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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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dessen, was sich dem Beobachter aufdrängt, wird Ihnen zeigen, daß die
Holländer auf dem Wege zu richtigerer Würdigung deutscher Zustände lang¬
sam fortschreiten, daß aber Viele ihre alte Abneigung noch nicht verleugnen
können.

Ein Paar liberale Zeitungen haben in den letzten Wochen ihr Publikum
in wirklich unparteiischer Weise mit den deutschen Verhältnissen bekannt zu
machen versucht. Es war erfreulich, daß endlich Stimmen laut wurden,
welche mit Ruhe und Würde lang gehegten Vorurtheilen begegneten und
falsche Anschauungen widerlegten. Daß die Tagesblätter ihren Beruf so spät be¬
griffen haben, liegt vielleicht in dem seit dem 1. Juli veränderten Zustande der¬
selben. Der frühere hohe Zeitungsstempel verurtheilte sie, ihre Spalten mit
Nachrichten aus den billigsten Quellen zu füllen. Seitdem diese Steuer unter¬
drückt ist, kann man eine merkliche Verbesserung in unserer Zeitungsliteratur
bemerken; man sieht, daß bessere Kräfte sich dem früher verachteten Fach
der "Courantenschreiber" gewidmet haben.

Die betreffenden Artikel bezweckten nichts Anderes, als die übertriebene
Furcht vor Preußen zu bekämpfen und auf die Gefahr aufmerksam zu machen,
in welche die Niederländer gerathen könnten, wenn sie sich durch unbegründete,
leidenschaftliche Abneigung einen mächtigen Nachbarn zum Feinde machten.
Es wurde gezeigt, daß die Vereinigung Deutschlands zu einem Staat, der
berechtigte Wunsch des Volkes und in der geschichtlichen Entwickelung be¬
gründet sei; daß Preußen der einzige Staat sei, diese Vereinigung zu be¬
werkstelligen, und daß es unrichtig sei, diesem Reiche wegen seiner Einver¬
leibung kleinerer deutscher Länder auch Gelüste nach fremdem, außerdeutschen
Besitz zuzuschreiben. Diese Artikel haben bei der konservativen Presse und
auch bei einigen liberalen Blättern Anstoß erregt. Von der ersten wurden
die betreffenden Zeitungen beschuldigt, daß sie sich an Preußen verkauft
hätten; man ging selbst so weit unsere, Negierung als abhängig von der
preußischen darzustellen. Ohne sich auf den Gegenstand selbst einzulassen,
ergehen diese konservativen Blätter sich in gehässigen Insinuationen und
werfen der liberalen Partei vor, daß sie das Vaterland an Preußen ver¬
rathen wolle. Es ist dies eine Methode der Polemik, die bis vor Kurzem
die meisten unserer Zeitungen verunzierte, und an der leider unser Publikum
noch viel Geschmack findet. Selbst liberale Blätter haben ihre Schwestern
das Handelsblad und Vaterland, welche die in Frage stehenden Artikel
brachten, zu großer Preußenliebe beschuldigt, und die Abneigung der Holländer
gegen diesen "Staat" durch die bei demselben noch bestehenden Gelüste nach
den Rheinmündungen begründet. Die obengenannten Zeitungen haben ihre
Artikel über die deutschen Zustände hauptsächlich zu Folge dessen gebracht,
was in letzter Zeit von der deutschen Presse über unser gegenseitiges Ver-


dessen, was sich dem Beobachter aufdrängt, wird Ihnen zeigen, daß die
Holländer auf dem Wege zu richtigerer Würdigung deutscher Zustände lang¬
sam fortschreiten, daß aber Viele ihre alte Abneigung noch nicht verleugnen
können.

Ein Paar liberale Zeitungen haben in den letzten Wochen ihr Publikum
in wirklich unparteiischer Weise mit den deutschen Verhältnissen bekannt zu
machen versucht. Es war erfreulich, daß endlich Stimmen laut wurden,
welche mit Ruhe und Würde lang gehegten Vorurtheilen begegneten und
falsche Anschauungen widerlegten. Daß die Tagesblätter ihren Beruf so spät be¬
griffen haben, liegt vielleicht in dem seit dem 1. Juli veränderten Zustande der¬
selben. Der frühere hohe Zeitungsstempel verurtheilte sie, ihre Spalten mit
Nachrichten aus den billigsten Quellen zu füllen. Seitdem diese Steuer unter¬
drückt ist, kann man eine merkliche Verbesserung in unserer Zeitungsliteratur
bemerken; man sieht, daß bessere Kräfte sich dem früher verachteten Fach
der „Courantenschreiber" gewidmet haben.

Die betreffenden Artikel bezweckten nichts Anderes, als die übertriebene
Furcht vor Preußen zu bekämpfen und auf die Gefahr aufmerksam zu machen,
in welche die Niederländer gerathen könnten, wenn sie sich durch unbegründete,
leidenschaftliche Abneigung einen mächtigen Nachbarn zum Feinde machten.
Es wurde gezeigt, daß die Vereinigung Deutschlands zu einem Staat, der
berechtigte Wunsch des Volkes und in der geschichtlichen Entwickelung be¬
gründet sei; daß Preußen der einzige Staat sei, diese Vereinigung zu be¬
werkstelligen, und daß es unrichtig sei, diesem Reiche wegen seiner Einver¬
leibung kleinerer deutscher Länder auch Gelüste nach fremdem, außerdeutschen
Besitz zuzuschreiben. Diese Artikel haben bei der konservativen Presse und
auch bei einigen liberalen Blättern Anstoß erregt. Von der ersten wurden
die betreffenden Zeitungen beschuldigt, daß sie sich an Preußen verkauft
hätten; man ging selbst so weit unsere, Negierung als abhängig von der
preußischen darzustellen. Ohne sich auf den Gegenstand selbst einzulassen,
ergehen diese konservativen Blätter sich in gehässigen Insinuationen und
werfen der liberalen Partei vor, daß sie das Vaterland an Preußen ver¬
rathen wolle. Es ist dies eine Methode der Polemik, die bis vor Kurzem
die meisten unserer Zeitungen verunzierte, und an der leider unser Publikum
noch viel Geschmack findet. Selbst liberale Blätter haben ihre Schwestern
das Handelsblad und Vaterland, welche die in Frage stehenden Artikel
brachten, zu großer Preußenliebe beschuldigt, und die Abneigung der Holländer
gegen diesen „Staat" durch die bei demselben noch bestehenden Gelüste nach
den Rheinmündungen begründet. Die obengenannten Zeitungen haben ihre
Artikel über die deutschen Zustände hauptsächlich zu Folge dessen gebracht,
was in letzter Zeit von der deutschen Presse über unser gegenseitiges Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/190>, abgerufen am 15.01.2025.