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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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daran gewöhnen, auch solche staatliche Aufgaben, welche sie nicht bereits ver¬
fassungsmäßig an das größere Ganze abgegeben haben und welche also Bundes¬
sache geworden sind, geeigneten Falls auf dem Wege der Association zu
lösen. Sie müssen sich daran gewöhnen, da, wo der einzelne Staat zu klein
an Aufgaben und an Mitteln sie zu lösen ist, sich unter einander, und zwar
für die einzelnen concreten Aufgaben und Einrichtungen auf dem Wege frei¬
williger Verständigung zu verbinden, um durch eine solche Association, also
entweder durch den Anschluß an einen größeren Staat oder durch eine
Vereinigung jenachdem zu zweien, dreien u> s. w. ein richtiges
Maß der Aufgaben, der für dieselbe zu schaffenden Einrichtungen
und der für den concreten Zweck verfügbaren Mittel herzu¬
stellen. Auch auf dem Gebiete des Staatslebens, ebenso wie in Industrie
und Handel, drängen alle Verhältnisse zum Großbetrieb; nur in ihm können
die staatlichen Aufgaben sachgemäß gestellt und angemessen begränzt, nur in
ihm können sie richtig und mit einem möglichst geringen Aufwands an Mitteln
und Kräften gelöst, nur in ihm kann -- von allen Andern ganz abgesehen --
mit den Staatsfinanzen so gewirchschaftet werden, wie es das steuerzahlende
Volk zu verlangen berechtigt ist. Diesen Thatsachen Rechnung tragen, an
der Herstellung eines solchen staatlichen Großbetriebs auch für die kleineren
Staaten mittels der Association, der Vereinigung zur Lösung concreter, poli¬
tischer und administrativer Aufgaben mit gemeinschaftlichen Mitteln an seinem
Theil mitzuwirken, ist eben deßhalb auch allein wahrhaft conservativ.
Denn nur so wird die Fortdauer der kleineren Staaten überhaupt auf die
Dauer noch zu ertragen sein.

Zwei Beispiele solcher Associationen mehrerer Staaten zu concreten
Zwecken noch aus der Zeit des Bundestags und zwar gerade auf dem Ge¬
biete der Gerichtsorganisation sind die Vereinigung der Hansestädte, resp,
der damaligen vier freien Städte bezüglich ihres gemeinschaftlichen
Oberappellationsgerichtes zu Lübeck und die gleichartige Verbin¬
dung der thüringischen Staaten bezüglich ihres gemeinschaftlichen
Oberappellationsgerichts zu Jena.*) Hoffentlich werden beide dem¬
nächst in Folge der Errichtung eines allgemeinen nicht blos auf Handels¬
und Wechselsachen beschränkten obersten Bundesgerichtshofs als gemeinschaft¬
liche und alleinige oberste (Cassations-) Instanz für das ganze Bundesgebiet
-- beseitigt werden- Aber nicht weniger wünschen wir, daß die neue Organi¬
sation des Gerichtswesens innerhalb des norddeutschen Bundes zu einer ganzen
Reihe analoger Vereinbarungen über von verschiedenen Staaten gemeinschaft¬
lich errichtete und gemeinschaftlich dotirte Gerichte erster und zweiter Instanz



") Auf einer derartigen Vereinigung beruht auch die gemeinschaftliche Universität der
thüringischen Staaten zu Jena.

daran gewöhnen, auch solche staatliche Aufgaben, welche sie nicht bereits ver¬
fassungsmäßig an das größere Ganze abgegeben haben und welche also Bundes¬
sache geworden sind, geeigneten Falls auf dem Wege der Association zu
lösen. Sie müssen sich daran gewöhnen, da, wo der einzelne Staat zu klein
an Aufgaben und an Mitteln sie zu lösen ist, sich unter einander, und zwar
für die einzelnen concreten Aufgaben und Einrichtungen auf dem Wege frei¬
williger Verständigung zu verbinden, um durch eine solche Association, also
entweder durch den Anschluß an einen größeren Staat oder durch eine
Vereinigung jenachdem zu zweien, dreien u> s. w. ein richtiges
Maß der Aufgaben, der für dieselbe zu schaffenden Einrichtungen
und der für den concreten Zweck verfügbaren Mittel herzu¬
stellen. Auch auf dem Gebiete des Staatslebens, ebenso wie in Industrie
und Handel, drängen alle Verhältnisse zum Großbetrieb; nur in ihm können
die staatlichen Aufgaben sachgemäß gestellt und angemessen begränzt, nur in
ihm können sie richtig und mit einem möglichst geringen Aufwands an Mitteln
und Kräften gelöst, nur in ihm kann — von allen Andern ganz abgesehen —
mit den Staatsfinanzen so gewirchschaftet werden, wie es das steuerzahlende
Volk zu verlangen berechtigt ist. Diesen Thatsachen Rechnung tragen, an
der Herstellung eines solchen staatlichen Großbetriebs auch für die kleineren
Staaten mittels der Association, der Vereinigung zur Lösung concreter, poli¬
tischer und administrativer Aufgaben mit gemeinschaftlichen Mitteln an seinem
Theil mitzuwirken, ist eben deßhalb auch allein wahrhaft conservativ.
Denn nur so wird die Fortdauer der kleineren Staaten überhaupt auf die
Dauer noch zu ertragen sein.

