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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Besten ihres Volkes gehören. Ein solcher war der Duc de Luynes. Unter
allen, die seinem Andenken Worte der Verehrung gezollt, ist kaum einer, der
ihm nicht nachgerühmt, daß er in eminenter Weise den alten, schönen
Spruch: NoblosLö odligö stets im Herzen gehabt und demgemäß empfunden
und gehandelt habe. Adel in Geist und Gemüth, Adel in Neigungen und
Ansichten, das ist der Hauptzug dieser harmonischen, von schroffen Einseitig¬
keiten und unduldsamen Härten gänzlich freien Natur.

Honore d'Albert, Herzog von Luynes und Chevreuse, wurde in Paris
am 15. Dec. 1802 geboren; die Familie, aus der er stammt, ist zwar sehr alt,
doch war der erste Luynes, der eine bedeutende Rolle spielte, Ludwigs XIII.
bekannter Günstling und Minister. Kolossal aber ist das Vermögen des Ge¬
schlechts: das dem Herzoge allein aus seinen liegenden Gütern (Dampierre;
in der Picardie; in Hyeres u. a.) zufließende Einkommen wurde auf 800,000 Frs.
jährlich geschätzt, und es hätte leicht noch vermehrt werden können.

Nur kurze Zeit diente der Jüngling unter der Restauration in einem
Garderegimente; erst zwanzig Jahre alt wurde er von seiner Familie ver-
heirathet, aber die junge Herzogin starb schon 1824, mit Hinterlassung eines
einzigen Sohnes, der später durch sein Leben und Ende den Vater so tief
niederschlagen sollte. Von gleichfalls geringer Dauer war die Anstellung,
die er 1825 am Louvre erhalten, um das Musee Charles X. zu organisiren,
(die einzige öffentliche Anstalt, die heute noch den Namen dieses Königs trägt).
Früh nämlich hatte der Herzog seine Anlage und Neigung zu den bildenden
Künsten durch eigene Studien und Reisen nach Italien entwickelt. Die
Archäologie war gerade im mächtigsten Aufschwünge begriffen; Visconti hatte
die durch die Raubzüge der Franzosen nach Paris zusammengeschleppten
Kunstsammlungen wissenschaftlich verwerthet und ihr Studium eifrig be¬
fördert. Es verdient jede Anerkennung, wie die Direction des Louvre da¬
mals eine staunenswerthe Thätigkeit bewiesen und die wenigen Jahre, wäh¬
rend deren die Kunstwerke in Paris blieben, zu umfassenden und sorgfältigen
Publicationen vortrefflich angewandt hat. Jetzt wurden die großen Nekro-
polen Etruriens erforscht; Athen, Griechenland eröffnete sich zu gleicher Zeit:
mit rüstigen Kräften bemächtigte man sich des neugewonnenen Materials,
ein frisches Leben ging durch die noch junge Wissenschaft.

Der Duc de Luynes ergab sich ihr gänzlich und trat auf seinen italieni¬
schen Reisen in persönliche Verbindung mit den bedeutendsten Gelehrten aller
Nationen, die in Rom weilten. Fruchtbar war namentlich die in den Jahren
1825 und 1828 vorgenommene Erforschung der Ruinen von Metapont, der
mächtigen großgnechischen Handelsstadt, dem Sitze des pythagoreischen Phi¬
losophenstaats. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden 1833 in einem
Prachtwerke veröffentlicht; mehrere an Ort und Stelle gefundene architekto-


Besten ihres Volkes gehören. Ein solcher war der Duc de Luynes. Unter
allen, die seinem Andenken Worte der Verehrung gezollt, ist kaum einer, der
ihm nicht nachgerühmt, daß er in eminenter Weise den alten, schönen
Spruch: NoblosLö odligö stets im Herzen gehabt und demgemäß empfunden
und gehandelt habe. Adel in Geist und Gemüth, Adel in Neigungen und
Ansichten, das ist der Hauptzug dieser harmonischen, von schroffen Einseitig¬
keiten und unduldsamen Härten gänzlich freien Natur.

Honore d'Albert, Herzog von Luynes und Chevreuse, wurde in Paris
am 15. Dec. 1802 geboren; die Familie, aus der er stammt, ist zwar sehr alt,
doch war der erste Luynes, der eine bedeutende Rolle spielte, Ludwigs XIII.
bekannter Günstling und Minister. Kolossal aber ist das Vermögen des Ge¬
schlechts: das dem Herzoge allein aus seinen liegenden Gütern (Dampierre;
in der Picardie; in Hyeres u. a.) zufließende Einkommen wurde auf 800,000 Frs.
jährlich geschätzt, und es hätte leicht noch vermehrt werden können.

