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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Einwechselungscassen wurden die Großherzogliche Rentei zu Neustrelitz und
die Hauptcasse zu Schönberg, in dem mit der strelitzischen Krone durch Perso¬
nalunion verbundenen Fürstenthum Ratzeburg bestimmt. Doch wird diese
Einwechselung auf Beträge von SO Thlr. an beschränkt. Ein späterer Erlaß
bezeichnete als Zeit der Einwechselung die gewöhnlichen Dienststunden bei
den genannten beiden Cassen von 10 bis 1 Uhr Vormittags.

Das Mittel zur Bezahlung der gezeichneten Actien war hiermit also
beschafft und die Mecklenburg-Strelitzer konnten einstweilen sich desselben "zur
Förderung des Geldverkehrs" bedienen.

Sie waren hierauf um so mehr angewiesen, als im ganzen Verlauf des
Jahres 1867 von dem Eisenbahnbau nichts weiter zu hören war und diese
Stille erst im jDecember desselben Jahres dadurch unterbrochen ward, daß ein
neuer Antrag auf Beihilfe zu dem Bau an die Stände erging. Diesmal
waren es nur 16,000 Thlr. für die Meile, was der Großherzog von seiner
getreuen Ritter- und Landschaft verlangte. Ein Ritter aus dem Stargardi¬
schen erklärte es bei der Verhandlung über diese Proposition für ein gutes
Geschäft, wenn man für dasselbe Geld, welches man sonst zu einer Meile
Chaussee als Beihilfe gebe, jetzt eine Eisenbahn erhalten könne, und die Stände
sich dieser Ansicht anschließend. bewilligten ohne alle Schwierigkeit die ge¬
forderte Summe aus der Centralsteuerccisse, indem sie nur die Bedingung
machten, daß der Bau im Jahre 1868 beginne und in drei Jahren beendigt
werde.

Bald darauf erschien in einer Extrabeilage der "Neustrelitzer Zeitung"
ein neuer Aufruf zu kräftiger Betheiligung an der Actienzeichnung, unter¬
schrieben von A. Kellmann, einem in Neustrelitz wohnenden Banquier. Der
Aufruf wandte sich sehr eindringlich an die Bewohner der Städte Neustrelitz,
Fürstenberg, Strelitz, Stargard und Neubrandenburg, an die Ritterguts¬
besitzer, Domainenpächter und sonstigen Interessenten und forderte zu raschem
Handeln auf, damit die Arbeit im ersten Frühling angefangen werden könne.

Es muß aber wohl der Eifer im Zeichnen von Actien auch jetzt die
erwartete Höhe nicht erreicht haben. Denn nach einer abermaligen Pause
las man in öffentlichen Blättern eine vom 8. December 1868 datirte An¬
kündigung des Gründungscomite' der Berliner Nordbahn -- diesen Namen
hatte dasselbe auf Grund einer Erweiterung des ursprünglichen Plans an¬
genommen -- daß es sich genöthigt sehe, das Project vorläufig aufzugeben,
und daher die ohnehin nur für ein Jahr giltigen Actienzeichnungen den
Zeichnern zurückstellen werde.

Das Project blieb seitdem auf sich beruhen. Ob ein in Berlin unter
der hohen Protection des Fürsten zu Putbus und des Prinzen Biron von
Curland unternommener Versuch, dasselbe in erweiterter Gestalt (als Project


Einwechselungscassen wurden die Großherzogliche Rentei zu Neustrelitz und
die Hauptcasse zu Schönberg, in dem mit der strelitzischen Krone durch Perso¬
nalunion verbundenen Fürstenthum Ratzeburg bestimmt. Doch wird diese
Einwechselung auf Beträge von SO Thlr. an beschränkt. Ein späterer Erlaß
bezeichnete als Zeit der Einwechselung die gewöhnlichen Dienststunden bei
den genannten beiden Cassen von 10 bis 1 Uhr Vormittags.

Das Mittel zur Bezahlung der gezeichneten Actien war hiermit also
beschafft und die Mecklenburg-Strelitzer konnten einstweilen sich desselben „zur
Förderung des Geldverkehrs" bedienen.

Sie waren hierauf um so mehr angewiesen, als im ganzen Verlauf des
Jahres 1867 von dem Eisenbahnbau nichts weiter zu hören war und diese
Stille erst im jDecember desselben Jahres dadurch unterbrochen ward, daß ein
neuer Antrag auf Beihilfe zu dem Bau an die Stände erging. Diesmal
waren es nur 16,000 Thlr. für die Meile, was der Großherzog von seiner
getreuen Ritter- und Landschaft verlangte. Ein Ritter aus dem Stargardi¬
schen erklärte es bei der Verhandlung über diese Proposition für ein gutes
Geschäft, wenn man für dasselbe Geld, welches man sonst zu einer Meile
Chaussee als Beihilfe gebe, jetzt eine Eisenbahn erhalten könne, und die Stände
sich dieser Ansicht anschließend. bewilligten ohne alle Schwierigkeit die ge¬
forderte Summe aus der Centralsteuerccisse, indem sie nur die Bedingung
machten, daß der Bau im Jahre 1868 beginne und in drei Jahren beendigt
werde.

