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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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töchtern gehütete Rheingold, aus dem ein Ring geschmiedet werden kann,
der maßlose Macht verleiht und seinem Besitzer das Erbe der Welt zu ver¬
schaffen im Stande ist. Aber nur der kann den Hort gewinnen, dessen Herz dem
Zauber der Minne verschlossen ist. Bisher war die Macht des Goldes Göttern
und Menschen unbekannt geblieben, jetzt, da plötzlich das Streben um dessen
Besitz erwacht, bricht auch alles Unheil des Reichthums, Hader, Krieg, Neid,
Haß und Todtschlag, über die Welt herein. Beim Emporrauschen des Vor¬
hangs, dem nur eine kurze Jnstrumentaleinleitung voraus geht, sehen wir
den Rheingrund mit seinen schroffen Felsen und wilden Schluchten. Die
Scene spielt unter dem Wasserspiegel. Der Zuhörer muß es vergessen, daß
es keinem Wesen möglich ist, unter dem Wasser zu sprechen, noch viel weniger
zu singen, und der Dichtereomponist, sonst so strenge auf die reale Wahr¬
heit haltend, muthet plötzlich dem Hörer'zu, das Niedagewesene für möglich
zu halten.

Drei Rheintöchter (Woglinde, Wellgundeund Fi oßhil d e) treiben
in den Wogen ihr neckisches Spiel und singen dabei ihre Lieder. Aber schon
hier erwies es sich als unmöglich, Darstellende und Sängerinnen in
Einer Person zu vereinigen, gleichzeitig die kühnsten Turnerkünste und den
schwierigen Gesang den Sängerinnen zuzumuthen, und so mußte man sich
denn zuletzt entschließen, drei Ballettänzerinnen mit der scenischen Darstellung
zu betrauen und die drei Gesangspartien hinter den Coulissen singen zu
lassen. Der Text der Oper beginnt also (Woglinde und Wellgunde suchen
sich schwimmend zu haschen):


Wem! Waga!
Woge, Du Welle,
walte zur Wiege!

Wagalaweia!
Wallala, weiala, weia!
"Woglinde, wachst Du allein?"
Mit Wellgunde wär' ich zu zwei,
"Laß seh'n wie Du wachst."

Sicher vor Dir.
Heiala weia!
Windes Geschwister!
Floßhilde, Schwinn!

(Floßhilde von oben)

(Wellgunde)

Woglinde flieht:
Hilf mir die fließende fangen!

Des Goldes Schlaf
hütet ihr schlecht;
besser bewacht

(Floßhilde herabtauchend)

des Schlummernden Bett,
sonst büßt ihr beide das Spiel.


töchtern gehütete Rheingold, aus dem ein Ring geschmiedet werden kann,
der maßlose Macht verleiht und seinem Besitzer das Erbe der Welt zu ver¬
schaffen im Stande ist. Aber nur der kann den Hort gewinnen, dessen Herz dem
Zauber der Minne verschlossen ist. Bisher war die Macht des Goldes Göttern
und Menschen unbekannt geblieben, jetzt, da plötzlich das Streben um dessen
Besitz erwacht, bricht auch alles Unheil des Reichthums, Hader, Krieg, Neid,
Haß und Todtschlag, über die Welt herein. Beim Emporrauschen des Vor¬
hangs, dem nur eine kurze Jnstrumentaleinleitung voraus geht, sehen wir
den Rheingrund mit seinen schroffen Felsen und wilden Schluchten. Die
Scene spielt unter dem Wasserspiegel. Der Zuhörer muß es vergessen, daß
es keinem Wesen möglich ist, unter dem Wasser zu sprechen, noch viel weniger
zu singen, und der Dichtereomponist, sonst so strenge auf die reale Wahr¬
heit haltend, muthet plötzlich dem Hörer'zu, das Niedagewesene für möglich
zu halten.

