Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Volke zu wecken und groß zu ziehen, Ihre Hoffnung auf das Gedeihen des
Landes basirt auf dieser Grundlage. Um nun dieses Nationalbewußtsein dem
ausgesprochenen Jndisser^'ntismus des Volkes gegenüber wach zu erhalten,
mußte diesem Volke das Fremde als solches, als Gegensatz zu dem nationalen
Element gezeigt, beständig darauf als auf etwas Feindseliges hingewiesen
werden und darauf sind alle jene gegen die Deutschen gerichtet gewesenen
und noch gerichteten Demonstrationen zu reduciren: Gehässigkeiten, die haupt¬
sächlich als künstliches Mittel angewendet wurden. Man weiß hier ganz gut,
was man an den Deutschen hat, und wird sich sehr hüten, sich ernstlich
an ihnen zu versündigen. Ist ja doch die Berufung eines deutschen Fürsten
auf den rumänischen Thron hierfür das beste Beleg. Nichtsdestoweniger liegt
in diesem deutschen Fürsten allein noch lange keine Bürgschaft für das Gedeihen
deutschen Elements in diesen Ländern, der rumänische Fürst ist unter allen
constitutionellen souverainen der allerbeschränkteste. Was Cusa den Bojaren
zum Trotz durchsetzte, geschah nicht aus seiner fürstlichen Machtvollkommenheit,
sondern in Folge eines Plebiscits, das ihm eine zeitweilige discretionärc
Gewalt verlieh, die er dazu anwandte, um die Bauernemancipntion und
andere sür den Neubau des Staates höchst wichtige Grundgesetze -durchzu¬
führen. Ob aber jetzt noch zu einem solchen Mittel Zuflucht genommen
werden könnte -- ist eine große Frage. Cusa kannte seine Leute und war
ein fester, durchgreifend energischer Charakter. Mit eben solcher Leichtigkeit,
wie Cusa beseitigt wurde, kann hier noch anderes Unglaubliche ausgeführt
werden, wenn es einer gewissen Macht daran liegt, daß es geschehen soll.
Las Man doch, und es war noch kein Jahr nach der Thronbesteigung des
Fürsten Hohenzollern verstrichen, an dem Palaste zu Bukarest affischirte
Plakate des Inhalts: "daß dieses Haus wieder zu vermiethen sei."
Der jugendliche Fürst Karl opfert in seiner deutschen treuen Gesinnung dem
Lande seine Schätze, und wird zum Danke dafür lächerlich gemacht, ja sogar
vernachlässigt. Bei einem Diner, zu dem ein fremder Gast, ein Ausländer,
geladen ward, entfaltete der Fürst neulich seine Serviette und es zeigte sich, daß
sie abgenutzt und zerrissen war, "Sehen Sie," sprach er lächelnd zu seinem
Gaste, "wie ich hier bedient werde." Seine strenge Rechtlichkeit und Sitt¬
lichkeit ist den Bojaren ein Dorn im Auge; sie können-nicht begreifen, wie
ein kräftiger junger Mann ein ordentliches Leben zu führen vermöge. Ich
will hier nicht wiederholen, auf welche Proben man den guten Fürsten setzte,
welche Streiche man ihm spielte. Und diese Possen beschäftigten die rumänische
Diplomatie weit mehr, als die brennenden Fragen ihres eigenen Landes.

Um den rumänischen Bojarencharakter richtig zu beurtheilen, muß
man nicht damit anfangen, Sittenlosigknt, Verderbniß u. s. w. in den
Vordergrund zu stellen; die Sache will von ihrem eigentlichen Grunde


