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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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und Schulen, die beigesteuert haben, was in alle Wege nur heilsam sein
könnte, dann wäre sogar die Möglichkeit geboten, zum Nutzen des Gesammt-
eindrucks manche Doubletten solches Schlages, bei welchem das Dutzend noch
weniger beweist als das Unicum, zu removiren, umsomehr, da bis heute
nur ein provisorischer Katalog besteht. Vielleicht wird dazu noch die Noth¬
wehr treiben; denn die Einsendungen sind noch nicht alle untergebracht, wenn
überhaupt beendet, und die Einschiebung von Zwischenwänden, wie sie bis¬
her möglich gewesen, läßt sich nicht ins Unendliche fortsetzen.

Recht empfindlich wird der Ueberfluß erst, wenn man die aufgespeicherten
Schätze auf die relative Vollständigkeit hin betrachtet, die wir bei einer der¬
artigen Ausstellung gewünscht hatten. Daß bei den kurz angebundenen Vor¬
bereitungen keine eigentlich internationale Ausstellung d. h. eine Vertretung
aller kunstthätigen Nationen zu Stande kommen konnte, war natürlich. Die
englische Malerei hält sich in vornehmer Jnsularität; nur dann und wann
bringen unsre wandernden Landsleute die Kunde übers Meer, daß drüben
in der That und zwar sehr respektabel gemalt wird; Spanien und der skan¬
dinavische Norden sind, ebenfalls kaum vertreten, und Rußland, das wohl
künstlerische Gastrollen in Paris gibt, scheint seine recivilisatorische Mission
an uns Deutschen vorläufig noch nicht auf das ästhetische Gebiet ausdehnen
zu wollen. Vereinzelte transoceanische Sachen kommen nicht in Betracht.
Wir sind mehr als befriedigt, wenn Frankreich, die Niederlande und Italien
sich bei uns Rendezvous geben.

Selbst bei dieser Einschränkung wird Niemand im Ernste verlangen, hier
alle Künstlernamen wiederzufinden, die in neuerer Zeit bekannt geworden
sind; wohl aber durfte man voraussetzen, daß die Hauptrichtungen in ihren
hervorragenden Repräsentanten beisammen wären. Ist die.Auswahl gänzlich
dem Zufall anheim gegeben gewesen? ist es versäumt oder mißlungen, sich
von vorn herein des Erscheinens gewisser Koryphäen zu versichern? Die Lücken
sind auffällig, noch auffälliger, daß gerade wir Deutsche dabei zu Schaden
kommen. Denn wie sehr man auch die Bedeutung des nationalen in der
Kunst abschwächen mag, leugnen läßt sich so wenig wie tadeln, daß für die
überwiegende Mehrzahl der Besucher der Hauptreiz der Ausstellung in dem
Vergleich der deutschen und fremden, vor allem der deutschen und französischen
Bilder liegt. Eine solche Confrontation ist zwar nichts Neues; die letzten
Weltausstellungen haben sie gebracht und alljährlich vereinigt der Pariser
Salon heimische und importirte Kunstwaare. In Wahrheit hat die Münchener
Ausstellung nicht viel mehr zu bedeuten, als eine Saison der pariser, nur
daß die Zahlenverhältnisse der Aussteller umgekehrt sind, -- auf etwa 4
deutsche kommt ein französisches Gemälde, -- indeß von moralischem Belang
ist es immerhin (und würde uns, wie wir überzeugt sind, vor Sadowa


und Schulen, die beigesteuert haben, was in alle Wege nur heilsam sein
könnte, dann wäre sogar die Möglichkeit geboten, zum Nutzen des Gesammt-
eindrucks manche Doubletten solches Schlages, bei welchem das Dutzend noch
weniger beweist als das Unicum, zu removiren, umsomehr, da bis heute
nur ein provisorischer Katalog besteht. Vielleicht wird dazu noch die Noth¬
wehr treiben; denn die Einsendungen sind noch nicht alle untergebracht, wenn
überhaupt beendet, und die Einschiebung von Zwischenwänden, wie sie bis¬
her möglich gewesen, läßt sich nicht ins Unendliche fortsetzen.

Recht empfindlich wird der Ueberfluß erst, wenn man die aufgespeicherten
Schätze auf die relative Vollständigkeit hin betrachtet, die wir bei einer der¬
artigen Ausstellung gewünscht hatten. Daß bei den kurz angebundenen Vor¬
bereitungen keine eigentlich internationale Ausstellung d. h. eine Vertretung
aller kunstthätigen Nationen zu Stande kommen konnte, war natürlich. Die
englische Malerei hält sich in vornehmer Jnsularität; nur dann und wann
bringen unsre wandernden Landsleute die Kunde übers Meer, daß drüben
in der That und zwar sehr respektabel gemalt wird; Spanien und der skan¬
dinavische Norden sind, ebenfalls kaum vertreten, und Rußland, das wohl
künstlerische Gastrollen in Paris gibt, scheint seine recivilisatorische Mission
an uns Deutschen vorläufig noch nicht auf das ästhetische Gebiet ausdehnen
zu wollen. Vereinzelte transoceanische Sachen kommen nicht in Betracht.
Wir sind mehr als befriedigt, wenn Frankreich, die Niederlande und Italien
sich bei uns Rendezvous geben.

Selbst bei dieser Einschränkung wird Niemand im Ernste verlangen, hier
alle Künstlernamen wiederzufinden, die in neuerer Zeit bekannt geworden
sind; wohl aber durfte man voraussetzen, daß die Hauptrichtungen in ihren
hervorragenden Repräsentanten beisammen wären. Ist die.Auswahl gänzlich
dem Zufall anheim gegeben gewesen? ist es versäumt oder mißlungen, sich
von vorn herein des Erscheinens gewisser Koryphäen zu versichern? Die Lücken
sind auffällig, noch auffälliger, daß gerade wir Deutsche dabei zu Schaden
kommen. Denn wie sehr man auch die Bedeutung des nationalen in der
Kunst abschwächen mag, leugnen läßt sich so wenig wie tadeln, daß für die
überwiegende Mehrzahl der Besucher der Hauptreiz der Ausstellung in dem
Vergleich der deutschen und fremden, vor allem der deutschen und französischen
Bilder liegt. Eine solche Confrontation ist zwar nichts Neues; die letzten
Weltausstellungen haben sie gebracht und alljährlich vereinigt der Pariser
Salon heimische und importirte Kunstwaare. In Wahrheit hat die Münchener
Ausstellung nicht viel mehr zu bedeuten, als eine Saison der pariser, nur
daß die Zahlenverhältnisse der Aussteller umgekehrt sind, — auf etwa 4
deutsche kommt ein französisches Gemälde, — indeß von moralischem Belang
ist es immerhin (und würde uns, wie wir überzeugt sind, vor Sadowa


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/371>, abgerufen am 25.08.2024.