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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Einige der Bauwerke, die ein unentbehrlicher Zug in der Physionomie
des heutigen Rom geworden sind, fallen noch in diese Epoche, wo die alte
italienische Baukunst im Begriff war zu erlöschen. Vor allem die Faxade der
Fontana Trevi mit ihren Statuen; die reiche und malerische Loggia von
S. Maria Maggiore, ein Werk des Florentiners Fug", von der der Papst
freilich sagte, er komme sich wie ein Theatererbauer vor; und endlich duldete
er, daß in die Nähe der majestätischen Loggia des Lateran die abscheuliche
Foccide von S. Croce mit ihren geschwungenen Linien hingesetzt wurde. Unter
dem Namen von Restaurationen fielen auch unter ihm eine Reihe alter
Kirchen dem Barockstil zum Opfer.

Der Papst war ein Gönner des P. Giov. Battista Martini, der durch
ihn in den Sammlungen für seine Geschichte der Musik unterstützt wurde
und ein geneigtes Ohr sand für seine Predigt gegen den Greuel an heiliger
Stätte, die Opernmelodien in der Kirche, sür Herstellung des alten Stils
und des Canto sermo. Die Instrumentalmusik wurde in der Kirche unter¬
sagt. -- Dem Theater war der Papst nicht abgeneigt, er schrieb dem
Marchese Scipio Maffei seine Zustimmung zu der Apologie des Theaters
gegen den Pater Concina; ja er wagte es, auf einem Spaziergang in ein
im Bau begriffenes Theater einzutreten, worauf man am folgenden Tag über
dem Thor die Worte las: Inciulgön^ii xlenarla. Der römischen Theater
waren damals mehr als heute; man sah noch Cardinäle in den Logen; die
Kritik des römischen Publicums war angesehen und gefürchtet. Goldoni
herrschte im Lustspiel; die Opern Metastasio's, in Musik gesetzt von den Nach¬
folgern Scarlatti's, wurden gegeben in Torre Argentina und im Teatro
Alibert, auch "delle Dame" genannt (jetzt Ruine). Die geistliche Musik, in der
Jomelli am beliebtesten war. pflegten Oratorier in ihrer Chiesa nuova und
in S. Girolamo; die Tragödien des Corneille und Racine, und selbst Vol¬
taire's, die Comödien Moliere's recitirten während des Carnevals die Semi¬
narien. --

Vier Cardinäle kommen in Winckelmann's Briefen vor, mit denen er in
nähere persönliche Beziehung trat. Passionei ist von ihnen ohne Zweifel der
interessanteste. Der Anlaß ihn aufzusuchen war die große Bibliothek, welche
im Palast der Consulta auf dem Quirinal aufgestellt war, den der Cardinal
als Secretär der Breven bewohnte. W. war es von Dresden her sS zum
Bedürfniß geworden, eine große Bibliothek beim Forschen zur Verfügung zu
haben, daß er sich ohne diese glückliche Gelegenheit selbst in Rom gelang¬
weilt haben würde; wenigstens war die größte Privatbibliothek Italiens sür
ihn so verführerisch, daß er eine Zeitlang selbst das Leben vernachlässigte. --
Es schmeichelte ihm nicht wenig, daß er von diesem bizarren und schwer zu¬
gänglichen Mann zur Tafel gezogen, wenn er mit ihm ausfuhr vom Car-


Einige der Bauwerke, die ein unentbehrlicher Zug in der Physionomie
des heutigen Rom geworden sind, fallen noch in diese Epoche, wo die alte
italienische Baukunst im Begriff war zu erlöschen. Vor allem die Faxade der
Fontana Trevi mit ihren Statuen; die reiche und malerische Loggia von
S. Maria Maggiore, ein Werk des Florentiners Fug«, von der der Papst
freilich sagte, er komme sich wie ein Theatererbauer vor; und endlich duldete
er, daß in die Nähe der majestätischen Loggia des Lateran die abscheuliche
Foccide von S. Croce mit ihren geschwungenen Linien hingesetzt wurde. Unter
dem Namen von Restaurationen fielen auch unter ihm eine Reihe alter
Kirchen dem Barockstil zum Opfer.

Der Papst war ein Gönner des P. Giov. Battista Martini, der durch
ihn in den Sammlungen für seine Geschichte der Musik unterstützt wurde
und ein geneigtes Ohr sand für seine Predigt gegen den Greuel an heiliger
Stätte, die Opernmelodien in der Kirche, sür Herstellung des alten Stils
und des Canto sermo. Die Instrumentalmusik wurde in der Kirche unter¬
sagt. — Dem Theater war der Papst nicht abgeneigt, er schrieb dem
Marchese Scipio Maffei seine Zustimmung zu der Apologie des Theaters
gegen den Pater Concina; ja er wagte es, auf einem Spaziergang in ein
im Bau begriffenes Theater einzutreten, worauf man am folgenden Tag über
dem Thor die Worte las: Inciulgön^ii xlenarla. Der römischen Theater
waren damals mehr als heute; man sah noch Cardinäle in den Logen; die
Kritik des römischen Publicums war angesehen und gefürchtet. Goldoni
herrschte im Lustspiel; die Opern Metastasio's, in Musik gesetzt von den Nach¬
folgern Scarlatti's, wurden gegeben in Torre Argentina und im Teatro
Alibert, auch „delle Dame" genannt (jetzt Ruine). Die geistliche Musik, in der
Jomelli am beliebtesten war. pflegten Oratorier in ihrer Chiesa nuova und
in S. Girolamo; die Tragödien des Corneille und Racine, und selbst Vol¬
taire's, die Comödien Moliere's recitirten während des Carnevals die Semi¬
narien. —

