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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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dem Unterhause Recht gibt, so ist die Sache entschieden, die Nation trägt die
Verantwortlichkeit und es ist weder räthlich noch würdig, ihr zu widerstehen.
Im gegenwärtigen Falle ist die Sache klar, die Nation hat sich für die Auf¬
hebung der irischen Staatskirche ausgesprochen und die Consequenzen daraus
sind unvermeidlich. Aber in den Details der Maßregel ist die Regierung
weit über den Austrag hinausgegangen, welchen sie von den Wählerschaften
empfangen. Die gegenwärtigen Minister haben ausdrücklich vor den Wahlen
erklärt, daß das Parlament frei darüber zu bestimmen habe, wie weit die
Einziehung des Kirchengutes gehen solle. Die Bill ist schädlich, weil sie den
Protestanten fast Alles nimmt, welche sich im Vertrauen auf den Schutz der
Regierung in Irland niedergelassen und als ihre sicherste Stütze bewährt
haben. Wir müssen deshalb die Bill verbessern und die Regierung kann un"
fere Verbesserungen nicht zurückweisen, denn das englische Volk würde sich
gegen den populärsten Minister wenden, der versuchen wollte, seinen Sieg
starlköpfig zu mißbrauchen. Compromiß ist das wahre Wesen brittischer Po¬
litik und sein Geist, der durch unsere ganze Geschichte geht, kann nicht plötz¬
lich durch eine große Majorität gebannt werden. Die Regierung weiß, aus
welchem See-ff große Majoritäten gemacht sind. Wollte sie aber dennoch
unsere Amendements vownsen. wie anders wird dann unsere Stellung sein?
Kann Mr. Gladstone wegen Detailfragen an das Volk appelliren. um die
Verfassung zu zerstören und das Oberhaus abzuschaffen? Nein, das Volk
tritt immer für große und weite Principien ein, welche einen Wendepunct
unserer Geschichte bilden, aber es läßt die Entscheidung der Ausführung im
Detail den Factoren, denen die Verfassung sie anvertraut hat. Wenn Sie,
Mylorcs, die zweite Lesung verweigern, so acceptiren Sie den Kampfplatz,
den Ihre Gegner Ihnen anbieten, statt den einzunehmen, welchen Sie sich
selbst wählen können."

In der That, so war es. Niemand hoffte mehr auf die Verwerfung der
Bill als die Radikalen, welche einen Conflict zwischen den Lords und der
Nation wünschten, um denselben zum Ausgangspuncte eines Kampfes gegen
die Siellung der erblichen Paine zu machen; das ist in dem landlosen Briefe
Bright's, den zu entschuldigen Lord Granvilles dornige Aufgabe war, deut¬
lich zwischen den Zeilen zu lesen. Um so mehr freuen wir uns mit allen
Gemäßigten, daß die Weisheit der Majorität diesen Plan zu Schanden
machte. Es ist kein Kleines, daß in einer Zeit wo der Imperialismus und
die Demokratie grassiren, die brittische Aristokratie den Ruhm traditioneller,
festgewurzelter Institutionen aufrecht hält.

Die Frage, die jetzt den Peers vorliegt, ist also die Verbesserung der
Bill in der Comittberathung. Dabei handelt es sich darum, wie weit können
die Abänderungen gehen, wo hört das Detail auf und wo fängt das Princip


dem Unterhause Recht gibt, so ist die Sache entschieden, die Nation trägt die
Verantwortlichkeit und es ist weder räthlich noch würdig, ihr zu widerstehen.
Im gegenwärtigen Falle ist die Sache klar, die Nation hat sich für die Auf¬
hebung der irischen Staatskirche ausgesprochen und die Consequenzen daraus
sind unvermeidlich. Aber in den Details der Maßregel ist die Regierung
weit über den Austrag hinausgegangen, welchen sie von den Wählerschaften
empfangen. Die gegenwärtigen Minister haben ausdrücklich vor den Wahlen
erklärt, daß das Parlament frei darüber zu bestimmen habe, wie weit die
Einziehung des Kirchengutes gehen solle. Die Bill ist schädlich, weil sie den
Protestanten fast Alles nimmt, welche sich im Vertrauen auf den Schutz der
Regierung in Irland niedergelassen und als ihre sicherste Stütze bewährt
haben. Wir müssen deshalb die Bill verbessern und die Regierung kann un»
fere Verbesserungen nicht zurückweisen, denn das englische Volk würde sich
gegen den populärsten Minister wenden, der versuchen wollte, seinen Sieg
starlköpfig zu mißbrauchen. Compromiß ist das wahre Wesen brittischer Po¬
litik und sein Geist, der durch unsere ganze Geschichte geht, kann nicht plötz¬
lich durch eine große Majorität gebannt werden. Die Regierung weiß, aus
welchem See-ff große Majoritäten gemacht sind. Wollte sie aber dennoch
unsere Amendements vownsen. wie anders wird dann unsere Stellung sein?
Kann Mr. Gladstone wegen Detailfragen an das Volk appelliren. um die
Verfassung zu zerstören und das Oberhaus abzuschaffen? Nein, das Volk
tritt immer für große und weite Principien ein, welche einen Wendepunct
unserer Geschichte bilden, aber es läßt die Entscheidung der Ausführung im
Detail den Factoren, denen die Verfassung sie anvertraut hat. Wenn Sie,
Mylorcs, die zweite Lesung verweigern, so acceptiren Sie den Kampfplatz,
den Ihre Gegner Ihnen anbieten, statt den einzunehmen, welchen Sie sich
selbst wählen können."

In der That, so war es. Niemand hoffte mehr auf die Verwerfung der
Bill als die Radikalen, welche einen Conflict zwischen den Lords und der
Nation wünschten, um denselben zum Ausgangspuncte eines Kampfes gegen
die Siellung der erblichen Paine zu machen; das ist in dem landlosen Briefe
Bright's, den zu entschuldigen Lord Granvilles dornige Aufgabe war, deut¬
lich zwischen den Zeilen zu lesen. Um so mehr freuen wir uns mit allen
Gemäßigten, daß die Weisheit der Majorität diesen Plan zu Schanden
machte. Es ist kein Kleines, daß in einer Zeit wo der Imperialismus und
die Demokratie grassiren, die brittische Aristokratie den Ruhm traditioneller,
festgewurzelter Institutionen aufrecht hält.

Die Frage, die jetzt den Peers vorliegt, ist also die Verbesserung der
Bill in der Comittberathung. Dabei handelt es sich darum, wie weit können
die Abänderungen gehen, wo hört das Detail auf und wo fängt das Princip


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/79>, abgerufen am 01.07.2024.