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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Mecklenburg-Strelitz hat sich durch diese Maßregel zu einer der ersten
Papiergeldmächte Deutschlands emporgeschwungen. Denn die preußischen
Staatscassenscheine fallen nur mit ^ Thlr. auf den Kopf der Bevölkerung,
im Königreich Sachsen und in Sachsen-Meiningen trägt der Kopf S Thlr.,
in Schwarzburg-Sondershausen 7 Thlr., während die Strelitzischen Rentei-
cassenscheiue mit 8 Thlr. auf dem Kopf der Bevölkerung lasten. Aber
eben dieses Uebermaß und die fast herausfordernde Stellung, welche die Re¬
gierung durch diese ihre neueste Finanzmaßregel dem Reichstage gegenüber
einnimmt, haben nur die Bedenken neu beleben und verstärken können,
welche von Anfang an in den nächstbetheiligten Kreisen sich gegen die Aus¬
gabe der Rentescassenscheine geltend machten.

Die strelitzische Regierung berief sich schon in der ersten Emission zur
Motivirung derselben nicht nur auf die bevorstehenden Einzahlungen auf die
gezeichneten Eisenbahnactini, sondern auch auf das Verkehrsbedürfniß, welchem
damit entgegengekommen werden solle, und die zweite Emission ist, nach An¬
gabe der Regierung sogar lediglich durch das Verkehrsbedürfniß hervorgerufen,
und zwar durch ein solches, welches erst durch die erste Emission erzeugt
worden ist. Die Regierung kann aber wohl selbst kaum an dieses Verkehrs¬
bedürfniß glauben. Sonst würde sie schwerlich die allmälige Wiedereinziehung
der ausgegebenen Cassenscheine nach Vollendung des projectirten Eisenbahn¬
baues angeordnet haben, eine Anordnung, die freilich bei der zweiten
Emission, wegen der inzwischen verschwundenen Aussicht auf die Eisenbahn,
nicht wiederholt werden konnte. In Wirklichkeit eristirt jedenfalls ein solches
Verkehrsbedürfniß nicht, welches durch die Ausgaben von Strelitzischen Rentei-
cassenscheine" seine Befriedigung erlangte. Denn es fehlen diesen Scheinen
alle Eigenschaften, welche die Vorbedingung eines leichten, unbehinderten
Umlaufs bilden. Die beiden Cassen, welche angewiesen sind, die Scheine auf
Verlangen in baares Geld umzusetzen, befinden sich an Orten, welche an dem
Handels- und Geldverkehr nur in sehr bescheidenem Maße betheiligt sind.
Die Einlösbarkeit erleidet überdies die Beschränkung, daß nur Beträge von
mindestens SO Thlr. präsentirt werden dürfen, so daß der einzelne Cassenschein
für sich überhaupt nicht einlösbar ist. Fundirt sind die Scheine auf die Ein¬
künfte aus den Domänen. Mögen diese nun auch hinreichen, um einen Be-
trag an Papiergeld von 800,000 Thlr. wenigstens im Laufe der Jahre zu
decken, so weiß man doch einestheils nicht, auf welche Weise im gegebenen
Falle der Anspruch auf dieselben rechtlich geltend zu machen wäre, andern-
theils enthält diese Sicherheit keine Gewähr für die jederzeitige prompte Ein¬
lösung der Scheine. Für letztere ist gar keine Vorkehrung getroffn,, und es
ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß bei irgend starkem Andrange der
Scheine keine von beiden Cassen ihrer Verpflichtung zu sofortiger Einlösung


Mecklenburg-Strelitz hat sich durch diese Maßregel zu einer der ersten
Papiergeldmächte Deutschlands emporgeschwungen. Denn die preußischen
Staatscassenscheine fallen nur mit ^ Thlr. auf den Kopf der Bevölkerung,
im Königreich Sachsen und in Sachsen-Meiningen trägt der Kopf S Thlr.,
in Schwarzburg-Sondershausen 7 Thlr., während die Strelitzischen Rentei-
cassenscheiue mit 8 Thlr. auf dem Kopf der Bevölkerung lasten. Aber
eben dieses Uebermaß und die fast herausfordernde Stellung, welche die Re¬
gierung durch diese ihre neueste Finanzmaßregel dem Reichstage gegenüber
einnimmt, haben nur die Bedenken neu beleben und verstärken können,
welche von Anfang an in den nächstbetheiligten Kreisen sich gegen die Aus¬
gabe der Rentescassenscheine geltend machten.

Die strelitzische Regierung berief sich schon in der ersten Emission zur
Motivirung derselben nicht nur auf die bevorstehenden Einzahlungen auf die
gezeichneten Eisenbahnactini, sondern auch auf das Verkehrsbedürfniß, welchem
damit entgegengekommen werden solle, und die zweite Emission ist, nach An¬
gabe der Regierung sogar lediglich durch das Verkehrsbedürfniß hervorgerufen,
und zwar durch ein solches, welches erst durch die erste Emission erzeugt
worden ist. Die Regierung kann aber wohl selbst kaum an dieses Verkehrs¬
bedürfniß glauben. Sonst würde sie schwerlich die allmälige Wiedereinziehung
der ausgegebenen Cassenscheine nach Vollendung des projectirten Eisenbahn¬
baues angeordnet haben, eine Anordnung, die freilich bei der zweiten
Emission, wegen der inzwischen verschwundenen Aussicht auf die Eisenbahn,
nicht wiederholt werden konnte. In Wirklichkeit eristirt jedenfalls ein solches
Verkehrsbedürfniß nicht, welches durch die Ausgaben von Strelitzischen Rentei-
cassenscheine» seine Befriedigung erlangte. Denn es fehlen diesen Scheinen
alle Eigenschaften, welche die Vorbedingung eines leichten, unbehinderten
Umlaufs bilden. Die beiden Cassen, welche angewiesen sind, die Scheine auf
Verlangen in baares Geld umzusetzen, befinden sich an Orten, welche an dem
Handels- und Geldverkehr nur in sehr bescheidenem Maße betheiligt sind.
Die Einlösbarkeit erleidet überdies die Beschränkung, daß nur Beträge von
mindestens SO Thlr. präsentirt werden dürfen, so daß der einzelne Cassenschein
für sich überhaupt nicht einlösbar ist. Fundirt sind die Scheine auf die Ein¬
künfte aus den Domänen. Mögen diese nun auch hinreichen, um einen Be-
trag an Papiergeld von 800,000 Thlr. wenigstens im Laufe der Jahre zu
decken, so weiß man doch einestheils nicht, auf welche Weise im gegebenen
Falle der Anspruch auf dieselben rechtlich geltend zu machen wäre, andern-
theils enthält diese Sicherheit keine Gewähr für die jederzeitige prompte Ein¬
lösung der Scheine. Für letztere ist gar keine Vorkehrung getroffn,, und es
ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß bei irgend starkem Andrange der
Scheine keine von beiden Cassen ihrer Verpflichtung zu sofortiger Einlösung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/246>, abgerufen am 24.08.2024.