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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Literatur.
Aus den Memoiren eines russischen Dekabristen. (Leipzig, S. Hirzel.)

Das lebhafte Interesse, welches den einzelnen in den Grenzboten veröffentlichten
Skizzen aus dem Leben des vielgeprüften russischen Verschwörers vom December 1825
gefolgt war, hatte eine frühere, als die bei uns sonst sür solche Fälle übliche Ver¬
öffentlichung des gesammten Werks wünschenswerth gemacht. Indem wir unsere
Leser mit dem Erscheinen des Werks bekannt machen, haben wir nicht nöthig, auf
Werth und Eigenthümlichkeit seines Inhalts noch besonders hinzuweisen; die
Bekanntschaft mit einem einzigen der von uns mitgetheilten Abschnitte genügte dem kun¬
digen Leser zu dem Eindruck, daß wir es mit einem ebenso wahrheitsgetreuer wie
anziehenden Bericht über einen Lebenslauf zu thun haben, wie er merkwürdiger kaum
gedacht werden kann. Ganz abgesehen von den Verhältnissen, mit denen des Autors
Aufenthalt in Petersburger Kasematten, sibirischen Gefängnissen und kaukasischen
Burgvesten uns bekannt macht, ist die hocharistokratische Verschwörung zu Gunsten
einer demokratischen Verfassungsänderung an und für sich für ihren Schauplatz und
ihre Theilnehmer ebenso charakteristisch, wie für den Leser neu und anziehend.
Gegenüber einem Publicum, das mit einem Theil dieser Aufzeichnungen bereits be¬
kannt und für dieselben interessirt ist, wird besonderer Nachdruck darauf zu legen
sein, daß die Mittheilungen der Grenzboten keineswegs mit dem Inhalt des ge¬
sammten Werks identisch sind. Neu ist vor Allem der Eingang, der die Ge¬
schichte der geheimen Gesellschaften oder vielmehr der revolutionairen Ideen in Ru߬
land in ihrem Zusammenhange darstellt und aus ihren Ursprung, das philosophische
Jahrhundert, zurückführt; neu sind ferner die Nachrichten über den von Pestel und
den Brüdern Murawjew-Apostol geleiteten Bund des Südens und dessen unglücklichen
Erhebungsversuch; ebenso die ausführlichen Verzeichnisse aller zu den verschiedenen
Zweigen der Verschwörung gehörigen Personen, der wider sie gefällten Urtheile und
spätere Modification. Endlich sind die Berichte über des Verfassers Aufenthalt in
Sibirien durch zwei Abschnitte vervollständigt, welche die Reise von Petrowsk nach
Kurgan und den jahrelangen Aufenthalt in dem genannten Städtchen schildern, das
ein Menschenalter früher das Exil Kotzebue's gewesen war. Den Schluß bilden die
Reise in den Kaukasus, der zweijährige Aufenthalt in den verschiedenen Theilen die¬
ses merkwürdigen und wenig bekannten Landes und die Begnadigung des Ver¬
fassers, der seine politischen Irrthümer mit dem Verlust der schönsten Lebensjahre
und seiner Gesundheit theuer genug gebüßt hatte.

Wir wünschen diesem Buch die Verbreitung, welche dasselbe als erste deutsche
-Quelle zur Geschichte des Aufstandes von 182S und zugleich als Bericht über die
Schicksale eines wackeren, ungebrochenen Mannes verdient.




Revolutionsbilder aus Spanien. Von Michael Klapp. (Hannover bei
bei Rümpler.)

Das Wiener Feuilleton hat in Norddeutschland von Alters her keinen be-


Literatur.
Aus den Memoiren eines russischen Dekabristen. (Leipzig, S. Hirzel.)

Das lebhafte Interesse, welches den einzelnen in den Grenzboten veröffentlichten
Skizzen aus dem Leben des vielgeprüften russischen Verschwörers vom December 1825
gefolgt war, hatte eine frühere, als die bei uns sonst sür solche Fälle übliche Ver¬
öffentlichung des gesammten Werks wünschenswerth gemacht. Indem wir unsere
Leser mit dem Erscheinen des Werks bekannt machen, haben wir nicht nöthig, auf
Werth und Eigenthümlichkeit seines Inhalts noch besonders hinzuweisen; die
Bekanntschaft mit einem einzigen der von uns mitgetheilten Abschnitte genügte dem kun¬
digen Leser zu dem Eindruck, daß wir es mit einem ebenso wahrheitsgetreuer wie
anziehenden Bericht über einen Lebenslauf zu thun haben, wie er merkwürdiger kaum
gedacht werden kann. Ganz abgesehen von den Verhältnissen, mit denen des Autors
Aufenthalt in Petersburger Kasematten, sibirischen Gefängnissen und kaukasischen
Burgvesten uns bekannt macht, ist die hocharistokratische Verschwörung zu Gunsten
einer demokratischen Verfassungsänderung an und für sich für ihren Schauplatz und
ihre Theilnehmer ebenso charakteristisch, wie für den Leser neu und anziehend.
Gegenüber einem Publicum, das mit einem Theil dieser Aufzeichnungen bereits be¬
kannt und für dieselben interessirt ist, wird besonderer Nachdruck darauf zu legen
sein, daß die Mittheilungen der Grenzboten keineswegs mit dem Inhalt des ge¬
sammten Werks identisch sind. Neu ist vor Allem der Eingang, der die Ge¬
schichte der geheimen Gesellschaften oder vielmehr der revolutionairen Ideen in Ru߬
land in ihrem Zusammenhange darstellt und aus ihren Ursprung, das philosophische
Jahrhundert, zurückführt; neu sind ferner die Nachrichten über den von Pestel und
den Brüdern Murawjew-Apostol geleiteten Bund des Südens und dessen unglücklichen
Erhebungsversuch; ebenso die ausführlichen Verzeichnisse aller zu den verschiedenen
Zweigen der Verschwörung gehörigen Personen, der wider sie gefällten Urtheile und
spätere Modification. Endlich sind die Berichte über des Verfassers Aufenthalt in
Sibirien durch zwei Abschnitte vervollständigt, welche die Reise von Petrowsk nach
Kurgan und den jahrelangen Aufenthalt in dem genannten Städtchen schildern, das
ein Menschenalter früher das Exil Kotzebue's gewesen war. Den Schluß bilden die
Reise in den Kaukasus, der zweijährige Aufenthalt in den verschiedenen Theilen die¬
ses merkwürdigen und wenig bekannten Landes und die Begnadigung des Ver¬
fassers, der seine politischen Irrthümer mit dem Verlust der schönsten Lebensjahre
und seiner Gesundheit theuer genug gebüßt hatte.