Volke zu wecken und groß zu ziehen, Ihre Hoffnung auf das Gedeihen des
Landes basirt auf dieser Grundlage. Um nun dieses Nationalbewußtsein dem
ausgesprochenen Jndisser^'ntismus des Volkes gegenüber wach zu erhalten,
mußte diesem Volke das Fremde als solches, als Gegensatz zu dem nationalen
Element gezeigt, beständig darauf als auf etwas Feindseliges hingewiesen
werden und darauf sind alle jene gegen die Deutschen gerichtet gewesenen
und noch gerichteten Demonstrationen zu reduciren: Gehässigkeiten, die haupt¬
sächlich als künstliches Mittel angewendet wurden. Man weiß hier ganz gut,
was man an den Deutschen hat, und wird sich sehr hüten, sich ernstlich
an ihnen zu versündigen. Ist ja doch die Berufung eines deutschen Fürsten
auf den rumänischen Thron hierfür das beste Beleg. Nichtsdestoweniger liegt
in diesem deutschen Fürsten allein noch lange keine Bürgschaft für das Gedeihen
deutschen Elements in diesen Ländern, der rumänische Fürst ist unter allen
constitutionellen souverainen der allerbeschränkteste. Was Cusa den Bojaren
zum Trotz durchsetzte, geschah nicht aus seiner fürstlichen Machtvollkommenheit,
sondern in Folge eines Plebiscits, das ihm eine zeitweilige discretionärc
Gewalt verlieh, die er dazu anwandte, um die Bauernemancipntion und
andere sür den Neubau des Staates höchst wichtige Grundgesetze -durchzu¬
führen. Ob aber jetzt noch zu einem solchen Mittel Zuflucht genommen
werden könnte — ist eine große Frage. Cusa kannte seine Leute und war
ein fester, durchgreifend energischer Charakter. Mit eben solcher Leichtigkeit,
wie Cusa beseitigt wurde, kann hier noch anderes Unglaubliche ausgeführt
werden, wenn es einer gewissen Macht daran liegt, daß es geschehen soll.
Las Man doch, und es war noch kein Jahr nach der Thronbesteigung des
Fürsten Hohenzollern verstrichen, an dem Palaste zu Bukarest affischirte
Plakate des Inhalts: „daß dieses Haus wieder zu vermiethen sei."
Der jugendliche Fürst Karl opfert in seiner deutschen treuen Gesinnung dem
Lande seine Schätze, und wird zum Danke dafür lächerlich gemacht, ja sogar
vernachlässigt. Bei einem Diner, zu dem ein fremder Gast, ein Ausländer,
geladen ward, entfaltete der Fürst neulich seine Serviette und es zeigte sich, daß
sie abgenutzt und zerrissen war, „Sehen Sie," sprach er lächelnd zu seinem
Gaste, „wie ich hier bedient werde." Seine strenge Rechtlichkeit und Sitt¬
lichkeit ist den Bojaren ein Dorn im Auge; sie können-nicht begreifen, wie
ein kräftiger junger Mann ein ordentliches Leben zu führen vermöge. Ich
will hier nicht wiederholen, auf welche Proben man den guten Fürsten setzte,
welche Streiche man ihm spielte. Und diese Possen beschäftigten die rumänische
Diplomatie weit mehr, als die brennenden Fragen ihres eigenen Landes.

Um den rumänischen Bojarencharakter richtig zu beurtheilen, muß
man nicht damit anfangen, Sittenlosigknt, Verderbniß u. s. w. in den
Vordergrund zu stellen; die Sache will von ihrem eigentlichen Grunde


