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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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der strengeren Grundsätze seiner eigenen Kunst, auf Kosten des edlen Ernstes
im Ausdruck, der reinen Formgebung und Proportion. Aber ist das Bild
wirklich von Dürer's Hand? Die Stilkritik wird bei diesem befremdlichen
Sachverhalt manche Bedenken haben. Man ist versucht, an Catena oder
Basaiti zu denken, aber dennoch ist es Dürer's Arbeit, wir wenigstens
halten es entschieden dafür. Schade nur, daß fast die ganze Uebermalung
abgeschunden und dadurch grade der Reiz der ausgeführteren Theile verloren
gegangen ist.

Nur zwei oder drei Dürer'sche Werke aus derselben Periode lassen sich
diesem hier gegenüberstellen. Das eine ist die Madonna in Strahow (Maria
von Heiligen umgeben, den Kaiser Max mit Rosen krönend); auch dieses
arg lädirt, aber es enthält einen zu Füßen Maria's auf der Viola spielenden
Engel, welcher beweist, daß Dürer, wenn es seinem Zweck entsprach, auch
bellineske Züge- entlehnte. Hierher gehört denn auch der gekreuzigte Christus
aus der Sammlung Böhm, jetzt im Dresdener Museum, mit der Jahres¬
zahl 1306 (nicht 1500!), wo Hintergrund und Landschaft ganz die Farben¬
stimmung der Venezianer und dabei die wunderbarste Detailvollendung haben.
Bekundet jenes Salvator-Mit den Einfluß der Venezianer deutlich genug,
so ist er auch in diesem Crucifixus wahrnehmbar, aber uns dünkt, daß selbst
die Venezianer an diesem Werke noch hätten lernen können. Denn angesichts
dieses Bildes möchte sich Tizian wohl gedrungen gefühlt haben, seinen Farben¬
reiz noch durch einige Detailausführungen zu erhöhen. -- Dr. v> Zahn hat in
einer trefflichen Monographie seine Ansichten über den Einfluß der Re-
naissancekunst auf Dürer dargelegt. Wenn er die Frage künftig wieder
aufnimmt, wird er auch den Punkt, den wir hier berühren, näher ins Auge
zu fassen haben; denn erschöpft ist er noch lange nicht.

Einige andere sogenannte Dürer in der Münchener Ausstellung erregen
kein besonderes Interesse. Das Studium zu einem Kopfe, mit dem Monogramm
und der Jahreszahl 1311 (Besitz des Herrn Professor Metzger in Augs¬
burg) ist völlig übermalt. Das dem Grafen Törring gehörige Porträt eines
alten Mannes mit dem Datum 1520 ist moderne Replik des dem Hans von
Kulmbach zugeschriebenen angeblichen Jakob Fugger im Berliner Museum
oder desselben Bildes in Tempera, welches die Pinakothek in München besitzt.
Der "Christus unter den Schriftgelehrten" (Sammlung des Grafen Salm)
mit Monogramm, durchaus neu, wird von Einigen für ein Hoffmann'sches
Machwerk angesehen.

Aus Holzschuher'sehen Besitz aber sind zwei Porträts von Dürer's Hand
ausgestellt. Das eine (Bes. Herr Regierungsrath v. Holzschuher in Augs-
burg), ein alter Mann von feurig rothem Teint, in den Lichtpartien etwas


Grenzboten IV. 1869. 4

der strengeren Grundsätze seiner eigenen Kunst, auf Kosten des edlen Ernstes
im Ausdruck, der reinen Formgebung und Proportion. Aber ist das Bild
wirklich von Dürer's Hand? Die Stilkritik wird bei diesem befremdlichen
Sachverhalt manche Bedenken haben. Man ist versucht, an Catena oder
Basaiti zu denken, aber dennoch ist es Dürer's Arbeit, wir wenigstens
halten es entschieden dafür. Schade nur, daß fast die ganze Uebermalung
abgeschunden und dadurch grade der Reiz der ausgeführteren Theile verloren
gegangen ist.

Nur zwei oder drei Dürer'sche Werke aus derselben Periode lassen sich
diesem hier gegenüberstellen. Das eine ist die Madonna in Strahow (Maria
von Heiligen umgeben, den Kaiser Max mit Rosen krönend); auch dieses
arg lädirt, aber es enthält einen zu Füßen Maria's auf der Viola spielenden
Engel, welcher beweist, daß Dürer, wenn es seinem Zweck entsprach, auch
bellineske Züge- entlehnte. Hierher gehört denn auch der gekreuzigte Christus
aus der Sammlung Böhm, jetzt im Dresdener Museum, mit der Jahres¬
zahl 1306 (nicht 1500!), wo Hintergrund und Landschaft ganz die Farben¬
stimmung der Venezianer und dabei die wunderbarste Detailvollendung haben.
Bekundet jenes Salvator-Mit den Einfluß der Venezianer deutlich genug,
so ist er auch in diesem Crucifixus wahrnehmbar, aber uns dünkt, daß selbst
die Venezianer an diesem Werke noch hätten lernen können. Denn angesichts
dieses Bildes möchte sich Tizian wohl gedrungen gefühlt haben, seinen Farben¬
reiz noch durch einige Detailausführungen zu erhöhen. — Dr. v> Zahn hat in
einer trefflichen Monographie seine Ansichten über den Einfluß der Re-
naissancekunst auf Dürer dargelegt. Wenn er die Frage künftig wieder
aufnimmt, wird er auch den Punkt, den wir hier berühren, näher ins Auge
zu fassen haben; denn erschöpft ist er noch lange nicht.

Einige andere sogenannte Dürer in der Münchener Ausstellung erregen
kein besonderes Interesse. Das Studium zu einem Kopfe, mit dem Monogramm
und der Jahreszahl 1311 (Besitz des Herrn Professor Metzger in Augs¬
burg) ist völlig übermalt. Das dem Grafen Törring gehörige Porträt eines
alten Mannes mit dem Datum 1520 ist moderne Replik des dem Hans von
Kulmbach zugeschriebenen angeblichen Jakob Fugger im Berliner Museum
oder desselben Bildes in Tempera, welches die Pinakothek in München besitzt.
Der „Christus unter den Schriftgelehrten" (Sammlung des Grafen Salm)
mit Monogramm, durchaus neu, wird von Einigen für ein Hoffmann'sches
Machwerk angesehen.

Aus Holzschuher'sehen Besitz aber sind zwei Porträts von Dürer's Hand
ausgestellt. Das eine (Bes. Herr Regierungsrath v. Holzschuher in Augs-
burg), ein alter Mann von feurig rothem Teint, in den Lichtpartien etwas


Grenzboten IV. 1869. 4
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/33>, abgerufen am 22.07.2024.