Bald darauf erschien in einer Extrabeilage der „Neustrelitzer Zeitung"
ein neuer Aufruf zu kräftiger Betheiligung an der Actienzeichnung, unter¬
schrieben von A. Kellmann, einem in Neustrelitz wohnenden Banquier. Der
Aufruf wandte sich sehr eindringlich an die Bewohner der Städte Neustrelitz,
Fürstenberg, Strelitz, Stargard und Neubrandenburg, an die Ritterguts¬
besitzer, Domainenpächter und sonstigen Interessenten und forderte zu raschem
Handeln auf, damit die Arbeit im ersten Frühling angefangen werden könne.

Es muß aber wohl der Eifer im Zeichnen von Actien auch jetzt die
erwartete Höhe nicht erreicht haben. Denn nach einer abermaligen Pause
las man in öffentlichen Blättern eine vom 8. December 1868 datirte An¬
kündigung des Gründungscomite' der Berliner Nordbahn — diesen Namen
hatte dasselbe auf Grund einer Erweiterung des ursprünglichen Plans an¬
genommen — daß es sich genöthigt sehe, das Project vorläufig aufzugeben,
und daher die ohnehin nur für ein Jahr giltigen Actienzeichnungen den
Zeichnern zurückstellen werde.

Das Project blieb seitdem auf sich beruhen. Ob ein in Berlin unter
der hohen Protection des Fürsten zu Putbus und des Prinzen Biron von
Curland unternommener Versuch, dasselbe in erweiterter Gestalt (als Project


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[0244] Einwechselungscassen wurden die Großherzogliche Rentei zu Neustrelitz und die Hauptcasse zu Schönberg, in dem mit der strelitzischen Krone durch Perso¬ nalunion verbundenen Fürstenthum Ratzeburg bestimmt. Doch wird diese Einwechselung auf Beträge von SO Thlr. an beschränkt. Ein späterer Erlaß bezeichnete als Zeit der Einwechselung die gewöhnlichen Dienststunden bei den genannten beiden Cassen von 10 bis 1 Uhr Vormittags. Das Mittel zur Bezahlung der gezeichneten Actien war hiermit also beschafft und die Mecklenburg-Strelitzer konnten einstweilen sich desselben „zur Förderung des Geldverkehrs" bedienen. Sie waren hierauf um so mehr angewiesen, als im ganzen Verlauf des Jahres 1867 von dem Eisenbahnbau nichts weiter zu hören war und diese Stille erst im jDecember desselben Jahres dadurch unterbrochen ward, daß ein neuer Antrag auf Beihilfe zu dem Bau an die Stände erging. Diesmal waren es nur 16,000 Thlr. für die Meile, was der Großherzog von seiner getreuen Ritter- und Landschaft verlangte. Ein Ritter aus dem Stargardi¬ schen erklärte es bei der Verhandlung über diese Proposition für ein gutes Geschäft, wenn man für dasselbe Geld, welches man sonst zu einer Meile Chaussee als Beihilfe gebe, jetzt eine Eisenbahn erhalten könne, und die Stände sich dieser Ansicht anschließend. bewilligten ohne alle Schwierigkeit die ge¬ forderte Summe aus der Centralsteuerccisse, indem sie nur die Bedingung machten, daß der Bau im Jahre 1868 beginne und in drei Jahren beendigt werde. Bald darauf erschien in einer Extrabeilage der „Neustrelitzer Zeitung" ein neuer Aufruf zu kräftiger Betheiligung an der Actienzeichnung, unter¬ schrieben von A. Kellmann, einem in Neustrelitz wohnenden Banquier. Der Aufruf wandte sich sehr eindringlich an die Bewohner der Städte Neustrelitz, Fürstenberg, Strelitz, Stargard und Neubrandenburg, an die Ritterguts¬ besitzer, Domainenpächter und sonstigen Interessenten und forderte zu raschem Handeln auf, damit die Arbeit im ersten Frühling angefangen werden könne. Es muß aber wohl der Eifer im Zeichnen von Actien auch jetzt die erwartete Höhe nicht erreicht haben. Denn nach einer abermaligen Pause las man in öffentlichen Blättern eine vom 8. December 1868 datirte An¬ kündigung des Gründungscomite' der Berliner Nordbahn — diesen Namen hatte dasselbe auf Grund einer Erweiterung des ursprünglichen Plans an¬ genommen — daß es sich genöthigt sehe, das Project vorläufig aufzugeben, und daher die ohnehin nur für ein Jahr giltigen Actienzeichnungen den Zeichnern zurückstellen werde. Das Project blieb seitdem auf sich beruhen. Ob ein in Berlin unter der hohen Protection des Fürsten zu Putbus und des Prinzen Biron von Curland unternommener Versuch, dasselbe in erweiterter Gestalt (als Project

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/244>, abgerufen am 22.07.2024.