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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Antwerpner Fresken neben einer Anzahl biblischer Compositionen ausgestellt
sind, und im Bereich des Sittenbildes bei Leps, der an Ernst und ge¬
diegener Vornehmheit alle mit und seit ihm auf das Studium der alten
heimischen Vorbilder gerichtete Genossen noch immer übertrifft. Der in
Weimar lehrende Pauwels (von dem "die Rückkehr der Verbannten" aus¬
gestellt ist) bildet wie nach der Art seiner Stoffe, so auch nach seiner edlen
Charakteristik die Mitte zwischen beiden. Sehr ungern vermissen wir ein
Gemälde dieser Richtung von G. Spangenberg in Berlin, der in seinen
ersten Bildern einen Ton anschlägt, welcher viel verheißt. Er verband fei¬
nen echten Geschmack in der Wahl der Typen, gute Zeichnung, freies --
etwas zum Lässigen neigendes Arrangement mit einer Farbe, deren stark
contrastirende Accorde eine erfrischende Rauheit und gesunde Kraft athmen.
Sehr zu bedauern wäre, wenn die einseitige Steigerung ins Elegante,
welche die kleinen Proben zeigen, die von ihm vorliegen, eine grundsätzliche
Veränderung seiner Malweise bedeuteten. Ein recht wackeres Bild von ähn¬
licher Intention ist Riesstahls "Kirchhofsbesuch", Erfindung und Farbe
schön und einfach, die Stimmung ernst und herzlich.

Ungebundener und anspruchsvoller treten auf diesem nächst dem kleinen
Genre populärsten Gebiete die Berliner C. Becker (Karl der V. bei Fugger,
ein fein colorirtes und elegant vorgetragenes Anekdotenbild, mit welchem
man Sohn ^jun. in Düsseldorf leider nicht an Ort und Stelle vergleichen
kann) und Henneberg auf. Bei seinem vielbesprochenen "Glücksritter",
der das Studium manches hier vertretenen Vorbildes bekundet, ist es doch
erfreulich, wahrzunehmen, daß er auch in der ungewöhnlichen Gesellschaft sich
mit Ehren zu behaupten weiß.

Den großen Coloristen Gallait finden wir in mehreren hervorragenden
Arbeiten vertreten. Ob man seine Weise, in der das Können stets größer
scheint wie das Wollen, als Muster preisen darf, wie es bei den Rundreisen
seiner Bilder in Deutschland geschah, ist seit den unleugbaren Fortschritten
der letzten Jahre eher zu beantworten. Schade, daß wir Delaroche nicht auch
vor Augen haben, um die beiden Maestri hier aufs Lehrhafte hin zu ver¬
gleichen. Beiden haftet ein gewisser nationaler Kunstdialect an, der die
rechte Vertraulichkeit ausschließt; am meisten in den genrehaften Darstellungen,
so hier in Gallait's "Geiger", gewiß einem seiner vorzüglichsten Gemälde.
Eine Atmosphäre der eleganten Welt umspielt diese Gestalten, die uns heute
wie veraltete Empfindsamkeit vorkommen will, und auch gegen die Süjets
seiner Geschichtsbilder, gegen die unentwegte ritterliche Grausamkeit, welche
die edlen Grasen Egmont und Hoorn mit Glacehandschuhen ins Gefängniß,
aufs Schaffst und wieder herunter geleitet, sind wir bei allem Respekt vor
der Technik heute verstimmt. Um so mehr, wenn man angesichts der Ge-


Antwerpner Fresken neben einer Anzahl biblischer Compositionen ausgestellt
sind, und im Bereich des Sittenbildes bei Leps, der an Ernst und ge¬
diegener Vornehmheit alle mit und seit ihm auf das Studium der alten
heimischen Vorbilder gerichtete Genossen noch immer übertrifft. Der in
Weimar lehrende Pauwels (von dem „die Rückkehr der Verbannten" aus¬
gestellt ist) bildet wie nach der Art seiner Stoffe, so auch nach seiner edlen
Charakteristik die Mitte zwischen beiden. Sehr ungern vermissen wir ein
Gemälde dieser Richtung von G. Spangenberg in Berlin, der in seinen
ersten Bildern einen Ton anschlägt, welcher viel verheißt. Er verband fei¬
nen echten Geschmack in der Wahl der Typen, gute Zeichnung, freies —
etwas zum Lässigen neigendes Arrangement mit einer Farbe, deren stark
contrastirende Accorde eine erfrischende Rauheit und gesunde Kraft athmen.
Sehr zu bedauern wäre, wenn die einseitige Steigerung ins Elegante,
welche die kleinen Proben zeigen, die von ihm vorliegen, eine grundsätzliche
Veränderung seiner Malweise bedeuteten. Ein recht wackeres Bild von ähn¬
licher Intention ist Riesstahls „Kirchhofsbesuch", Erfindung und Farbe
schön und einfach, die Stimmung ernst und herzlich.

