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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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ner ein Capital von 80,304 Millionen Franken in 86 Gesellschaften ver¬
sichert. In England beläuft sich das gegen Feuer versicherte Vermögen bei
einer Bevölkerung von 30 Millionen Einwohner auf 30,000 Mill. Franken
oder 7500 Mill. Thaler. In beiden Ländern ist die Versicherung mithin im
Verhältniß zur Bevölkerung eine ungleich höhere als bei uns -- namentlich
in Frankreich.

Bei dem großen Nutzen, der, abgesehen von der allgemeinen Wohlfahrt
des Landes, durch die Sicherung des Vermögens schon für die einzelne Fa¬
milie sich ergibt, muß man sich über diesen Unterschied in der That wun¬
dern. Die Zeiten, wo man den Abgebrannten von Seiten der Obrigkeit
schriftliche Zeugnisse über den erlittenen Schaden, sogenannte Brandbriefe gab
und sie damit durch das ganze Land wandern ließ, um auf den Brand zu
betteln, sind doch längst vorüber. Industrien jeder Art vermehren sich auf
außerordentliche Weise und vergrößern die Feuersgefatzr. An die Stelle der
Handwerkstätten mit ihren unschuldigeren Handfeuern, ihren Leimtöpfen und
Plätteisenrosten (deren Risiko stets mit einem Eimer Wasser beherrscht werden
konnte) stehen kleinere und größere Fabriken zwischen Wohngebäuden und
Waarenlagern. Auch der Handel und die Spedition haben andere Dimen¬
sionen angenommen und sind größeren Gefahren ausgesetzt; ein Verkehr, der
sonst auf Rädern von Tausend Frachtwagen durch das Land kroch, wandert
jetzt auf Eisenbahnen und Wasserstraßen in ungleich größeren Massen und in
weitere Fernen ohne Unterschied der Qualität, und daher ohne Trennung
der feuergefährlichen Gegenstände von den ungefährlichen. Und wie hat nicht
erst das moderne Ackerbausystem in den kleineren Städten, wie auf dem
flachen Lande die wirthschaftlichen Gefahren vermehrt, während grade dort
das Mobiliarvermögen nur selten versichert ist.

Noch kläglicher indeß ist das Sachverhältniß in Betreff der deutschen
Lebensversicherungen. Es bestehen dermalen nur 39 solche Anstalten
in den deutschen Ländern, ganz Preußen und die deutsche Schweiz mit ein¬
begriffen. Davon kommen

23 auf den norddeutschen Bund, und zwar: 15 auf Preußen, 2 auf
Sachsen, 1 auf Mecklenburg, 1 auf Braunschwetg. 1 auf Coburg-
Gotha und 3 auf die Hansestädte.
5 auf Süddeutschland, und zwar: 1 auf Bayern, 2 auf Württemberg,
1 auf Baden und 1 auf Hessen.
9 auf Oestreich innerhalb der ehemaligen Bundesgrenzen und
2 auf die deutsche Schweiz.

Außer diesen 39 Anstalten bestehen noch die "Bremer Lebensversicherungs¬
bank", die "norddeutsche Lebensversicherungsbank in Berlin" und die Deutsche
"Lebens-, Penstons- und Rentenversicherungsanstalt in Potsdam", welche


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ner ein Capital von 80,304 Millionen Franken in 86 Gesellschaften ver¬
sichert. In England beläuft sich das gegen Feuer versicherte Vermögen bei
einer Bevölkerung von 30 Millionen Einwohner auf 30,000 Mill. Franken
oder 7500 Mill. Thaler. In beiden Ländern ist die Versicherung mithin im
Verhältniß zur Bevölkerung eine ungleich höhere als bei uns — namentlich
in Frankreich.

Bei dem großen Nutzen, der, abgesehen von der allgemeinen Wohlfahrt
des Landes, durch die Sicherung des Vermögens schon für die einzelne Fa¬
milie sich ergibt, muß man sich über diesen Unterschied in der That wun¬
dern. Die Zeiten, wo man den Abgebrannten von Seiten der Obrigkeit
schriftliche Zeugnisse über den erlittenen Schaden, sogenannte Brandbriefe gab
und sie damit durch das ganze Land wandern ließ, um auf den Brand zu
betteln, sind doch längst vorüber. Industrien jeder Art vermehren sich auf
außerordentliche Weise und vergrößern die Feuersgefatzr. An die Stelle der
Handwerkstätten mit ihren unschuldigeren Handfeuern, ihren Leimtöpfen und
Plätteisenrosten (deren Risiko stets mit einem Eimer Wasser beherrscht werden
konnte) stehen kleinere und größere Fabriken zwischen Wohngebäuden und
Waarenlagern. Auch der Handel und die Spedition haben andere Dimen¬
sionen angenommen und sind größeren Gefahren ausgesetzt; ein Verkehr, der
sonst auf Rädern von Tausend Frachtwagen durch das Land kroch, wandert
jetzt auf Eisenbahnen und Wasserstraßen in ungleich größeren Massen und in
weitere Fernen ohne Unterschied der Qualität, und daher ohne Trennung
der feuergefährlichen Gegenstände von den ungefährlichen. Und wie hat nicht
erst das moderne Ackerbausystem in den kleineren Städten, wie auf dem
flachen Lande die wirthschaftlichen Gefahren vermehrt, während grade dort
das Mobiliarvermögen nur selten versichert ist.

