Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.Wahlbezirken, die sie mit einer größern oder geringern Zahl von Landgemeinden Es würde die Grenzen der Darstellung überschreiten heißen, wenn wir Wahlbezirken, die sie mit einer größern oder geringern Zahl von Landgemeinden Es würde die Grenzen der Darstellung überschreiten heißen, wenn wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0326" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/122081"/> <p xml:id="ID_911" prev="#ID_910"> Wahlbezirken, die sie mit einer größern oder geringern Zahl von Landgemeinden<lb/> bilden, numerisch vornnstehen und die Wahl in der Hand haben oder doch<lb/> den Ausschlag bei denselben herbeiführen können. Das städtische Element<lb/> findet auf diese Weise, da die Gemeindeabgeordneten häufig auch aus'Städtern<lb/> gewählt werden, im Verhältniß zur wiiklichen Vertretung der Städte und<lb/> im Hinblick auf ihre gemeinderechtliche Stellung eine starke Vertretung. Die<lb/> Landgemeinden sehen sich in minder begünstigter Lage, allein auch ihnen fällt<lb/> in der Kategorie der Kreisabgeordneten thatsächlich in den Wahlbezirken, die<lb/> sie allein bilden, eine eigene Vertretung zu. Der große Grundbesitz endlich<lb/> besitzt eine unmittelbare Vertretung, die bei seiner verschwindenden Bedeu¬<lb/> tung wie bei der bisher nur lauen Betheiligung seiner Mitglieder reichlich<lb/> bemessen erscheint.. In dieser Bemerkung über das Vertretungssystem soll<lb/> kein Tadel irgendwelcher Art liegen. Mit Recht läßt sich sagen, daß der<lb/> Gesetzgeber in dem Wahlsystem Alles aufgeboten hat, Sonderunterschieden<lb/> entgegenzuwirken und dem auf dem Staatsbürgerrecht, nicht auf dem Ge¬<lb/> meindebürgerrecht ruhenden Kreiswahlrecht rein staatsbürgerlichen Ausdruck<lb/> zu sichern.' Mit Recht läßt sich fragen, ob der Gesetzgeber das ihm vor¬<lb/> schwebende Ziel in anderer Weise habe anstreben können. Indessen zeigt sich<lb/> hier — und das will die Bemerkung veranschaulichen — wie die Unter¬<lb/> schiede von Stadt, Land und großem Grundbesitz, selbst wo die Gesetzgebung<lb/> ihnen im Allgemeinen Geltung versagt, und kein äußerer Anlaß gegeben ist,<lb/> ihnen Geltung zu gewähren, dennoch unmittelbar oder mittelbar zur Gel¬<lb/> tung kommen und wie sie thatsächlich in höherem Maße zur Geltung kom¬<lb/> men, als der Gesetzgeber angenommen und erwartet haben mag. In den<lb/> Kreisversammlungen treten übrigens die Unterschiede kaum oder gar nicht zu<lb/> Tage. Das gleiche Stimmrecht, das Fehlen der illo in Portes, das Vor¬<lb/> wiegen der allgemein politischen Gesichtspunkte lassen die Mitglieder sich<lb/> parteimäßig, nicht ständemäßig mischen. Den Versammlungen ist dabei, wie<lb/> hervorgehoben zu werden verdient, polirische Discussion so gut wie fern ge¬<lb/> blieben, wogegen bei den Wahlen politische Strebungen und zum Theil in<lb/> energischer Weise sich gezeigt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_912" next="#ID_913"> Es würde die Grenzen der Darstellung überschreiten heißen, wenn wir<lb/> eine Parallele mit dem vom Kreisordnungsentwurf aufgestellten Vertretungs-<lb/> system ziehen wollten. Manche Vergleichung ergibt sich von selbst, manche<lb/> Verschiedenheit tritt von selbst entgegen. Beachtenswert!) ist vor Allem die<lb/> Berücksichtigung der großen Grundbesitzer. Sie beweist, daß der badische Ge¬<lb/> setzgeber keineswegs einen bloßen Wahlschematismus herstellen, sondern die<lb/> wirklich vorhandenen Vertretungselemente in seinem System vereinigen<lb/> wollte. Die Bestimmung über das Rouliren enthält eine wesentliche<lb/> Beschränkung des Vertretungsrechts, scheint sich aber auch praktisch zu<lb/> bewähren. Auf die Liste der größten Grundbesitzer steht immer die<lb/> doppelte Zahl der Vertretungsberechtigten, so daß die Einberufung der<lb/> nachrückenden Grundbesitzer ohne Umstände zu bewirken ist. Ueber die<lb/> Betheiligung der größern Grundbesitzer und Gewerbtreibenden bei den Kreis-<lb/> avgeordnelenwahlen als Civilwahlmänner fehlen uns unmittelbare Wahr¬<lb/> nehmungen. Die Bestimmung bekundet das Bestreben die wichtigste Kategorie<lb/> der gewählten Mitglieder aus einer vielartigen Wahlmännerschafc hervorgehen<lb/> zu lassen, verleiht dem Wahlsystem aber eine gewisse Unübersichtlichkeit und<lb/> Unbestiwmbarkeit und will unter dem beherrschenden Eindruck des all¬<lb/> gemeinen directen Wahlrechts nicht mehr recht zeitgemäß erscheinen. Der Ge¬<lb/> setzgeber würde die Bestimmung vielleicht selbst von der Hand weisen, wenn<lb/> er das Vertrelungssystem heute schaffen sollte. Die Knüpfung des Wahl-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0326]