Vier Cardinäle kommen in Winckelmann's Briefen vor, mit denen er in
nähere persönliche Beziehung trat. Passionei ist von ihnen ohne Zweifel der
interessanteste. Der Anlaß ihn aufzusuchen war die große Bibliothek, welche
im Palast der Consulta auf dem Quirinal aufgestellt war, den der Cardinal
als Secretär der Breven bewohnte. W. war es von Dresden her sS zum
Bedürfniß geworden, eine große Bibliothek beim Forschen zur Verfügung zu
haben, daß er sich ohne diese glückliche Gelegenheit selbst in Rom gelang¬
weilt haben würde; wenigstens war die größte Privatbibliothek Italiens sür
ihn so verführerisch, daß er eine Zeitlang selbst das Leben vernachlässigte. —
Es schmeichelte ihm nicht wenig, daß er von diesem bizarren und schwer zu¬
gänglichen Mann zur Tafel gezogen, wenn er mit ihm ausfuhr vom Car-


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[0376] Einige der Bauwerke, die ein unentbehrlicher Zug in der Physionomie des heutigen Rom geworden sind, fallen noch in diese Epoche, wo die alte italienische Baukunst im Begriff war zu erlöschen. Vor allem die Faxade der Fontana Trevi mit ihren Statuen; die reiche und malerische Loggia von S. Maria Maggiore, ein Werk des Florentiners Fug«, von der der Papst freilich sagte, er komme sich wie ein Theatererbauer vor; und endlich duldete er, daß in die Nähe der majestätischen Loggia des Lateran die abscheuliche Foccide von S. Croce mit ihren geschwungenen Linien hingesetzt wurde. Unter dem Namen von Restaurationen fielen auch unter ihm eine Reihe alter Kirchen dem Barockstil zum Opfer. Der Papst war ein Gönner des P. Giov. Battista Martini, der durch ihn in den Sammlungen für seine Geschichte der Musik unterstützt wurde und ein geneigtes Ohr sand für seine Predigt gegen den Greuel an heiliger Stätte, die Opernmelodien in der Kirche, sür Herstellung des alten Stils und des Canto sermo. Die Instrumentalmusik wurde in der Kirche unter¬ sagt. — Dem Theater war der Papst nicht abgeneigt, er schrieb dem Marchese Scipio Maffei seine Zustimmung zu der Apologie des Theaters gegen den Pater Concina; ja er wagte es, auf einem Spaziergang in ein im Bau begriffenes Theater einzutreten, worauf man am folgenden Tag über dem Thor die Worte las: Inciulgön^ii xlenarla. Der römischen Theater waren damals mehr als heute; man sah noch Cardinäle in den Logen; die Kritik des römischen Publicums war angesehen und gefürchtet. Goldoni herrschte im Lustspiel; die Opern Metastasio's, in Musik gesetzt von den Nach¬ folgern Scarlatti's, wurden gegeben in Torre Argentina und im Teatro Alibert, auch „delle Dame" genannt (jetzt Ruine). Die geistliche Musik, in der Jomelli am beliebtesten war. pflegten Oratorier in ihrer Chiesa nuova und in S. Girolamo; die Tragödien des Corneille und Racine, und selbst Vol¬ taire's, die Comödien Moliere's recitirten während des Carnevals die Semi¬ narien. — Vier Cardinäle kommen in Winckelmann's Briefen vor, mit denen er in nähere persönliche Beziehung trat. Passionei ist von ihnen ohne Zweifel der interessanteste. Der Anlaß ihn aufzusuchen war die große Bibliothek, welche im Palast der Consulta auf dem Quirinal aufgestellt war, den der Cardinal als Secretär der Breven bewohnte. W. war es von Dresden her sS zum Bedürfniß geworden, eine große Bibliothek beim Forschen zur Verfügung zu haben, daß er sich ohne diese glückliche Gelegenheit selbst in Rom gelang¬ weilt haben würde; wenigstens war die größte Privatbibliothek Italiens sür ihn so verführerisch, daß er eine Zeitlang selbst das Leben vernachlässigte. — Es schmeichelte ihm nicht wenig, daß er von diesem bizarren und schwer zu¬ gänglichen Mann zur Tafel gezogen, wenn er mit ihm ausfuhr vom Car-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/376>, abgerufen am 02.07.2024.