Ungebundener und anspruchsvoller treten auf diesem nächst dem kleinen
Genre populärsten Gebiete die Berliner C. Becker (Karl der V. bei Fugger,
ein fein colorirtes und elegant vorgetragenes Anekdotenbild, mit welchem
man Sohn ^jun. in Düsseldorf leider nicht an Ort und Stelle vergleichen
kann) und Henneberg auf. Bei seinem vielbesprochenen „Glücksritter",
der das Studium manches hier vertretenen Vorbildes bekundet, ist es doch
erfreulich, wahrzunehmen, daß er auch in der ungewöhnlichen Gesellschaft sich
mit Ehren zu behaupten weiß.

Den großen Coloristen Gallait finden wir in mehreren hervorragenden
Arbeiten vertreten. Ob man seine Weise, in der das Können stets größer
scheint wie das Wollen, als Muster preisen darf, wie es bei den Rundreisen
seiner Bilder in Deutschland geschah, ist seit den unleugbaren Fortschritten
der letzten Jahre eher zu beantworten. Schade, daß wir Delaroche nicht auch
vor Augen haben, um die beiden Maestri hier aufs Lehrhafte hin zu ver¬
gleichen. Beiden haftet ein gewisser nationaler Kunstdialect an, der die
rechte Vertraulichkeit ausschließt; am meisten in den genrehaften Darstellungen,
so hier in Gallait's „Geiger", gewiß einem seiner vorzüglichsten Gemälde.
Eine Atmosphäre der eleganten Welt umspielt diese Gestalten, die uns heute
wie veraltete Empfindsamkeit vorkommen will, und auch gegen die Süjets
seiner Geschichtsbilder, gegen die unentwegte ritterliche Grausamkeit, welche
die edlen Grasen Egmont und Hoorn mit Glacehandschuhen ins Gefängniß,
aufs Schaffst und wieder herunter geleitet, sind wir bei allem Respekt vor
der Technik heute verstimmt. Um so mehr, wenn man angesichts der Ge-


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[0436] Antwerpner Fresken neben einer Anzahl biblischer Compositionen ausgestellt sind, und im Bereich des Sittenbildes bei Leps, der an Ernst und ge¬ diegener Vornehmheit alle mit und seit ihm auf das Studium der alten heimischen Vorbilder gerichtete Genossen noch immer übertrifft. Der in Weimar lehrende Pauwels (von dem „die Rückkehr der Verbannten" aus¬ gestellt ist) bildet wie nach der Art seiner Stoffe, so auch nach seiner edlen Charakteristik die Mitte zwischen beiden. Sehr ungern vermissen wir ein Gemälde dieser Richtung von G. Spangenberg in Berlin, der in seinen ersten Bildern einen Ton anschlägt, welcher viel verheißt. Er verband fei¬ nen echten Geschmack in der Wahl der Typen, gute Zeichnung, freies — etwas zum Lässigen neigendes Arrangement mit einer Farbe, deren stark contrastirende Accorde eine erfrischende Rauheit und gesunde Kraft athmen. Sehr zu bedauern wäre, wenn die einseitige Steigerung ins Elegante, welche die kleinen Proben zeigen, die von ihm vorliegen, eine grundsätzliche Veränderung seiner Malweise bedeuteten. Ein recht wackeres Bild von ähn¬ licher Intention ist Riesstahls „Kirchhofsbesuch", Erfindung und Farbe schön und einfach, die Stimmung ernst und herzlich. Ungebundener und anspruchsvoller treten auf diesem nächst dem kleinen Genre populärsten Gebiete die Berliner C. Becker (Karl der V. bei Fugger, ein fein colorirtes und elegant vorgetragenes Anekdotenbild, mit welchem man Sohn ^jun. in Düsseldorf leider nicht an Ort und Stelle vergleichen kann) und Henneberg auf. Bei seinem vielbesprochenen „Glücksritter", der das Studium manches hier vertretenen Vorbildes bekundet, ist es doch erfreulich, wahrzunehmen, daß er auch in der ungewöhnlichen Gesellschaft sich mit Ehren zu behaupten weiß. Den großen Coloristen Gallait finden wir in mehreren hervorragenden Arbeiten vertreten. Ob man seine Weise, in der das Können stets größer scheint wie das Wollen, als Muster preisen darf, wie es bei den Rundreisen seiner Bilder in Deutschland geschah, ist seit den unleugbaren Fortschritten der letzten Jahre eher zu beantworten. Schade, daß wir Delaroche nicht auch vor Augen haben, um die beiden Maestri hier aufs Lehrhafte hin zu ver¬ gleichen. Beiden haftet ein gewisser nationaler Kunstdialect an, der die rechte Vertraulichkeit ausschließt; am meisten in den genrehaften Darstellungen, so hier in Gallait's „Geiger", gewiß einem seiner vorzüglichsten Gemälde. Eine Atmosphäre der eleganten Welt umspielt diese Gestalten, die uns heute wie veraltete Empfindsamkeit vorkommen will, und auch gegen die Süjets seiner Geschichtsbilder, gegen die unentwegte ritterliche Grausamkeit, welche die edlen Grasen Egmont und Hoorn mit Glacehandschuhen ins Gefängniß, aufs Schaffst und wieder herunter geleitet, sind wir bei allem Respekt vor der Technik heute verstimmt. Um so mehr, wenn man angesichts der Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/436>, abgerufen am 22.07.2024.