Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.aufopfernde Thätigkeit haben ihm die Liebe und Achtung Aller erworben; es Gewöhnlich wohnte der Duc dö Luynes in seinem Stammschlosse aufopfernde Thätigkeit haben ihm die Liebe und Achtung Aller erworben; es Gewöhnlich wohnte der Duc dö Luynes in seinem Stammschlosse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121685"/> <p xml:id="ID_1433" prev="#ID_1432"> aufopfernde Thätigkeit haben ihm die Liebe und Achtung Aller erworben; es<lb/> ist rührend, wie noch jetzt die Bauern der Dörfer in der Nähe seines Wohn¬<lb/> sitzes von ihrem vieux ane nur mit Dankbarkeit und Verehrung reden;<lb/> wir haben oft die Redensart gehört: Ja, wenn der Herzog noch lebte! und<lb/> mancher hat uns versichert, seine Wohlthätigkeit sei zu weit gegangen, denn<lb/> nun fiele es schwer, die Leute zum Arbeiten zu bringen. Im Jahr 1848<lb/> wurde der Herzog mit 60,000 Stimmen in die constituirende und bald auch<lb/> in die gesetzgebende Versammlung gewählt: er hielt es für seine Pflicht, sich<lb/> dieser Mühewaltung zu unterziehen. In der Kammer sprach er wenig; desto<lb/> mehr arbeitete er in den Commissionen. Während der Junitage stand er<lb/> selbst mit seinem Sohne im Feuer an der Spitze der Bataillone der Natio¬<lb/> nalgarde von Dampierre und Chevreuse; das Contingent aus seinem Wohn¬<lb/> orte hatte er auf eigene Kosten equipirt. Das Uebergewicht des Präsidenten<lb/> sah er nicht ohne Furcht in beständigem Wachsen begriffen, und er setzte sich<lb/> mit allen Mitteln demselben entgegen. Am 2. Decbr. wurde er natürlich, wie<lb/> Alles, was Frankreich an ehrlichen und bedeutenden Männern besaß, fest¬<lb/> genommen; nach einer zweitägigen Gefangenschaft im Mont Valerien wieder<lb/> freigelassen, entsagte er allem öffentlichen Leben. Wie viele Edelleute, darunter<lb/> Tocqueville u. A., hätte er, obgleich Royalist, doch nicht ungern die Republik<lb/> in Frankreich gesehen, und er hätte ihr seine Treue und seine Dienste be¬<lb/> wahrt. Aber unter der Regierung des Staatsstreichs irgend noch Theil¬<lb/> nahme an den Geschäften zu haben, war ihm unmöglich. Nur ein einziges<lb/> Mal ließ er in der Politik noch viel von sich reden, als er nämlich 1864<lb/> dem Grafen von Chambord, der sich in bedrängter Lage befand, mit einer<lb/> bedeutenden Summe zu Hilfe kam. Seine Anhänglichkeit an das königliche<lb/> Haus, welches das Glück seines Geschlechts gegründet hatte, war unbeschränkt,<lb/> und er handelte in Folge seines Grundsatzes: ig. reeormiüsLanes us Lo<lb/> xreserit xoint.</p><lb/> <p xml:id="ID_1434"> Gewöhnlich wohnte der Duc dö Luynes in seinem Stammschlosse<lb/> Dampierre, im Thal der Avette, 8 Stunden südlich von Paris. Es ist ein<lb/> stilles, außerhalb des großen Verkehrs liegendes grünes Thal, von mäßigen,<lb/> bewaldeten Höhen begrenzt: alles darin athmet Ruhe und Frieden. Nicht<lb/> weit davon entfernt sind die Ruinen der berühmten Abtei von Port-Royal,<lb/> die bekanntlich als jansenistisch am Ende von Ludwigs XIV. Regierung zer¬<lb/> stört wurde. Die Jesuiten sind gründlich zu Werke gegangen: die Funda¬<lb/> mente der Klosterkirche sind erst durch Ausgrabungen, die der Herzog vor¬<lb/> nehmen ließ, wieder ans Licht getreten; die öde Stätte verdient wieder den<lb/> Namen, den sie trug, ehe die Abtei zu ihrer Blüthe gelangte: 1s Oossrt!<lb/> Gibt es wohl ein Land, in dem im Namen Gottes und der Freiheit mehr<lb/> gefrevelt worden ist als in dem armen Frankreich!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