Wir wünschen diesem Buch die Verbreitung, welche dasselbe als erste deutsche
-Quelle zur Geschichte des Aufstandes von 182S und zugleich als Bericht über die
Schicksale eines wackeren, ungebrochenen Mannes verdient.




Revolutionsbilder aus Spanien. Von Michael Klapp. (Hannover bei
bei Rümpler.)

Das Wiener Feuilleton hat in Norddeutschland von Alters her keinen be-


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[0084] Literatur. Aus den Memoiren eines russischen Dekabristen. (Leipzig, S. Hirzel.) Das lebhafte Interesse, welches den einzelnen in den Grenzboten veröffentlichten Skizzen aus dem Leben des vielgeprüften russischen Verschwörers vom December 1825 gefolgt war, hatte eine frühere, als die bei uns sonst sür solche Fälle übliche Ver¬ öffentlichung des gesammten Werks wünschenswerth gemacht. Indem wir unsere Leser mit dem Erscheinen des Werks bekannt machen, haben wir nicht nöthig, auf Werth und Eigenthümlichkeit seines Inhalts noch besonders hinzuweisen; die Bekanntschaft mit einem einzigen der von uns mitgetheilten Abschnitte genügte dem kun¬ digen Leser zu dem Eindruck, daß wir es mit einem ebenso wahrheitsgetreuer wie anziehenden Bericht über einen Lebenslauf zu thun haben, wie er merkwürdiger kaum gedacht werden kann. Ganz abgesehen von den Verhältnissen, mit denen des Autors Aufenthalt in Petersburger Kasematten, sibirischen Gefängnissen und kaukasischen Burgvesten uns bekannt macht, ist die hocharistokratische Verschwörung zu Gunsten einer demokratischen Verfassungsänderung an und für sich für ihren Schauplatz und ihre Theilnehmer ebenso charakteristisch, wie für den Leser neu und anziehend. Gegenüber einem Publicum, das mit einem Theil dieser Aufzeichnungen bereits be¬ kannt und für dieselben interessirt ist, wird besonderer Nachdruck darauf zu legen sein, daß die Mittheilungen der Grenzboten keineswegs mit dem Inhalt des ge¬ sammten Werks identisch sind. Neu ist vor Allem der Eingang, der die Ge¬ schichte der geheimen Gesellschaften oder vielmehr der revolutionairen Ideen in Ru߬ land in ihrem Zusammenhange darstellt und aus ihren Ursprung, das philosophische Jahrhundert, zurückführt; neu sind ferner die Nachrichten über den von Pestel und den Brüdern Murawjew-Apostol geleiteten Bund des Südens und dessen unglücklichen Erhebungsversuch; ebenso die ausführlichen Verzeichnisse aller zu den verschiedenen Zweigen der Verschwörung gehörigen Personen, der wider sie gefällten Urtheile und spätere Modification. Endlich sind die Berichte über des Verfassers Aufenthalt in Sibirien durch zwei Abschnitte vervollständigt, welche die Reise von Petrowsk nach Kurgan und den jahrelangen Aufenthalt in dem genannten Städtchen schildern, das ein Menschenalter früher das Exil Kotzebue's gewesen war. Den Schluß bilden die Reise in den Kaukasus, der zweijährige Aufenthalt in den verschiedenen Theilen die¬ ses merkwürdigen und wenig bekannten Landes und die Begnadigung des Ver¬ fassers, der seine politischen Irrthümer mit dem Verlust der schönsten Lebensjahre und seiner Gesundheit theuer genug gebüßt hatte. Wir wünschen diesem Buch die Verbreitung, welche dasselbe als erste deutsche -Quelle zur Geschichte des Aufstandes von 182S und zugleich als Bericht über die Schicksale eines wackeren, ungebrochenen Mannes verdient. Revolutionsbilder aus Spanien. Von Michael Klapp. (Hannover bei bei Rümpler.) Das Wiener Feuilleton hat in Norddeutschland von Alters her keinen be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/84>, abgerufen am 29.06.2024.