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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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dem Augenblick, da Piemont wieder den Nationalkrieg aufnehme, unmöglich
mit diesem Staat verderben könne. Er hatte sich in der letzten Zeit über¬
haupt dieser Macht wieder genähert. Gegen den toscanischen Bevollmächtig¬
ten bemerkte er, daß man in Rom und Florenz vortreffliche Reden halte,
aber leider gar keine Anstalten treffe, um Waffen und Geld sür die italieni¬
sche Sache aufzubringen. Wenn noch eine Hoffnung für Italien war, so
stand sie im Heere Karl Alberts. Schlug auch diese fehl, so blieb immer
noch die auf den piemontesischen Staat aufrecht, für welchen der kurze un¬
vermeidliche Krieg von 1849 wie ein reinigendes Gewitter war. -- Bianchi
urtheilt wohl richtig, daß, so wie die Dinge lagen, die Gefahren für den
Staat größer waren, wenn er einen unrühmlichen Frieden schloß, bedeckt mit
den Verwünschungen der Italiener, als wenn er noch einmal den Krieg
wagte und damit zeigte, daß sein Geschick untrennbar mit dem Italiens ver¬
knüpft war. Er rettete damit sich und die italienische Zukunft. Und kein
ernsthafter Italiener ist mehr auf die Idee der Conföderation zurückgekommen.


W. Lang.


Aus dem Leben des russischen Admirals von Sivers.

Unter den ausländischen Seeleuten, die Peter der Große nach Nußland
zog, um mit ihrer Hilfe eine Flotte zu begründen und seinem Staat dadurch
erhöhten Antheil an den politischen Geschicken Europas zu sichern, spielt der
Admiral von Sivers als Organisator des russischen Seewesens und als Er¬
bauer der Festung Kronstäbe eine beträchtliche Rolle. Sein Name wird in
den Schriften Büschings, Schmidt-Phiseldecks, Mannsteins und dem Tage¬
buch des holsteinschen Kammerjunkers von Berkholz häufig und mit Ehren
genannt, eine zusammenhängende Darstellung seines merkwürdigen Lebens¬
laufs hat aus Mangel an vollständigem Material aber bis jetzt gefehlt. In
neueren Werken über Peter den Großen begegnet man Sivers kaum mehr, ob¬
gleich er für die Begründung des russischen Seewesens von größerer Wichtig¬
keit gewesen ist, als die Mehrzahl der übrigen Marineofsieiere Peters. Auf
Grund handschriftlicher, bis jetzt unveröffentlichter Aufzeichnungen des Ad¬
mirals soll nachstehend ein Abriß seiner Geschichte entworfen werden, die sür
die Sittenzustande jener Zeit und die Charakteristik der an ihnen betheiligten
historischen Personen nicht ohne Interesse ist.

Das Jugendlelxn Peter Sivers breitet ein Stück militärischen Aben¬
teurerlebens im Geschmack des 17ten Jahrhunderts vor uns aus. Von hol-


dem Augenblick, da Piemont wieder den Nationalkrieg aufnehme, unmöglich
mit diesem Staat verderben könne. Er hatte sich in der letzten Zeit über¬
haupt dieser Macht wieder genähert. Gegen den toscanischen Bevollmächtig¬
ten bemerkte er, daß man in Rom und Florenz vortreffliche Reden halte,
aber leider gar keine Anstalten treffe, um Waffen und Geld sür die italieni¬
sche Sache aufzubringen. Wenn noch eine Hoffnung für Italien war, so
stand sie im Heere Karl Alberts. Schlug auch diese fehl, so blieb immer
noch die auf den piemontesischen Staat aufrecht, für welchen der kurze un¬
vermeidliche Krieg von 1849 wie ein reinigendes Gewitter war. — Bianchi
urtheilt wohl richtig, daß, so wie die Dinge lagen, die Gefahren für den
Staat größer waren, wenn er einen unrühmlichen Frieden schloß, bedeckt mit
den Verwünschungen der Italiener, als wenn er noch einmal den Krieg
wagte und damit zeigte, daß sein Geschick untrennbar mit dem Italiens ver¬
knüpft war. Er rettete damit sich und die italienische Zukunft. Und kein
ernsthafter Italiener ist mehr auf die Idee der Conföderation zurückgekommen.


W. Lang.


Aus dem Leben des russischen Admirals von Sivers.

