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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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schafften auf diese Art die ersten Culturelemente herbei und legten den Grund
zu einem künftigen Mittelstande. Ihnen nach kamen einzelne versprengte In¬
dividuen aus dem nahen Oestreich, um als Diener oder Hauslehrer in den
Bojarenhäusern Beschäftigung zu suchen. Erst später wagten sich nach ein¬
ander Handwerker aus verschiedenen deutschen Staaten, Kaufleute niederen
Ranges und Architekten ins Land -- fast lauter Leute, die nichts zu ver¬
lieren, alles zu gewinnen hatten. Wie wenig sich auch von diesen Ein¬
wanderern hoffen ließ, sie fanden doch ihre Rechnung und die Resultate ihres
Wirkens blieben auch nicht aus; leider nun war der Gesichtskreis dieser
Leute ein beschränkter, er ging über eine erträgliche bescheidene Lebensstellung
nicht hinaus. Aus den Hauslehrern wurden Beamte, die Dankbarkeit der
Aeltern brachte den fleißigen Lehrer in den Staatsdienst. Hier hätte sich
nun allerdings ein reformatorisches oder eigentlich organisatorisches Wirken
entwickeln können, wenn der Antrieb hierzu in der Natur dieser neuen Be¬
amten gelegen hätte. Auf einmal zu einer gewissen Selbständigkeit und zu
Ansehen gelangt, sahen sie in ihren Amtsstellungen bloße Versorgungen und
gaben sich mit diesen zufrieden. Ihr Ziel war ja erreicht, sie schlossen sich
darin ab und ließen im Uebrigen die Dinge gehen, wie sie eben gingen.
Auch die Industriellen und Kaufleute wußten es zu wirklichem Ansehen nicht
zu bringen und ein paar unglückliche Bankerotte erstickten den deutschen
Credit in der Geburt. Das Ausland hatte zu den rumänischen Verhältnissen
kein Vertrauen und der Handel kam schon darum nicht recht in Zug. Selbst
die Wiener Donau-Dampsschifffahrtgesellschaft, welche das ausschließliche
Privilegium hatte, diesen Strom bis zu seiner Einmündung in das schwarze
Meer mit ihren Schiffen zu befahren, und die den Personen- und Handels¬
verkehr in den verschiedenen Stationen Rumäniens allein vermittelte, ver¬
mochte dem deutschen Unternehmungsgeist in diesen Gegenden keinen Auf¬
schwung zu geben. Oestreich begnügte sich damit, in den Donauländern
einen Markt zu besitzen, wo es seine Fabrikate und Manufakturen ab¬
setzen und gegen hierländische Rohprodukte austauschen konnte. Nichts¬
destoweniger hatten die Deutschen doch einmal Fuß gefaßt und ging es lang¬
sam vorwärts; namentlich fand die Wissenschaft in einigen deutschen Aerzten
hier ihre würdigen und eifrigen Missionäre. Dr. Gihak aus Aschaffenburg
z. B. regelte das moldauische Sanitätswesen, stiftete in Jassy die erste Natur¬
forschende Gesellschaft und machte sich durch Herausgabe der ersten Natur¬
geschichte in der Landessprache und überhaupt durch sein sonstiges Wirken im
Lande verdient. In der Wallachei wirkte Dr. Mayer aus Wien eben so
nachhaltig und Dr. Barrasch gab in Bukarest eine illustrirte naturwissen¬
schaftliche Wochenschrift in der Landessprache heraus und hielt zeitweise und
namentlich bet vorkommenden Veranlassungen öffentlich unentgeltliche aus-


schafften auf diese Art die ersten Culturelemente herbei und legten den Grund
zu einem künftigen Mittelstande. Ihnen nach kamen einzelne versprengte In¬
dividuen aus dem nahen Oestreich, um als Diener oder Hauslehrer in den
Bojarenhäusern Beschäftigung zu suchen. Erst später wagten sich nach ein¬
ander Handwerker aus verschiedenen deutschen Staaten, Kaufleute niederen
Ranges und Architekten ins Land — fast lauter Leute, die nichts zu ver¬
lieren, alles zu gewinnen hatten. Wie wenig sich auch von diesen Ein¬
wanderern hoffen ließ, sie fanden doch ihre Rechnung und die Resultate ihres
Wirkens blieben auch nicht aus; leider nun war der Gesichtskreis dieser
Leute ein beschränkter, er ging über eine erträgliche bescheidene Lebensstellung
nicht hinaus. Aus den Hauslehrern wurden Beamte, die Dankbarkeit der
Aeltern brachte den fleißigen Lehrer in den Staatsdienst. Hier hätte sich
nun allerdings ein reformatorisches oder eigentlich organisatorisches Wirken
entwickeln können, wenn der Antrieb hierzu in der Natur dieser neuen Be¬
amten gelegen hätte. Auf einmal zu einer gewissen Selbständigkeit und zu
Ansehen gelangt, sahen sie in ihren Amtsstellungen bloße Versorgungen und
gaben sich mit diesen zufrieden. Ihr Ziel war ja erreicht, sie schlossen sich
darin ab und ließen im Uebrigen die Dinge gehen, wie sie eben gingen.
Auch die Industriellen und Kaufleute wußten es zu wirklichem Ansehen nicht
zu bringen und ein paar unglückliche Bankerotte erstickten den deutschen
Credit in der Geburt. Das Ausland hatte zu den rumänischen Verhältnissen
kein Vertrauen und der Handel kam schon darum nicht recht in Zug. Selbst
die Wiener Donau-Dampsschifffahrtgesellschaft, welche das ausschließliche
Privilegium hatte, diesen Strom bis zu seiner Einmündung in das schwarze
Meer mit ihren Schiffen zu befahren, und die den Personen- und Handels¬
verkehr in den verschiedenen Stationen Rumäniens allein vermittelte, ver¬
mochte dem deutschen Unternehmungsgeist in diesen Gegenden keinen Auf¬
schwung zu geben. Oestreich begnügte sich damit, in den Donauländern
einen Markt zu besitzen, wo es seine Fabrikate und Manufakturen ab¬
setzen und gegen hierländische Rohprodukte austauschen konnte. Nichts¬
destoweniger hatten die Deutschen doch einmal Fuß gefaßt und ging es lang¬
sam vorwärts; namentlich fand die Wissenschaft in einigen deutschen Aerzten
hier ihre würdigen und eifrigen Missionäre. Dr. Gihak aus Aschaffenburg
z. B. regelte das moldauische Sanitätswesen, stiftete in Jassy die erste Natur¬
forschende Gesellschaft und machte sich durch Herausgabe der ersten Natur¬
geschichte in der Landessprache und überhaupt durch sein sonstiges Wirken im
Lande verdient. In der Wallachei wirkte Dr. Mayer aus Wien eben so
nachhaltig und Dr. Barrasch gab in Bukarest eine illustrirte naturwissen¬
schaftliche Wochenschrift in der Landessprache heraus und hielt zeitweise und
namentlich bet vorkommenden Veranlassungen öffentlich unentgeltliche aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/503>, abgerufen am 22.07.2024.