zu erzielen. Inzwischen hat der Justizminister Pironti einige Verordnungen erlassen, welche zeigen, daß die Minister, durch den Strike der Kammer im Stich gelassen, ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem Lande wohl bewußt sind. Ein Rundschreiben an die Justizbehörden fordert zu strenger Hand¬ habung des Gesetzes bei Preßvergehen auf und einige Mitglieder des Nichter- standes in Mailand und Bergamo sind auf dem Verordnungswege auf an¬ dere Posten versetzt worden, weil sie sich bei der Jnstruirung von politischen Prozessen schwach und unzuverlässig gezeigt hatten. Damit ist die Hand an zwei der allerwundesten Flecke gelegt. Die Rechtspflege ist bei Verbrechen politischer Natur vielfach geradezu illusorisch geworden. Von Mordthaten, die auf politischen Motiven beruhen, bleiben die meisten unentdeckt, viele unbestraft; schon weil in der Regel Zeugenverhöre nicht herzustellen sind. Es hängt dies zusammen mit jenem Mangel an moralischem Muth, der vor Allem den gemäßigten Elementen der Gesellschaft anhaftet. Auch in Italien wird das Bürgerthum erst durch Schaden belehrt werden, daß ein freisinni¬ ges Staatswesen die höchsten Anforderungen an den Bürgermuth stellt, wenn es nicht den anarchischen Parteien anheimfallen soll. Im absoluten Staat sorgt die Behörde für den Bürger, im freien Staat muß er selbst sür sich sorgen und sich seiner Haut wehren. So sehlt es auch noch ganz an einer energischen Gegenwirkung gegen die kleine Skandalpresse, die in der That in Italien einen äußersten Grad von Frechheit und Niedrigkeit erreicht hat und bei einem so leicht entzündlichen, dem albernsten Gerede zugänglichen Volk doppelt corrumpirend wirkt. Daß wenigstens die bestehenden Gesetze mit Strenge angewendet werden, ist das Mindeste, was im Interesse der Selbsterhaltung der Gesellschaft geschehen muß. Und nicht Wenige sind der allerdings bedenklichen Meinung, daß das Preßedikt vom Jahr 1848 un¬ zureichend sei und durch ein neues Gesetz ersetzt werden müsse, das insbeson¬ dere den Begriff der Verantwortlichkeit -- den Gesetzen in anderen constitu- tionellen Ländern entsprechend -- schärfer definirte und den Behörden in Fällen von systematischer Schmähung der Staatseinrichtungen einen weiteren Spielraum gewährte. ,
Wie die radicale Presse über diese ersten Symptome einer Ermannung des Ministeriums herfiel und im Besonderen über die "abtrünnigen Ver¬ räther" -- Pironti war einst nebst den Poerio an die bourbonischen Ga¬ leeren geschmiedet -- läßt sich denken. Allein im Ministerium selbst kamen bei diesem Anlaß innere Differenzen zu Tag und konnten nur mit Mühe beigelegt werden. Ebenso gingen die Meinungen über die Opportunist der Kammerauflösung auseinander, die von Ferrara als dem hierbei zunächst be¬ theiligten Minister bis jetzt energisch bekämpft wurde, obwohl an ein ge¬ deihliches Zusammenwirken mit der gegenwärtigen Kammer nicht mehr zu
zu erzielen. Inzwischen hat der Justizminister Pironti einige Verordnungen erlassen, welche zeigen, daß die Minister, durch den Strike der Kammer im Stich gelassen, ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem Lande wohl bewußt sind. Ein Rundschreiben an die Justizbehörden fordert zu strenger Hand¬ habung des Gesetzes bei Preßvergehen auf und einige Mitglieder des Nichter- standes in Mailand und Bergamo sind auf dem Verordnungswege auf an¬ dere Posten versetzt worden, weil sie sich bei der Jnstruirung von politischen Prozessen schwach und unzuverlässig gezeigt hatten. Damit ist die Hand an zwei der allerwundesten Flecke gelegt. Die Rechtspflege ist bei Verbrechen politischer Natur vielfach geradezu illusorisch geworden. Von Mordthaten, die auf politischen Motiven beruhen, bleiben die meisten unentdeckt, viele unbestraft; schon weil in der Regel Zeugenverhöre nicht herzustellen sind. Es hängt dies zusammen mit jenem Mangel an moralischem Muth, der vor Allem den gemäßigten Elementen der Gesellschaft anhaftet. Auch in Italien wird das Bürgerthum erst durch Schaden belehrt werden, daß ein freisinni¬ ges Staatswesen die höchsten Anforderungen an den Bürgermuth stellt, wenn es nicht den anarchischen Parteien anheimfallen soll. Im absoluten Staat sorgt die Behörde für den Bürger, im freien Staat muß er selbst sür sich sorgen und sich seiner Haut wehren. So sehlt es auch noch ganz an einer energischen Gegenwirkung gegen die kleine Skandalpresse, die in der That in Italien einen äußersten Grad von Frechheit und Niedrigkeit