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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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stehe, weil der Verkehr selber durch die Kaufpreise hierin längst die nöthige
Ausgleichung bewirkt habe. Dagegen ist zu erwidern, daß in der Praxis bei
dem Kaufpreis eines Gutes auch noch eine Menge anderer Umstände Einfluß
üben, als die Steuerlast, und bei Gütern, welche sich seit langer Zeit in festen
Händen befunden haben, ohnehin von einer Ausgleichung durch Kaufpreise
nicht die Rede sein kann. Als Herr v. Patow Finanzminister ward lag die
Frage so, daß entweder die ganze Grundsteuer aufgehoben werden mußte,
womit den bisher Verpflichteten ein unmotivirtes Geschenk gemacht wird, oder
daß sie ausgeglichen werden mußte, indem die bisher Eximirten gegen billige
Entschädigung in gleicher Weise herangezogen werden mußten. Dies ist
geschehen und es ist jetzt absolut unmöglich, aus principiellen Rücksichten die
Steuer einfach abzuschaffen. Dagegen scheint es uns wohl thunlich, auf den
vom Verfasser kurzer Hand abgewiesenen Vorschlag von Kries einzugehen, näm¬
lich mit fortschreitender Decentralisirung den Ertrag der Grundsteuer successive
den Provinzen und Kreisen in dem Maße zu überweisen, als sie selbst Lasten
übernehmen, welche bisher der Centralregierung auslagen. Dies wäre auch um
so leichter ausführbar, als die durch das Grundsteuergesetz von 21. Mai 1861
festgestellte Gesammtsumme von 10 Mill. Thaler, auf welche der Jahresertrag
festgestellt ist, durch die Verordnungen von 12. December 1864 auf die Pro¬
vinzen contingentirt ist; ein gleiches könnte mit der Gebäudesteuer geschehen.
Bergwerksabgaben dagegen müßten dem Staate verbleiben. Es wird schon
unbillig, eine Provinz die Bergwerke hat, wie Schlesien oder Westphalen, da¬
durch im Unterschied mit Pommern oder Preußen einen finanziellen Vortheil
zu gewähren. Man könnte es immerhin den Verbänden des Selsgo-
vernements anheimstellen, die Grundsteuer abzulösen oder durch andere Steuern
zu ersetzen, aber wir glauben nicht, daß es dazu leicht kommen würde, halten
vielmehr nach England's Vorgang das Princip für richtig, die Locallasten
wesentlich auf das Grundeigenthum zu legen. Denn es ist erfahrungsmäßig
nicht zu bestreiten, daß Grund und Boden im Stande sind, eine stärkere Be¬
steuerung zu ertragen als die übrigen Güterquellen, ohne einen fühlbaren
Druck auf die Besitzer auszuüben. Auch der conservative neuste Schriftsteller
über das englische Steuerwesen, Dudley Baxter, erklärt es im Hinblick auf die
größere Sicherheit und das Ansehen, welches der Grundbesitz für die ganze
gesellschaftliche und ökonomische Stellung mit sich bringt, für gerechtfertigt,
daß derselbe um ein Fünftel höher besteuert werde, als bewegliches Eigen¬
thum. Es wird auch nie die Grundsteuer sein, welche den Grundbesitz in
Preußen niederhält; was derselbe nur braucht ist größere Freiheit zur Lösung
der Fesseln der Majorate, Fideicommisse und Pflichttheile, die ihn belasten und
verschulden, und ebenso ist der allerdings unleugbar sehr langsame Fortschritt
des französischen Ackerbaus nicht, wie der Versasser meint, der Grundsteuer


stehe, weil der Verkehr selber durch die Kaufpreise hierin längst die nöthige
Ausgleichung bewirkt habe. Dagegen ist zu erwidern, daß in der Praxis bei
dem Kaufpreis eines Gutes auch noch eine Menge anderer Umstände Einfluß
üben, als die Steuerlast, und bei Gütern, welche sich seit langer Zeit in festen
Händen befunden haben, ohnehin von einer Ausgleichung durch Kaufpreise
nicht die Rede sein kann. Als Herr v. Patow Finanzminister ward lag die
Frage so, daß entweder die ganze Grundsteuer aufgehoben werden mußte,
womit den bisher Verpflichteten ein unmotivirtes Geschenk gemacht wird, oder
daß sie ausgeglichen werden mußte, indem die bisher Eximirten gegen billige
Entschädigung in gleicher Weise herangezogen werden mußten. Dies ist
geschehen und es ist jetzt absolut unmöglich, aus principiellen Rücksichten die
Steuer einfach abzuschaffen. Dagegen scheint es uns wohl thunlich, auf den
vom Verfasser kurzer Hand abgewiesenen Vorschlag von Kries einzugehen, näm¬
lich mit fortschreitender Decentralisirung den Ertrag der Grundsteuer successive
den Provinzen und Kreisen in dem Maße zu überweisen, als sie selbst Lasten
übernehmen, welche bisher der Centralregierung auslagen. Dies wäre auch um
so leichter ausführbar, als die durch das Grundsteuergesetz von 21. Mai 1861
festgestellte Gesammtsumme von 10 Mill. Thaler, auf welche der Jahresertrag
festgestellt ist, durch die Verordnungen von 12. December 1864 auf die Pro¬
vinzen contingentirt ist; ein gleiches könnte mit der Gebäudesteuer geschehen.
Bergwerksabgaben dagegen müßten dem Staate verbleiben. Es wird schon
unbillig, eine Provinz die Bergwerke hat, wie Schlesien oder Westphalen, da¬
durch im Unterschied mit Pommern oder Preußen einen finanziellen Vortheil
zu gewähren. Man könnte es immerhin den Verbänden des Selsgo-
vernements anheimstellen, die Grundsteuer abzulösen oder durch andere Steuern
zu ersetzen, aber wir glauben nicht, daß es dazu leicht kommen würde, halten
vielmehr nach England's Vorgang das Princip für richtig, die Locallasten
wesentlich auf das Grundeigenthum zu legen. Denn es ist erfahrungsmäßig
nicht zu bestreiten, daß Grund und Boden im Stande sind, eine stärkere Be¬
steuerung zu ertragen als die übrigen Güterquellen, ohne einen fühlbaren
Druck auf die Besitzer auszuüben. Auch der conservative neuste Schriftsteller
über das englische Steuerwesen, Dudley Baxter, erklärt es im Hinblick auf die
größere Sicherheit und das Ansehen, welches der Grundbesitz für die ganze
gesellschaftliche und ökonomische Stellung mit sich bringt, für gerechtfertigt,
daß derselbe um ein Fünftel höher besteuert werde, als bewegliches Eigen¬
thum. Es wird auch nie die Grundsteuer sein, welche den Grundbesitz in
Preußen niederhält; was derselbe nur braucht ist größere Freiheit zur Lösung
der Fesseln der Majorate, Fideicommisse und Pflichttheile, die ihn belasten und
verschulden, und ebenso ist der allerdings unleugbar sehr langsame Fortschritt
des französischen Ackerbaus nicht, wie der Versasser meint, der Grundsteuer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/388>, abgerufen am 24.08.2024.