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121730"/>
            <p xml:id="ID_1546" prev="#ID_1545"> Volke zu wecken und groß zu ziehen, Ihre Hoffnung auf das Gedeihen des<lb/>
Landes basirt auf dieser Grundlage. Um nun dieses Nationalbewußtsein dem<lb/>
ausgesprochenen Jndisser^'ntismus des Volkes gegenüber wach zu erhalten,<lb/>
mußte diesem Volke das Fremde als solches, als Gegensatz zu dem nationalen<lb/>
Element gezeigt, beständig darauf als auf etwas Feindseliges hingewiesen<lb/>
werden und darauf sind alle jene gegen die Deutschen gerichtet gewesenen<lb/>
und noch gerichteten Demonstrationen zu reduciren: Gehässigkeiten, die haupt¬<lb/>
sächlich als künstliches Mittel angewendet wurden. Man weiß hier ganz gut,<lb/>
was man an den Deutschen hat, und wird sich sehr hüten, sich ernstlich<lb/>
an ihnen zu versündigen. Ist ja doch die Berufung eines deutschen Fürsten<lb/>
auf den rumänischen Thron hierfür das beste Beleg. Nichtsdestoweniger liegt<lb/>
in diesem deutschen Fürsten allein noch lange keine Bürgschaft für das Gedeihen<lb/>
deutschen Elements in diesen Ländern, der rumänische Fürst ist unter allen<lb/>
constitutionellen souverainen der allerbeschränkteste. Was Cusa den Bojaren<lb/>
zum Trotz durchsetzte, geschah nicht aus seiner fürstlichen Machtvollkommenheit,<lb/>
sondern in Folge eines Plebiscits, das ihm eine zeitweilige discretionärc<lb/>
Gewalt verlieh, die er dazu anwandte, um die Bauernemancipntion und<lb/>
andere sür den Neubau des Staates höchst wichtige Grundgesetze -durchzu¬<lb/>
führen. Ob aber jetzt noch zu einem solchen Mittel Zuflucht genommen<lb/>
werden könnte &#x2014; ist eine große Frage. Cusa kannte seine Leute und war<lb/>
ein fester, durchgreifend energischer Charakter. Mit eben solcher Leichtigkeit,<lb/>
wie Cusa beseitigt wurde, kann hier noch anderes Unglaubliche ausgeführt<lb/>
werden, wenn es einer gewissen Macht daran liegt, daß es geschehen soll.<lb/>
Las Man doch, und es war noch kein Jahr nach der Thronbesteigung des<lb/>
Fürsten Hohenzollern verstrichen, an dem Palaste zu Bukarest affischirte<lb/>
Plakate des Inhalts: &#x201E;daß dieses Haus wieder zu vermiethen sei."<lb/>
Der jugendliche Fürst Karl opfert in seiner deutschen treuen Gesinnung dem<lb/>
Lande seine Schätze, und wird zum Danke dafür lächerlich gemacht, ja sogar<lb/>
vernachlässigt. Bei einem Diner, zu dem ein fremder Gast, ein Ausländer,<lb/>
geladen ward, entfaltete der Fürst neulich seine Serviette und es zeigte sich, daß<lb/>
sie abgenutzt und zerrissen war, &#x201E;Sehen Sie," sprach er lächelnd zu seinem<lb/>
Gaste, &#x201E;wie ich hier bedient werde." Seine strenge Rechtlichkeit und Sitt¬<lb/>
lichkeit ist den Bojaren ein Dorn im Auge; sie können-nicht begreifen, wie<lb/>
ein kräftiger junger Mann ein ordentliches Leben zu führen vermöge. Ich<lb/>
will hier nicht wiederholen, auf welche Proben man den guten Fürsten setzte,<lb/>
welche Streiche man ihm spielte. Und diese Possen beschäftigten die rumänische<lb/>
Diplomatie weit mehr, als die brennenden Fragen ihres eigenen Landes.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1547" next="#ID_1548"> Um den rumänischen Bojarencharakter richtig zu beurtheilen, muß<lb/>
man nicht damit anfangen, Sittenlosigknt, Verderbniß u. s. w. in den<lb/>
Vordergrund zu stellen; die Sache will von ihrem eigentlichen Grunde</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0509] Volke zu wecken und groß zu ziehen, Ihre Hoffnung auf das Gedeihen des Landes basirt auf dieser Grundlage. Um nun dieses Nationalbewußtsein dem ausgesprochenen Jndisser^'ntismus des Volkes gegenüber wach zu erhalten, mußte diesem Volke das Fremde als solches, als Gegensatz zu dem nationalen Element gezeigt, beständig darauf als auf etwas Feindseliges hingewiesen werden und darauf sind alle jene gegen die Deutschen gerichtet gewesenen und noch gerichteten Demonstrationen zu reduciren: Gehässigkeiten, die haupt¬ sächlich als künstliches Mittel angewendet wurden. Man weiß hier ganz gut, was man an den Deutschen hat, und wird sich sehr hüten, sich ernstlich an ihnen zu versündigen. Ist ja doch die Berufung eines deutschen Fürsten auf den rumänischen Thron hierfür das beste Beleg. Nichtsdestoweniger liegt in diesem deutschen Fürsten allein noch lange keine Bürgschaft für das Gedeihen deutschen Elements in diesen Ländern, der rumänische Fürst ist unter allen constitutionellen souverainen der allerbeschränkteste. Was Cusa den Bojaren zum Trotz durchsetzte, geschah nicht aus seiner fürstlichen Machtvollkommenheit, sondern in Folge eines Plebiscits, das ihm eine zeitweilige discretionärc Gewalt verlieh, die er dazu anwandte, um die Bauernemancipntion und andere sür den Neubau des Staates höchst wichtige Grundgesetze -durchzu¬ führen. Ob aber jetzt noch zu einem solchen Mittel Zuflucht genommen werden könnte — ist eine große Frage. Cusa kannte seine Leute und war ein fester, durchgreifend energischer Charakter. Mit eben solcher Leichtigkeit, wie Cusa beseitigt wurde, kann hier noch anderes Unglaubliche ausgeführt werden, wenn es einer gewissen Macht daran liegt, daß es geschehen soll. Las Man doch, und es war noch kein Jahr nach der Thronbesteigung des Fürsten Hohenzollern verstrichen, an dem Palaste zu Bukarest affischirte Plakate des Inhalts: „daß dieses Haus wieder zu vermiethen sei." Der jugendliche Fürst Karl opfert in seiner deutschen treuen Gesinnung dem Lande seine Schätze, und wird zum Danke dafür lächerlich gemacht, ja sogar vernachlässigt. Bei einem Diner, zu dem ein fremder Gast, ein Ausländer, geladen ward, entfaltete der Fürst neulich seine Serviette und es zeigte sich, daß sie abgenutzt und zerrissen war, „Sehen Sie," sprach er lächelnd zu seinem Gaste, „wie ich hier bedient werde." Seine strenge Rechtlichkeit und Sitt¬ lichkeit ist den Bojaren ein Dorn im Auge; sie können-nicht begreifen, wie ein kräftiger junger Mann ein ordentliches Leben zu führen vermöge. Ich will hier nicht wiederholen, auf welche Proben man den guten Fürsten setzte, welche Streiche man ihm spielte. Und diese Possen beschäftigten die rumänische Diplomatie weit mehr, als die brennenden Fragen ihres eigenen Landes. Um den rumänischen Bojarencharakter richtig zu beurtheilen, muß man nicht damit anfangen, Sittenlosigknt, Verderbniß u. s. w. in den Vordergrund zu stellen; die Sache will von ihrem eigentlichen Grunde

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/509
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/509>, abgerufen am 22.07.2024.