Noch kläglicher indeß ist das Sachverhältniß in Betreff der deutschen
Lebensversicherungen. Es bestehen dermalen nur 39 solche Anstalten
in den deutschen Ländern, ganz Preußen und die deutsche Schweiz mit ein¬
begriffen. Davon kommen

23 auf den norddeutschen Bund, und zwar: 15 auf Preußen, 2 auf
Sachsen, 1 auf Mecklenburg, 1 auf Braunschwetg. 1 auf Coburg-
Gotha und 3 auf die Hansestädte.
5 auf Süddeutschland, und zwar: 1 auf Bayern, 2 auf Württemberg,
1 auf Baden und 1 auf Hessen.
9 auf Oestreich innerhalb der ehemaligen Bundesgrenzen und
2 auf die deutsche Schweiz.

Außer diesen 39 Anstalten bestehen noch die „Bremer Lebensversicherungs¬
bank", die „norddeutsche Lebensversicherungsbank in Berlin" und die Deutsche
„Lebens-, Penstons- und Rentenversicherungsanstalt in Potsdam", welche


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[0355] ner ein Capital von 80,304 Millionen Franken in 86 Gesellschaften ver¬ sichert. In England beläuft sich das gegen Feuer versicherte Vermögen bei einer Bevölkerung von 30 Millionen Einwohner auf 30,000 Mill. Franken oder 7500 Mill. Thaler. In beiden Ländern ist die Versicherung mithin im Verhältniß zur Bevölkerung eine ungleich höhere als bei uns — namentlich in Frankreich. Bei dem großen Nutzen, der, abgesehen von der allgemeinen Wohlfahrt des Landes, durch die Sicherung des Vermögens schon für die einzelne Fa¬ milie sich ergibt, muß man sich über diesen Unterschied in der That wun¬ dern. Die Zeiten, wo man den Abgebrannten von Seiten der Obrigkeit schriftliche Zeugnisse über den erlittenen Schaden, sogenannte Brandbriefe gab und sie damit durch das ganze Land wandern ließ, um auf den Brand zu betteln, sind doch längst vorüber. Industrien jeder Art vermehren sich auf außerordentliche Weise und vergrößern die Feuersgefatzr. An die Stelle der Handwerkstätten mit ihren unschuldigeren Handfeuern, ihren Leimtöpfen und Plätteisenrosten (deren Risiko stets mit einem Eimer Wasser beherrscht werden konnte) stehen kleinere und größere Fabriken zwischen Wohngebäuden und Waarenlagern. Auch der Handel und die Spedition haben andere Dimen¬ sionen angenommen und sind größeren Gefahren ausgesetzt; ein Verkehr, der sonst auf Rädern von Tausend Frachtwagen durch das Land kroch, wandert jetzt auf Eisenbahnen und Wasserstraßen in ungleich größeren Massen und in weitere Fernen ohne Unterschied der Qualität, und daher ohne Trennung der feuergefährlichen Gegenstände von den ungefährlichen. Und wie hat nicht erst das moderne Ackerbausystem in den kleineren Städten, wie auf dem flachen Lande die wirthschaftlichen Gefahren vermehrt, während grade dort das Mobiliarvermögen nur selten versichert ist. Noch kläglicher indeß ist das Sachverhältniß in Betreff der deutschen Lebensversicherungen. Es bestehen dermalen nur 39 solche Anstalten in den deutschen Ländern, ganz Preußen und die deutsche Schweiz mit ein¬ begriffen. Davon kommen 23 auf den norddeutschen Bund, und zwar: 15 auf Preußen, 2 auf Sachsen, 1 auf Mecklenburg, 1 auf Braunschwetg. 1 auf Coburg- Gotha und 3 auf die Hansestädte. 5 auf Süddeutschland, und zwar: 1 auf Bayern, 2 auf Württemberg, 1 auf Baden und 1 auf Hessen. 9 auf Oestreich innerhalb der ehemaligen Bundesgrenzen und 2 auf die deutsche Schweiz. Außer diesen 39 Anstalten bestehen noch die „Bremer Lebensversicherungs¬ bank", die „norddeutsche Lebensversicherungsbank in Berlin" und die Deutsche „Lebens-, Penstons- und Rentenversicherungsanstalt in Potsdam", welche 44*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/355>, abgerufen am 24.08.2024.