Unter den ausländischen Seeleuten, die Peter der Große nach Nußland
zog, um mit ihrer Hilfe eine Flotte zu begründen und seinem Staat dadurch
erhöhten Antheil an den politischen Geschicken Europas zu sichern, spielt der
Admiral von Sivers als Organisator des russischen Seewesens und als Er¬
bauer der Festung Kronstäbe eine beträchtliche Rolle. Sein Name wird in
den Schriften Büschings, Schmidt-Phiseldecks, Mannsteins und dem Tage¬
buch des holsteinschen Kammerjunkers von Berkholz häufig und mit Ehren
genannt, eine zusammenhängende Darstellung seines merkwürdigen Lebens¬
laufs hat aus Mangel an vollständigem Material aber bis jetzt gefehlt. In
neueren Werken über Peter den Großen begegnet man Sivers kaum mehr, ob¬
gleich er für die Begründung des russischen Seewesens von größerer Wichtig¬
keit gewesen ist, als die Mehrzahl der übrigen Marineofsieiere Peters. Auf
Grund handschriftlicher, bis jetzt unveröffentlichter Aufzeichnungen des Ad¬
mirals soll nachstehend ein Abriß seiner Geschichte entworfen werden, die sür
die Sittenzustande jener Zeit und die Charakteristik der an ihnen betheiligten
historischen Personen nicht ohne Interesse ist.

Das Jugendlelxn Peter Sivers breitet ein Stück militärischen Aben¬
teurerlebens im Geschmack des 17ten Jahrhunderts vor uns aus. Von hol-


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[0394] dem Augenblick, da Piemont wieder den Nationalkrieg aufnehme, unmöglich mit diesem Staat verderben könne. Er hatte sich in der letzten Zeit über¬ haupt dieser Macht wieder genähert. Gegen den toscanischen Bevollmächtig¬ ten bemerkte er, daß man in Rom und Florenz vortreffliche Reden halte, aber leider gar keine Anstalten treffe, um Waffen und Geld sür die italieni¬ sche Sache aufzubringen. Wenn noch eine Hoffnung für Italien war, so stand sie im Heere Karl Alberts. Schlug auch diese fehl, so blieb immer noch die auf den piemontesischen Staat aufrecht, für welchen der kurze un¬ vermeidliche Krieg von 1849 wie ein reinigendes Gewitter war. — Bianchi urtheilt wohl richtig, daß, so wie die Dinge lagen, die Gefahren für den Staat größer waren, wenn er einen unrühmlichen Frieden schloß, bedeckt mit den Verwünschungen der Italiener, als wenn er noch einmal den Krieg wagte und damit zeigte, daß sein Geschick untrennbar mit dem Italiens ver¬ knüpft war. Er rettete damit sich und die italienische Zukunft. Und kein ernsthafter Italiener ist mehr auf die Idee der Conföderation zurückgekommen. W. Lang. Aus dem Leben des russischen Admirals von Sivers. Unter den ausländischen Seeleuten, die Peter der Große nach Nußland zog, um mit ihrer Hilfe eine Flotte zu begründen und seinem Staat dadurch erhöhten Antheil an den politischen Geschicken Europas zu sichern, spielt der Admiral von Sivers als Organisator des russischen Seewesens und als Er¬ bauer der Festung Kronstäbe eine beträchtliche Rolle. Sein Name wird in den Schriften Büschings, Schmidt-Phiseldecks, Mannsteins und dem Tage¬ buch des holsteinschen Kammerjunkers von Berkholz häufig und mit Ehren genannt, eine zusammenhängende Darstellung seines merkwürdigen Lebens¬ laufs hat aus Mangel an vollständigem Material aber bis jetzt gefehlt. In neueren Werken über Peter den Großen begegnet man Sivers kaum mehr, ob¬ gleich er für die Begründung des russischen Seewesens von größerer Wichtig¬ keit gewesen ist, als die Mehrzahl der übrigen Marineofsieiere Peters. Auf Grund handschriftlicher, bis jetzt unveröffentlichter Aufzeichnungen des Ad¬ mirals soll nachstehend ein Abriß seiner Geschichte entworfen werden, die sür die Sittenzustande jener Zeit und die Charakteristik der an ihnen betheiligten historischen Personen nicht ohne Interesse ist. Das Jugendlelxn Peter Sivers breitet ein Stück militärischen Aben¬ teurerlebens im Geschmack des 17ten Jahrhunderts vor uns aus. Von hol-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/394>, abgerufen am 25.08.2024.