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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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zuzuschreiben, sondern dem unglücklichen Erbrecht des Code Napoleon, welches
zur Naturaltheilung zwingt. Wir haben diesen Punkt kürzlich in diesen
Blättern näher besprochen (Die Freiheit letztwilliger Versügung Ur. 45).

In seiner Kritik der Verwerflichkeit der Gewerbe- und Lohnsteuer, stimmen
wir dem Verfasser ganz bei. Die Art und Weise, wie man nach Frankreichs Vor¬
gang gesucht hat, mit der sogenannten Patentsteuer das gewerblich angelegte
Nationalcapital zu katastriren, ist ebenso kostspielig und weitläufig als unvoll¬
kommen geblieben. Wenn man auch alle Elemente des Gewerbebetriebes mög¬
lichst abschätzt, wie z. B. den Miethzins für benutzte Localitäten, Bevölkerung
und Verkehr, Zahl der Hilfsarbeiter, Pferdekräfte der verwendeten mechanischen
Vorrichtungen, Betrieb im Großen oder Kleinen und ähnliche den Umfang
des Geschäftes darstellende Thatsachen, wenn man dann noch für die ver¬
schiedenen Classen Maximal- und Minimalbeiträge aufstellt, nach denen der
einschätzenden Behörde ein Spielraum zu Veranlagung bleibt, so wird man
noch immer zu sehr unsicheren Resultaten gelangen und nie nach dem Ma߬
stab wirklicher Rentabilität besteuern. Gegen die Lohnsteuer spricht vor
allem, das man bei der Durchführung derselben nicht das nothwendige
Existenzminimum steuerfrei lassen könnte und daß es fast unmöglich ist, von
den untern Stufen der arbeitenden Classen directe Steuerbeiträge ohne harten
Zwang zu erhalten; der höhere Lohn und die Gehalte aber fallen unter die
Wichtigkeit zur Einkommensteuer.

Auf die letztere kommt denn wie zu erwarten der Verfasser als auf eine
Hauptquelle des öffentlichen Einkommens zurück. Aber ziemlich unerwartet ist
es, daß er schließlich auch die Einkommensteuer dem Staate entziehen und den
Gemeinden oder andern örtlichen Verbänden zuweisen will. Es bleiben ihm
somit für den eigentlichen Staatsbedarf nur die Verbrauchssteuern. So sehr
wir nun mit ihm der Ansicht sind, daß diese letzteren in erster Linie zu be¬
anspruchen sind, so sicher glauben wir, daß ein großer Staat seine Ausgaben
nicht mit ihrem Ertrage bestreiten kann. Wir wollen indeß mit ihnen be¬
ginnen. Gewöhnlich versteht man unter Verbrauchssteuern nur indirecte,
der Verfasser schlägt indeß ganz richtig directe vor, nämlich die Wohnungs¬
steuer und Luxussteuer auf Pferde, Wagen und Dienerschaft. Hat der Staat
auf die Grundsteuer durch Ueberweisung derselben an den Loealbedarf ver¬
zichtet, so liegt nichts im Wege den Wohnungsverbrauch zu besteuern, da
wohl für kein anders Bedürfniß so sehr in gleichmäßigem Verhältnisse zum
Einkommen Aufwand gemacht wird. Nach ihm richten sich Mobiliar, Bedie¬
nung, Beleuchtung, Heizung u. f. w., nur muß auch hier ein Minimum steuer¬
frei bleiben, also die geringeren Wohnungen, welche ein steuerunfähiges Ein¬
kommen anzeigen. Die genannten Luxussteuern bestehen in England und


zuzuschreiben, sondern dem unglücklichen Erbrecht des Code Napoleon, welches
zur Naturaltheilung zwingt. Wir haben diesen Punkt kürzlich in diesen
Blättern näher besprochen (Die Freiheit letztwilliger Versügung Ur. 45).

In seiner Kritik der Verwerflichkeit der Gewerbe- und Lohnsteuer, stimmen
wir dem Verfasser ganz bei. Die Art und Weise, wie man nach Frankreichs Vor¬
gang gesucht hat, mit der sogenannten Patentsteuer das gewerblich angelegte
Nationalcapital zu katastriren, ist ebenso kostspielig und weitläufig als unvoll¬
kommen geblieben. Wenn man auch alle Elemente des Gewerbebetriebes mög¬
lichst abschätzt, wie z. B. den Miethzins für benutzte Localitäten, Bevölkerung
und Verkehr, Zahl der Hilfsarbeiter, Pferdekräfte der verwendeten mechanischen
Vorrichtungen, Betrieb im Großen oder Kleinen und ähnliche den Umfang
des Geschäftes darstellende Thatsachen, wenn man dann noch für die ver¬
schiedenen Classen Maximal- und Minimalbeiträge aufstellt, nach denen der
einschätzenden Behörde ein Spielraum zu Veranlagung bleibt, so wird man
noch immer zu sehr unsicheren Resultaten gelangen und nie nach dem Ma߬
stab wirklicher Rentabilität besteuern. Gegen die Lohnsteuer spricht vor
allem, das man bei der Durchführung derselben nicht das nothwendige
Existenzminimum steuerfrei lassen könnte und daß es fast unmöglich ist, von
den untern Stufen der arbeitenden Classen directe Steuerbeiträge ohne harten
Zwang zu erhalten; der höhere Lohn und die Gehalte aber fallen unter die
Wichtigkeit zur Einkommensteuer.

Auf die letztere kommt denn wie zu erwarten der Verfasser als auf eine
Hauptquelle des öffentlichen Einkommens zurück. Aber ziemlich unerwartet ist
es, daß er schließlich auch die Einkommensteuer dem Staate entziehen und den
Gemeinden oder andern örtlichen Verbänden zuweisen will. Es bleiben ihm
somit für den eigentlichen Staatsbedarf nur die Verbrauchssteuern. So sehr
wir nun mit ihm der Ansicht sind, daß diese letzteren in erster Linie zu be¬
anspruchen sind, so sicher glauben wir, daß ein großer Staat seine Ausgaben
nicht mit ihrem Ertrage bestreiten kann. Wir wollen indeß mit ihnen be¬
ginnen. Gewöhnlich versteht man unter Verbrauchssteuern nur indirecte,
der Verfasser schlägt indeß ganz richtig directe vor, nämlich die Wohnungs¬
steuer und Luxussteuer auf Pferde, Wagen und Dienerschaft. Hat der Staat
auf die Grundsteuer durch Ueberweisung derselben an den Loealbedarf ver¬
zichtet, so liegt nichts im Wege den Wohnungsverbrauch zu besteuern, da
wohl für kein anders Bedürfniß so sehr in gleichmäßigem Verhältnisse zum
Einkommen Aufwand gemacht wird. Nach ihm richten sich Mobiliar, Bedie¬
nung, Beleuchtung, Heizung u. f. w., nur muß auch hier ein Minimum steuer¬
frei bleiben, also die geringeren Wohnungen, welche ein steuerunfähiges Ein¬
kommen anzeigen. Die genannten Luxussteuern bestehen in England und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/389>, abgerufen am 22.07.2024.