist offenbar nur wenigen Literatoren zu Gesichte gekommen*). Nicht
leicht wird jemand außer Ihnen genau darzulegen wissen, welchen umfassen¬
den Antheil Schlegel an dieser Zeitschrift genommen. Allgemeiner bekannt
sind aus der reichen Zahl seiner Beiträge nur die Aufsätze über Goethe und
über das homerische Epos, so wie die Recension des Jacobischen Woldemar,
das glänzende Meisterstück seiner kritischen Denk- und Schreibweise, das mit der
tiefgehenden Betrachtung, die Wilhelm von Humboldt demselben Roman
widmete, einen so bezeichnenden Gegensatz bildet. Jene Aufsätze waren Bruch¬
stücke aus den umfangreichen Werken über „die Griechen und Römer" (1797,
S. 76—80) und über die Geschichte der alten Poesie (1798); die Recension
aber fand im ersten Bande der „Charakteristiken und Kritiken" von neuem
einen geziemender Platz.

In dem Aufsatze nun, auf den Schiller so unfreundlich hinblickt, läßt
Schlegel eine harte Züchtigung über Schlosser ergehen; und daß diese wohl¬
verdient war, konnte von keinem Anhänger der kritischen Philosophie geleug¬
net werden. Zufolge der ihm innewohnenden, durch sein ganzes Leben be¬
thätigten Denkart durfte Schlosser bei dem siegreichen Fortschreiten der von
Kant ausgehenden philosophischen Bewegung nicht gleichgiltig bleiben. Er
fühlte sich verpflichtet zum Streit gegen die immer verderblicher anwachsende
Macht des Kriticismus, die alle Gebiete des geistigen Lebens zu überziehen
drohte, um, wie er wähnte, alle gleichmäßig zu veröden. So trat er, ge¬
reizt und erbittert, auf den Kampfplatz hervor, und ließ den lange gehegten,
mühsam zurückgehaltenen Haß gegen die kritische Philosophie und deren Ur¬
heber zu ungehemmten Ausbruche kommen.



Selbst A. W. Schlegel hatte in späteren Jahren kein Exemplar derselben zur Hand,
(Werke 8, 288) und zweifelte, daß noch eins aufzutreiben sei (an Tieck 15. Januar 1830).
Jetzt findet sich das seltene Werk, durch Böcking s Fürsorge, unter dem reichen Büchervorrathe,
der zusammen mit dem handschriftlichen Nachlasse A. W. Schlegel's ein unentbehrliches Hilfs¬
mittel für das Studium unserer romantischen Literaturperiode bildet. — Ich wiederhole hier
den schon an einem andern Orte ausgesprochenen Wunsch, daß dieser kostbare Nachlaß recht
bald das Eigenthum einer deutschen Universitätsbibliothek werden möge. Von den noch vor¬
handenen zahlreichen Briefen hat Anton Klette ein mit musterhafter Sorgfalt aufgestelltes,
höchst instruktives Verzeichnis? geliefert. — August Wilhelm schreibt an Tieck: „Ich habe (von
Friedrich) auch eine Unzahl von Briefen, noch habe ich die Packete nicht geöffnet. Es ließen
sich daraus vielleicht sehr interessante Auszüge machen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/410>, abgerufen am 22.01.2025.