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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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durch ein dreimaliges Hoch auf den Großherzog Ausdruck. Am 29. Ok¬
tober 1865 bewegte sich eine zahlreiche, aus allen Ständen zusammengesetzte
Deputation von Neustrelitzern unter Anführung des Bürgermeisters der Stadt,
Rath Fischer, in feierlichem Zuge nach dem Großherzoglichen Schlosse, um,
wie es in dem officiösen Blatt heißt, dem Großherzog Friedrich Wilhelm
"den Dank der'Stadt für die bisherigen, zu Gunsten des Berlin-Neustrelitz-
Stralsunder Eisenbahnbaues bethätigten Beweise landesväterlicher Huld zu
Füßen zu legen." Der Großherzog zeigte sich hoch erfreut über diesen Ein¬
druck seiner Handlungsweise. Er ließ sich mit den Deputirten in ein längeres
Gespräch ein, wobei er auch Veranlassung nahm, sich über den Bauunter¬
nehmer Sir Morton Pedo näher auszusprechen. Dieser Mann sei seiner Ge¬
mahlin, der Großherzogin (welche eine englische Prinzessin, eine Tochter des
verstorbenen Herzogs Adolph Friedrich von Cambridge ist) genauer bekannt
und man dürfe, wie er wisse, seiner ganzen Persönlichkeit und seiner politi¬
schen und socialen Stellung nach -- er sei auch Parlamentsmitglied! -- zu
ihm das Vertrauen hegen, daß er das Unternehmen aller Schwierigkeiten un¬
geachtet zum endlichen glücklichen Ziele durchführen werde.

Auf Seiten der Strelitzischen Regierung hatte man übrigens auch jetzt
die Hoffnung noch keinesweges aufgegeben, durch erneuerte Anträge auf
Beihilfe an die Stände das Opfer der landesherrlichen Casse verringern zu
können. Auf dem Landtage von 186S wurde in dem dritten eaxut xropo-
nenäum die Bewilligung einer Landeshilfe von 30,000 Thlr. für die Meile
beantragt. Da das Land in einer Länge von 7 bis 8 Meilen von der Eisen¬
bahn durchschnitten werden sollte, so betrug der geforderte Zuschuß, welcher
nach Landessitte ohne Anspruch auf Theilnahme an der Dividende, also als
reines Geschenk an die landesherrliche Casse darzubringen war, die Summe
von 210.000 bis 240,000 Thlr. Die Stände glaubten sich jetzt der Be¬
willigung nicht länger entziehen zu können. Sie handelten nur an der For¬
derung noch etwas herunter, indem sie die Bewilligung auf 25,000 Thlr.
für die Meile und auf das Maximum von 200,000 Thlr. beschränkten. Sie
knüpften an diese Bewilligung auch noch verschiedene Bedingungen und Vor¬
aussetzungen. Zunächst verwahrten sie sich im Voraus gegen jede aus ihrer
Bewilligung später abzuleitende Verpflichtung zu Nachzahlungen. Sodann
bedangen sie, daß die Beihilfe erst nach Vollendung der Bahn gezahlt und
der Bau spätestens im Jahre 1867 beginnen und im Jahre 1870 vollendet
sein solle; auch wollten sie an ihre Bewilligung nur für den Fall der Fort¬
dauer des Friedens gebunden sein. Der Großherzog ließ den Ständen wegen
dieser ihm gewährten Beihilfe seine lebhafte Befriedigung ausdrücken. Er
nahm auch die Bedingungen im Uebrigen bereitwillig an, nur mit Aus¬
nahme der Vollendung der Bahn bis zum Jahre 1870, und der Landtags-


durch ein dreimaliges Hoch auf den Großherzog Ausdruck. Am 29. Ok¬
tober 1865 bewegte sich eine zahlreiche, aus allen Ständen zusammengesetzte
Deputation von Neustrelitzern unter Anführung des Bürgermeisters der Stadt,
Rath Fischer, in feierlichem Zuge nach dem Großherzoglichen Schlosse, um,
wie es in dem officiösen Blatt heißt, dem Großherzog Friedrich Wilhelm
„den Dank der'Stadt für die bisherigen, zu Gunsten des Berlin-Neustrelitz-
Stralsunder Eisenbahnbaues bethätigten Beweise landesväterlicher Huld zu
Füßen zu legen." Der Großherzog zeigte sich hoch erfreut über diesen Ein¬
druck seiner Handlungsweise. Er ließ sich mit den Deputirten in ein längeres
Gespräch ein, wobei er auch Veranlassung nahm, sich über den Bauunter¬
nehmer Sir Morton Pedo näher auszusprechen. Dieser Mann sei seiner Ge¬
mahlin, der Großherzogin (welche eine englische Prinzessin, eine Tochter des
verstorbenen Herzogs Adolph Friedrich von Cambridge ist) genauer bekannt
und man dürfe, wie er wisse, seiner ganzen Persönlichkeit und seiner politi¬
schen und socialen Stellung nach — er sei auch Parlamentsmitglied! — zu
ihm das Vertrauen hegen, daß er das Unternehmen aller Schwierigkeiten un¬
geachtet zum endlichen glücklichen Ziele durchführen werde.

Auf Seiten der Strelitzischen Regierung hatte man übrigens auch jetzt
die Hoffnung noch keinesweges aufgegeben, durch erneuerte Anträge auf
Beihilfe an die Stände das Opfer der landesherrlichen Casse verringern zu
können. Auf dem Landtage von 186S wurde in dem dritten eaxut xropo-
nenäum die Bewilligung einer Landeshilfe von 30,000 Thlr. für die Meile
beantragt. Da das Land in einer Länge von 7 bis 8 Meilen von der Eisen¬
bahn durchschnitten werden sollte, so betrug der geforderte Zuschuß, welcher
nach Landessitte ohne Anspruch auf Theilnahme an der Dividende, also als
reines Geschenk an die landesherrliche Casse darzubringen war, die Summe
von 210.000 bis 240,000 Thlr. Die Stände glaubten sich jetzt der Be¬
willigung nicht länger entziehen zu können. Sie handelten nur an der For¬
derung noch etwas herunter, indem sie die Bewilligung auf 25,000 Thlr.
für die Meile und auf das Maximum von 200,000 Thlr. beschränkten. Sie
knüpften an diese Bewilligung auch noch verschiedene Bedingungen und Vor¬
aussetzungen. Zunächst verwahrten sie sich im Voraus gegen jede aus ihrer
Bewilligung später abzuleitende Verpflichtung zu Nachzahlungen. Sodann
bedangen sie, daß die Beihilfe erst nach Vollendung der Bahn gezahlt und
der Bau spätestens im Jahre 1867 beginnen und im Jahre 1870 vollendet
sein solle; auch wollten sie an ihre Bewilligung nur für den Fall der Fort¬
dauer des Friedens gebunden sein. Der Großherzog ließ den Ständen wegen
dieser ihm gewährten Beihilfe seine lebhafte Befriedigung ausdrücken. Er
nahm auch die Bedingungen im Uebrigen bereitwillig an, nur mit Aus¬
nahme der Vollendung der Bahn bis zum Jahre 1870, und der Landtags-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/242>, abgerufen am 22.07.2024.