Wahlbezirken, die sie mit einer größern oder geringern Zahl von Landgemeinden
bilden, numerisch vornnstehen und die Wahl in der Hand haben oder doch
den Ausschlag bei denselben herbeiführen können. Das städtische Element
findet auf diese Weise, da die Gemeindeabgeordneten häufig auch aus'Städtern
gewählt werden, im Verhältniß zur wiiklichen Vertretung der Städte und
im Hinblick auf ihre gemeinderechtliche Stellung eine starke Vertretung. Die
Landgemeinden sehen sich in minder begünstigter Lage, allein auch ihnen fällt
in der Kategorie der Kreisabgeordneten thatsächlich in den Wahlbezirken, die
sie allein bilden, eine eigene Vertretung zu. Der große Grundbesitz endlich
besitzt eine unmittelbare Vertretung, die bei seiner verschwindenden Bedeu¬
tung wie bei der bisher nur lauen Betheiligung seiner Mitglieder reichlich
bemessen erscheint.. In dieser Bemerkung über das Vertretungssystem soll
kein Tadel irgendwelcher Art liegen. Mit Recht läßt sich sagen, daß der
Gesetzgeber in dem Wahlsystem Alles aufgeboten hat, Sonderunterschieden
entgegenzuwirken und dem auf dem Staatsbürgerrecht, nicht auf dem Ge¬
meindebürgerrecht ruhenden Kreiswahlrecht rein staatsbürgerlichen Ausdruck
zu sichern.' Mit Recht läßt sich fragen, ob der Gesetzgeber das ihm vor¬
schwebende Ziel in anderer Weise habe anstreben können. Indessen zeigt sich
hier — und das will die Bemerkung veranschaulichen — wie die Unter¬
schiede von Stadt, Land und großem Grundbesitz, selbst wo die Gesetzgebung
ihnen im Allgemeinen Geltung versagt, und kein äußerer Anlaß gegeben ist,
ihnen Geltung zu gewähren, dennoch unmittelbar oder mittelbar zur Gel¬
tung kommen und wie sie thatsächlich in höherem Maße zur Geltung kom¬
men, als der Gesetzgeber angenommen und erwartet haben mag. In den
Kreisversammlungen treten übrigens die Unterschiede kaum oder gar nicht zu
Tage. Das gleiche Stimmrecht, das Fehlen der illo in Portes, das Vor¬
wiegen der allgemein politischen Gesichtspunkte lassen die Mitglieder sich
parteimäßig, nicht ständemäßig mischen. Den Versammlungen ist dabei, wie
hervorgehoben zu werden verdient, polirische Discussion so gut wie fern ge¬
blieben, wogegen bei den Wahlen politische Strebungen und zum Theil in
energischer Weise sich gezeigt haben.
Es würde die Grenzen der Darstellung überschreiten heißen, wenn wir
eine Parallele mit dem vom Kreisordnungsentwurf aufgestellten Vertretungs-
system ziehen wollten. Manche Vergleichung ergibt sich von selbst, manche
Verschiedenheit tritt von selbst entgegen. Beachtenswert!) ist vor Allem die
Berücksichtigung der großen Grundbesitzer. Sie beweist, daß der badische Ge¬
setzgeber keineswegs einen bloßen Wahlschematismus herstellen, sondern die
wirklich vorhandenen Vertretungselemente in seinem System vereinigen
wollte. Die Bestimmung über das Rouliren enthält eine wesentliche
Beschränkung des Vertretungsrechts, scheint sich aber auch praktisch zu
bewähren. Auf die Liste der größten Grundbesitzer steht immer die
doppelte Zahl der Vertretungsberechtigten, so daß die Einberufung der
nachrückenden Grundbesitzer ohne Umstände zu bewirken ist. Ueber die
Betheiligung der größern Grundbesitzer und Gewerbtreibenden bei den Kreis-
avgeordnelenwahlen als Civilwahlmänner fehlen uns unmittelbare Wahr¬
nehmungen. Die Bestimmung bekundet das Bestreben die wichtigste Kategorie
der gewählten Mitglieder aus einer vielartigen Wahlmännerschafc hervorgehen
zu lassen, verleiht dem Wahlsystem aber eine gewisse Unübersichtlichkeit und
Unbestiwmbarkeit und will unter dem beherrschenden Eindruck des all¬
gemeinen directen Wahlrechts nicht mehr recht zeitgemäß erscheinen. Der Ge¬
setzgeber würde die Bestimmung vielleicht selbst von der Hand weisen, wenn
er das Vertrelungssystem heute schaffen sollte. Die Knüpfung des Wahl-
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