Nur kurze Zeit diente der Jüngling unter der Restauration in einem
Garderegimente; erst zwanzig Jahre alt wurde er von seiner Familie ver-
heirathet, aber die junge Herzogin starb schon 1824, mit Hinterlassung eines
einzigen Sohnes, der später durch sein Leben und Ende den Vater so tief
niederschlagen sollte. Von gleichfalls geringer Dauer war die Anstellung,
die er 1825 am Louvre erhalten, um das Musee Charles X. zu organisiren,
(die einzige öffentliche Anstalt, die heute noch den Namen dieses Königs trägt).
Früh nämlich hatte der Herzog seine Anlage und Neigung zu den bildenden
Künsten durch eigene Studien und Reisen nach Italien entwickelt. Die
Archäologie war gerade im mächtigsten Aufschwünge begriffen; Visconti hatte
die durch die Raubzüge der Franzosen nach Paris zusammengeschleppten
Kunstsammlungen wissenschaftlich verwerthet und ihr Studium eifrig be¬
fördert. Es verdient jede Anerkennung, wie die Direction des Louvre da¬
mals eine staunenswerthe Thätigkeit bewiesen und die wenigen Jahre, wäh¬
rend deren die Kunstwerke in Paris blieben, zu umfassenden und sorgfältigen
Publicationen vortrefflich angewandt hat. Jetzt wurden die großen Nekro-
polen Etruriens erforscht; Athen, Griechenland eröffnete sich zu gleicher Zeit:
mit rüstigen Kräften bemächtigte man sich des neugewonnenen Materials,
ein frisches Leben ging durch die noch junge Wissenschaft.

Der Duc de Luynes ergab sich ihr gänzlich und trat auf seinen italieni¬
schen Reisen in persönliche Verbindung mit den bedeutendsten Gelehrten aller
Nationen, die in Rom weilten. Fruchtbar war namentlich die in den Jahren
1825 und 1828 vorgenommene Erforschung der Ruinen von Metapont, der
mächtigen großgnechischen Handelsstadt, dem Sitze des pythagoreischen Phi¬
losophenstaats. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden 1833 in einem
Prachtwerke veröffentlicht; mehrere an Ort und Stelle gefundene architekto-


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[0461] Besten ihres Volkes gehören. Ein solcher war der Duc de Luynes. Unter allen, die seinem Andenken Worte der Verehrung gezollt, ist kaum einer, der ihm nicht nachgerühmt, daß er in eminenter Weise den alten, schönen Spruch: NoblosLö odligö stets im Herzen gehabt und demgemäß empfunden und gehandelt habe. Adel in Geist und Gemüth, Adel in Neigungen und Ansichten, das ist der Hauptzug dieser harmonischen, von schroffen Einseitig¬ keiten und unduldsamen Härten gänzlich freien Natur. Honore d'Albert, Herzog von Luynes und Chevreuse, wurde in Paris am 15. Dec. 1802 geboren; die Familie, aus der er stammt, ist zwar sehr alt, doch war der erste Luynes, der eine bedeutende Rolle spielte, Ludwigs XIII. bekannter Günstling und Minister. Kolossal aber ist das Vermögen des Ge¬ schlechts: das dem Herzoge allein aus seinen liegenden Gütern (Dampierre; in der Picardie; in Hyeres u. a.) zufließende Einkommen wurde auf 800,000 Frs. jährlich geschätzt, und es hätte leicht noch vermehrt werden können. Nur kurze Zeit diente der Jüngling unter der Restauration in einem Garderegimente; erst zwanzig Jahre alt wurde er von seiner Familie ver- heirathet, aber die junge Herzogin starb schon 1824, mit Hinterlassung eines einzigen Sohnes, der später durch sein Leben und Ende den Vater so tief niederschlagen sollte. Von gleichfalls geringer Dauer war die Anstellung, die er 1825 am Louvre erhalten, um das Musee Charles X. zu organisiren, (die einzige öffentliche Anstalt, die heute noch den Namen dieses Königs trägt). Früh nämlich hatte der Herzog seine Anlage und Neigung zu den bildenden Künsten durch eigene Studien und Reisen nach Italien entwickelt. Die Archäologie war gerade im mächtigsten Aufschwünge begriffen; Visconti hatte die durch die Raubzüge der Franzosen nach Paris zusammengeschleppten Kunstsammlungen wissenschaftlich verwerthet und ihr Studium eifrig be¬ fördert. Es verdient jede Anerkennung, wie die Direction des Louvre da¬ mals eine staunenswerthe Thätigkeit bewiesen und die wenigen Jahre, wäh¬ rend deren die Kunstwerke in Paris blieben, zu umfassenden und sorgfältigen Publicationen vortrefflich angewandt hat. Jetzt wurden die großen Nekro- polen Etruriens erforscht; Athen, Griechenland eröffnete sich zu gleicher Zeit: mit rüstigen Kräften bemächtigte man sich des neugewonnenen Materials, ein frisches Leben ging durch die noch junge Wissenschaft. Der Duc de Luynes ergab sich ihr gänzlich und trat auf seinen italieni¬ schen Reisen in persönliche Verbindung mit den bedeutendsten Gelehrten aller Nationen, die in Rom weilten. Fruchtbar war namentlich die in den Jahren 1825 und 1828 vorgenommene Erforschung der Ruinen von Metapont, der mächtigen großgnechischen Handelsstadt, dem Sitze des pythagoreischen Phi¬ losophenstaats. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden 1833 in einem Prachtwerke veröffentlicht; mehrere an Ort und Stelle gefundene architekto-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/461>, abgerufen am 01.07.2024.