Zwei Beispiele solcher Associationen mehrerer Staaten zu concreten
Zwecken noch aus der Zeit des Bundestags und zwar gerade auf dem Ge¬
biete der Gerichtsorganisation sind die Vereinigung der Hansestädte, resp,
der damaligen vier freien Städte bezüglich ihres gemeinschaftlichen
Oberappellationsgerichtes zu Lübeck und die gleichartige Verbin¬
dung der thüringischen Staaten bezüglich ihres gemeinschaftlichen
Oberappellationsgerichts zu Jena.*) Hoffentlich werden beide dem¬
nächst in Folge der Errichtung eines allgemeinen nicht blos auf Handels¬
und Wechselsachen beschränkten obersten Bundesgerichtshofs als gemeinschaft¬
liche und alleinige oberste (Cassations-) Instanz für das ganze Bundesgebiet
— beseitigt werden- Aber nicht weniger wünschen wir, daß die neue Organi¬
sation des Gerichtswesens innerhalb des norddeutschen Bundes zu einer ganzen
Reihe analoger Vereinbarungen über von verschiedenen Staaten gemeinschaft¬
lich errichtete und gemeinschaftlich dotirte Gerichte erster und zweiter Instanz



") Auf einer derartigen Vereinigung beruht auch die gemeinschaftliche Universität der
thüringischen Staaten zu Jena.
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[0312] daran gewöhnen, auch solche staatliche Aufgaben, welche sie nicht bereits ver¬ fassungsmäßig an das größere Ganze abgegeben haben und welche also Bundes¬ sache geworden sind, geeigneten Falls auf dem Wege der Association zu lösen. Sie müssen sich daran gewöhnen, da, wo der einzelne Staat zu klein an Aufgaben und an Mitteln sie zu lösen ist, sich unter einander, und zwar für die einzelnen concreten Aufgaben und Einrichtungen auf dem Wege frei¬ williger Verständigung zu verbinden, um durch eine solche Association, also entweder durch den Anschluß an einen größeren Staat oder durch eine Vereinigung jenachdem zu zweien, dreien u> s. w. ein richtiges Maß der Aufgaben, der für dieselbe zu schaffenden Einrichtungen und der für den concreten Zweck verfügbaren Mittel herzu¬ stellen. Auch auf dem Gebiete des Staatslebens, ebenso wie in Industrie und Handel, drängen alle Verhältnisse zum Großbetrieb; nur in ihm können die staatlichen Aufgaben sachgemäß gestellt und angemessen begränzt, nur in ihm können sie richtig und mit einem möglichst geringen Aufwands an Mitteln und Kräften gelöst, nur in ihm kann — von allen Andern ganz abgesehen — mit den Staatsfinanzen so gewirchschaftet werden, wie es das steuerzahlende Volk zu verlangen berechtigt ist. Diesen Thatsachen Rechnung tragen, an der Herstellung eines solchen staatlichen Großbetriebs auch für die kleineren Staaten mittels der Association, der Vereinigung zur Lösung concreter, poli¬ tischer und administrativer Aufgaben mit gemeinschaftlichen Mitteln an seinem Theil mitzuwirken, ist eben deßhalb auch allein wahrhaft conservativ. Denn nur so wird die Fortdauer der kleineren Staaten überhaupt auf die Dauer noch zu ertragen sein. Zwei Beispiele solcher Associationen mehrerer Staaten zu concreten Zwecken noch aus der Zeit des Bundestags und zwar gerade auf dem Ge¬ biete der Gerichtsorganisation sind die Vereinigung der Hansestädte, resp, der damaligen vier freien Städte bezüglich ihres gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichtes zu Lübeck und die gleichartige Verbin¬ dung der thüringischen Staaten bezüglich ihres gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts zu Jena.*) Hoffentlich werden beide dem¬ nächst in Folge der Errichtung eines allgemeinen nicht blos auf Handels¬ und Wechselsachen beschränkten obersten Bundesgerichtshofs als gemeinschaft¬ liche und alleinige oberste (Cassations-) Instanz für das ganze Bundesgebiet — beseitigt werden- Aber nicht weniger wünschen wir, daß die neue Organi¬ sation des Gerichtswesens innerhalb des norddeutschen Bundes zu einer ganzen Reihe analoger Vereinbarungen über von verschiedenen Staaten gemeinschaft¬ lich errichtete und gemeinschaftlich dotirte Gerichte erster und zweiter Instanz ") Auf einer derartigen Vereinigung beruht auch die gemeinschaftliche Universität der thüringischen Staaten zu Jena.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/312>, abgerufen am 03.07.2024.