Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.Mlmar zollte, beantwortete. Wer ihn genauer kannte und außerdem überlegte, Nachdem die Annexion Hessens ausgesprochen war, konnte überall kein Grenzboten III. 186!). 52
Mlmar zollte, beantwortete. Wer ihn genauer kannte und außerdem überlegte, Nachdem die Annexion Hessens ausgesprochen war, konnte überall kein Grenzboten III. 186!). 52
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Mlmar zollte, beantwortete. Wer ihn genauer kannte und außerdem überlegte,
daß seine Partei, so folgsam sie auch sonst war, doch eine solche Schwenkung
vom extremsten Hasse gegen Preußen bis zur Unterstützung der Regierung
dieses Staates schwerlich nachmachen werde, sagte sich freilich vom Anfang
an. jeder Versuch der neuen Negierung, diesen Feind zu versöhnen, werde
vergeblich sein. Das hat sich denn auch vollständig bewahrheitet. Wir
wissen freilich nicht, ob die Angaben der Anhänger des jetzt seit einem Jahr
verstorbenen Mannes richtig sind, nach denen die preußische Regierung durch
namhaft gemachte Unterhändler denselben für sich zu gewinnen versucht haben
soll. Factisch ist, daß Herr von Muster jeden Anstoß mit ihm und seiner
Partei zu vermeiden suchte; daß, als unser Oberpräsident mit einem Bruder Vil-
mars in Conflict gekommen war, eine Zeitlang die Entscheidung schwankte, wer
von beiden weichen werde, Herr von Möller oder der Metropolitan Vilmar; daß
Herr von Muster alle einflußreichen Aemter in Kirche und Schule Hessens
mit Männern aus Preußen besetzte, die in politischer wie in kirchlicher Be¬
ziehung sämmtlich der Kreuzzeitungspartei angehören und Herrn Vilmar ganz
genehm sein konnten und sich ihm auch persönlich genehm zu machen suchten.
Man muß diesen Punkt fest im Auge behalten, um die gegenwärtige Ent¬
wickelung der Dinge verstehen zu können.
Nachdem die Annexion Hessens ausgesprochen war, konnte überall kein
Zweifel darüber bestehen, daß auch die kirchlichen Verhältnisse hier zu Lande
nicht würden unberührt bleiben können. Machte es doch schon Paragraph
16 der Verfassung unmöglich, daß der König durch das Cultusministerium
auf die Dauer die Kirchengewalt werde ausüben lassen können und drängte
doch andererseits der Oberkirchenrath auf eine Erledigung der Verfassungsfrage
in seinem Sinne. Denn blieb ein Theil der evangelischen Kirche des preußi¬
schen Staates von der Leitung des unirten Oberkirchenrathes eximirt, so
konnte bei der unter Friedrich Wilhelm IV. in Preußen großgezogenen con-
fessionalistischen Strömung nicht ausbleiben, daß man in Preußen selbst
den Versuch macht, die Einheit des Kirchenregiments für die alten Pro¬
vinzen zu sprengen. Das ist ja denn auch versucht worden. Aber König
Wilhelm will das Werk seines Vaters nicht nur nicht verkümmern lassen,
sondern, wo dieses ohne Zwang der Gewissen geschehen kann, fördern und
in weitere Kreise tragen. Als der Oberkirchenrath in Berlin sich mit einer
Eingabe an den König wendete und denselben um Unterstellung der evan¬
gelischen Kirchengemeinschaften der neu erworbenen Provinzen unter seine
Oberleitung bat, war der König deshalb ganz einverstanden, aber das
Gesammtstaatsministerium widersprach und bot seiner Majestät die Ent¬
lassung an, wenn dem Gesuche des Oberkirchenraths entsprochen werde. Es
blieb daher bei der Leitung der Kirchenangelegenheiten der neuen Provinzen
Grenzboten III. 186!). 52
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