Drei Rheintöchter (Woglinde, Wellgundeund Fi oßhil d e) treiben
in den Wogen ihr neckisches Spiel und singen dabei ihre Lieder. Aber schon
hier erwies es sich als unmöglich, Darstellende und Sängerinnen in
Einer Person zu vereinigen, gleichzeitig die kühnsten Turnerkünste und den
schwierigen Gesang den Sängerinnen zuzumuthen, und so mußte man sich
denn zuletzt entschließen, drei Ballettänzerinnen mit der scenischen Darstellung
zu betrauen und die drei Gesangspartien hinter den Coulissen singen zu
lassen. Der Text der Oper beginnt also (Woglinde und Wellgunde suchen
sich schwimmend zu haschen):


Wem! Waga!
Woge, Du Welle,
walte zur Wiege!

Wagalaweia!
Wallala, weiala, weia!
„Woglinde, wachst Du allein?"
Mit Wellgunde wär' ich zu zwei,
„Laß seh'n wie Du wachst."

Sicher vor Dir.
Heiala weia!
Windes Geschwister!
Floßhilde, Schwinn!

(Floßhilde von oben)

(Wellgunde)

Woglinde flieht:
Hilf mir die fließende fangen!

Des Goldes Schlaf
hütet ihr schlecht;
besser bewacht

(Floßhilde herabtauchend)

des Schlummernden Bett,
sonst büßt ihr beide das Spiel.


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[0424] töchtern gehütete Rheingold, aus dem ein Ring geschmiedet werden kann, der maßlose Macht verleiht und seinem Besitzer das Erbe der Welt zu ver¬ schaffen im Stande ist. Aber nur der kann den Hort gewinnen, dessen Herz dem Zauber der Minne verschlossen ist. Bisher war die Macht des Goldes Göttern und Menschen unbekannt geblieben, jetzt, da plötzlich das Streben um dessen Besitz erwacht, bricht auch alles Unheil des Reichthums, Hader, Krieg, Neid, Haß und Todtschlag, über die Welt herein. Beim Emporrauschen des Vor¬ hangs, dem nur eine kurze Jnstrumentaleinleitung voraus geht, sehen wir den Rheingrund mit seinen schroffen Felsen und wilden Schluchten. Die Scene spielt unter dem Wasserspiegel. Der Zuhörer muß es vergessen, daß es keinem Wesen möglich ist, unter dem Wasser zu sprechen, noch viel weniger zu singen, und der Dichtereomponist, sonst so strenge auf die reale Wahr¬ heit haltend, muthet plötzlich dem Hörer'zu, das Niedagewesene für möglich zu halten. Drei Rheintöchter (Woglinde, Wellgundeund Fi oßhil d e) treiben in den Wogen ihr neckisches Spiel und singen dabei ihre Lieder. Aber schon hier erwies es sich als unmöglich, Darstellende und Sängerinnen in Einer Person zu vereinigen, gleichzeitig die kühnsten Turnerkünste und den schwierigen Gesang den Sängerinnen zuzumuthen, und so mußte man sich denn zuletzt entschließen, drei Ballettänzerinnen mit der scenischen Darstellung zu betrauen und die drei Gesangspartien hinter den Coulissen singen zu lassen. Der Text der Oper beginnt also (Woglinde und Wellgunde suchen sich schwimmend zu haschen): Wem! Waga! Woge, Du Welle, walte zur Wiege! Wagalaweia! Wallala, weiala, weia! „Woglinde, wachst Du allein?" Mit Wellgunde wär' ich zu zwei, „Laß seh'n wie Du wachst." Sicher vor Dir. Heiala weia! Windes Geschwister! Floßhilde, Schwinn! (Floßhilde von oben) (Wellgunde) Woglinde flieht: Hilf mir die fließende fangen! Des Goldes Schlaf hütet ihr schlecht; besser bewacht (Floßhilde herabtauchend) des Schlummernden Bett, sonst büßt ihr beide das Spiel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/424>, abgerufen am 25.08.2024.