erreicht hat und bei einem so leicht entzündlichen, dem albernsten Gerede zugänglichen Volk doppelt corrumpirend wirkt. Daß wenigstens die bestehenden Gesetze mit Strenge angewendet werden, ist das Mindeste, was im Interesse der Selbsterhaltung der Gesellschaft geschehen muß. Und nicht Wenige sind der allerdings bedenklichen Meinung, daß das Preßedikt vom Jahr 1848 un¬ zureichend sei und durch ein neues Gesetz ersetzt werden müsse, das insbeson¬ dere den Begriff der Verantwortlichkeit — den Gesetzen in anderen constitu- tionellen Ländern entsprechend — schärfer definirte und den Behörden in Fällen von systematischer Schmähung der Staatseinrichtungen einen weiteren Spielraum gewährte. ,
Wie die radicale Presse über diese ersten Symptome einer Ermannung des Ministeriums herfiel und im Besonderen über die „abtrünnigen Ver¬ räther" — Pironti war einst nebst den Poerio an die bourbonischen Ga¬ leeren geschmiedet — läßt sich denken. Allein im Ministerium selbst kamen bei diesem Anlaß innere Differenzen zu Tag und konnten nur mit Mühe beigelegt werden. Ebenso gingen die Meinungen über die Opportunist der Kammerauflösung auseinander, die von Ferrara als dem hierbei zunächst be¬ theiligten Minister bis jetzt energisch bekämpft wurde, obwohl an ein ge¬ deihliches Zusammenwirken mit der gegenwärtigen Kammer nicht mehr zu
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zu erzielen. Inzwischen hat der Justizminister Pironti einige Verordnungen
erlassen, welche zeigen, daß die Minister, durch den Strike der Kammer im
Stich gelassen, ihrer Verantwortlichkeit gegenüber dem Lande wohl bewußt
sind. Ein Rundschreiben an die Justizbehörden fordert zu strenger Hand¬
habung des Gesetzes bei Preßvergehen auf und einige Mitglieder des Nichter-
standes in Mailand und Bergamo sind auf dem Verordnungswege auf an¬
dere Posten versetzt worden, weil sie sich bei der Jnstruirung von politischen
Prozessen schwach und unzuverlässig gezeigt hatten. Damit ist die Hand an
zwei der allerwundesten Flecke gelegt. Die Rechtspflege ist bei Verbrechen
politischer Natur vielfach geradezu illusorisch geworden. Von Mordthaten,
die auf politischen Motiven beruhen, bleiben die meisten unentdeckt, viele
unbestraft; schon weil in der Regel Zeugenverhöre nicht herzustellen sind.
Es hängt dies zusammen mit jenem Mangel an moralischem Muth, der vor
Allem den gemäßigten Elementen der Gesellschaft anhaftet. Auch in Italien
wird das Bürgerthum erst durch Schaden belehrt werden, daß ein freisinni¬
ges Staatswesen die höchsten Anforderungen an den Bürgermuth stellt,
wenn es nicht den anarchischen Parteien anheimfallen soll. Im absoluten
Staat sorgt die Behörde für den Bürger, im freien Staat muß er selbst sür
sich sorgen und sich seiner Haut wehren. So sehlt es auch noch ganz an
einer energischen Gegenwirkung gegen die kleine Skandalpresse, die in der
That in Italien einen äußersten Grad von Frechheit und Niedrigkeit erreicht
hat und bei einem so leicht entzündlichen, dem albernsten Gerede zugänglichen
Volk doppelt corrumpirend wirkt. Daß wenigstens die bestehenden Gesetze
mit Strenge angewendet werden, ist das Mindeste, was im Interesse der
Selbsterhaltung der Gesellschaft geschehen muß. Und nicht Wenige sind der
allerdings bedenklichen Meinung, daß das Preßedikt vom Jahr 1848 un¬
zureichend sei und durch ein neues Gesetz ersetzt werden müsse, das insbeson¬
dere den Begriff der Verantwortlichkeit — den Gesetzen in anderen constitu-
tionellen Ländern entsprechend — schärfer definirte und den Behörden in
Fällen von systematischer Schmähung der Staatseinrichtungen einen weiteren
Spielraum gewährte. ,
Wie die radicale Presse über diese ersten Symptome einer Ermannung
des Ministeriums herfiel und im Besonderen über die „abtrünnigen Ver¬
räther" — Pironti war einst nebst den Poerio an die bourbonischen Ga¬
leeren geschmiedet — läßt sich denken. Allein im Ministerium selbst kamen
bei diesem Anlaß innere Differenzen zu Tag und konnten nur mit Mühe
beigelegt werden. Ebenso gingen die Meinungen über die Opportunist der
Kammerauflösung auseinander, die von Ferrara als dem hierbei zunächst be¬
theiligten Minister bis jetzt energisch bekämpft wurde, obwohl an ein ge¬
deihliches Zusammenwirken mit der gegenwärtigen Kammer nicht mehr zu
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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/21>, abgerufen am 22.01.2025.
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