aufopfernde Thätigkeit haben ihm die Liebe und Achtung Aller erworben; es
ist rührend, wie noch jetzt die Bauern der Dörfer in der Nähe seines Wohn¬
sitzes von ihrem vieux ane nur mit Dankbarkeit und Verehrung reden;
wir haben oft die Redensart gehört: Ja, wenn der Herzog noch lebte! und
mancher hat uns versichert, seine Wohlthätigkeit sei zu weit gegangen, denn
nun fiele es schwer, die Leute zum Arbeiten zu bringen. Im Jahr 1848
wurde der Herzog mit 60,000 Stimmen in die constituirende und bald auch
in die gesetzgebende Versammlung gewählt: er hielt es für seine Pflicht, sich
dieser Mühewaltung zu unterziehen. In der Kammer sprach er wenig; desto
mehr arbeitete er in den Commissionen. Während der Junitage stand er
selbst mit seinem Sohne im Feuer an der Spitze der Bataillone der Natio¬
nalgarde von Dampierre und Chevreuse; das Contingent aus seinem Wohn¬
orte hatte er auf eigene Kosten equipirt. Das Uebergewicht des Präsidenten
sah er nicht ohne Furcht in beständigem Wachsen begriffen, und er setzte sich
mit allen Mitteln demselben entgegen. Am 2. Decbr. wurde er natürlich, wie
Alles, was Frankreich an ehrlichen und bedeutenden Männern besaß, fest¬
genommen; nach einer zweitägigen Gefangenschaft im Mont Valerien wieder
freigelassen, entsagte er allem öffentlichen Leben. Wie viele Edelleute, darunter
Tocqueville u. A., hätte er, obgleich Royalist, doch nicht ungern die Republik
in Frankreich gesehen, und er hätte ihr seine Treue und seine Dienste be¬
wahrt. Aber unter der Regierung des Staatsstreichs irgend noch Theil¬
nahme an den Geschäften zu haben, war ihm unmöglich. Nur ein einziges
Mal ließ er in der Politik noch viel von sich reden, als er nämlich 1864
dem Grafen von Chambord, der sich in bedrängter Lage befand, mit einer
bedeutenden Summe zu Hilfe kam. Seine Anhänglichkeit an das königliche
Haus, welches das Glück seines Geschlechts gegründet hatte, war unbeschränkt,
und er handelte in Folge seines Grundsatzes: ig. reeormiüsLanes us Lo
xreserit xoint.
Gewöhnlich wohnte der Duc dö Luynes in seinem Stammschlosse
Dampierre, im Thal der Avette, 8 Stunden südlich von Paris. Es ist ein
stilles, außerhalb des großen Verkehrs liegendes grünes Thal, von mäßigen,
bewaldeten Höhen begrenzt: alles darin athmet Ruhe und Frieden. Nicht
weit davon entfernt sind die Ruinen der berühmten Abtei von Port-Royal,
die bekanntlich als jansenistisch am Ende von Ludwigs XIV. Regierung zer¬
stört wurde. Die Jesuiten sind gründlich zu Werke gegangen: die Funda¬
mente der Klosterkirche sind erst durch Ausgrabungen, die der Herzog vor¬
nehmen ließ, wieder ans Licht getreten; die öde Stätte verdient wieder den
Namen, den sie trug, ehe die Abtei zu ihrer Blüthe gelangte: 1s Oossrt!
Gibt es wohl ein Land, in dem im Namen Gottes und der Freiheit mehr
gefrevelt worden ist als in dem armen Frankreich!
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