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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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wesentlich gleichen Zügen vor 18 Jahren entwickelte Reforinproject beträchtlich
umgestalten sollte, wenn sie über kurz oder lang nicht umhin können wird,
den Ständen ein solches vorzulegen. "

Gerade der Umstand, daß die Regierung solch großes Gewicht dar¬
auf legt, durch die Vererbpachtung der Domanial-Bauerhufen einen neuen
Stand zu schaffen, scheint uns bedenklich für die Verwirklichung der Hoff¬
nungen Derer, die von der Regierung eine Verfassungsreform im modernen
Sinn erwarten. Man hat viel Aufhebens gemacht von einem Toast, den
der Großherzog am 24. April d. I. nach der Enthüllung des Standbildes
Friedrich Franzs I. zu Ludwigslust ausbrachte und den er, von bevorstehenden
Verfassungsreformen sprechend, mit den Worten schloß, wer dazu nicht mit¬
wirken wolle, der möge abtreten von der Mitwirkung an den Geschicken des
Landes. Aber der Großherzog fügte hinzu, daß er keinen der um ihn ver¬
sammelten Getreuen auf dem eingeschlagenen Wege zu verlieren hoffe; eine
solche Hoffnung aber ist nur begründet, so lange statt von einer "Reform" von
der "Entwickelung und Fortbildung der bestehenden Verhältnisse" die Rede ist,
wenn gleichzeitig "fremde Muster" mit Hand und Fuß abgewehrt werden, und
wenn an dem "mecklenburgischen Boden" festgehalten wird. Daß dieser Boden
kein anderer ist, als der der landesgesetzlichen Institutionen, und daß auf die¬
sem kein gesundes Versasfungsleben gedeihen wird, das versteht sich von selbst.

Wenn der Bauerstand, dem wir sonst alles Gedeihen gönnen, lediglich
herangezogen werden soll, um die ständische Verfassung stützen und ausbauen
zu helfen: dann verliert die Vererbpachtungsmaßregel die Bedeutung einer
größeren, auf politische Wirkungen im Innern berechneten Reform.

Aber wir verzweifeln darum noch nicht. Wir erwarten vielmehr, daß
diese Ruine zusammenstürzen wird, sobald man an ihr überhaupt zu rütteln
beginnt. Der Tag des Zusammentreffens der neugebackenen Bauern mit den
Häuptern der alten Stände wird auf alle Fälle ein erschütternder Moment
sein und Erschütterungen kann der Erbvergleich nicht mehr vertragen.

Sofern die Regierung mit ihren Bauern in der angedeuteten Richtung
politische Pläne verfolgt, kann die Vererbpachtung der Bauerhufen vom Lande
noch nicht als politischer Fortschritt begrüßt werden, es sei denn, daß dieser
sich mit der Hoffnung zu beruhigen vermöchte, daß diese Pläne nicht zu dem
Ziele führen werden, auf welches sie gerichtet sind.

Aus einem anderen Gesichtspunkte betrachtet, bietet uns die Vererb¬
pachtung der Bauerhufen dagegen auch in ihren politischen Consequenzen ein
erfreuliches Bild, und dieses wollen wir der Vollständigkeit und des Con-
trastes wegen jenen Plänen gegenüberstellen.

Die Durchführung der Bererbpachtung im ganzen Domanium soll die
Vorlciuserin bilden für die Einführung der oben erwähnten Gemeindeordnung,


wesentlich gleichen Zügen vor 18 Jahren entwickelte Reforinproject beträchtlich
umgestalten sollte, wenn sie über kurz oder lang nicht umhin können wird,
den Ständen ein solches vorzulegen. »

Gerade der Umstand, daß die Regierung solch großes Gewicht dar¬
auf legt, durch die Vererbpachtung der Domanial-Bauerhufen einen neuen
Stand zu schaffen, scheint uns bedenklich für die Verwirklichung der Hoff¬
nungen Derer, die von der Regierung eine Verfassungsreform im modernen
Sinn erwarten. Man hat viel Aufhebens gemacht von einem Toast, den
der Großherzog am 24. April d. I. nach der Enthüllung des Standbildes
Friedrich Franzs I. zu Ludwigslust ausbrachte und den er, von bevorstehenden
Verfassungsreformen sprechend, mit den Worten schloß, wer dazu nicht mit¬
wirken wolle, der möge abtreten von der Mitwirkung an den Geschicken des
Landes. Aber der Großherzog fügte hinzu, daß er keinen der um ihn ver¬
sammelten Getreuen auf dem eingeschlagenen Wege zu verlieren hoffe; eine
solche Hoffnung aber ist nur begründet, so lange statt von einer „Reform" von
der „Entwickelung und Fortbildung der bestehenden Verhältnisse" die Rede ist,
wenn gleichzeitig „fremde Muster" mit Hand und Fuß abgewehrt werden, und
wenn an dem „mecklenburgischen Boden" festgehalten wird. Daß dieser Boden
kein anderer ist, als der der landesgesetzlichen Institutionen, und daß auf die¬
sem kein gesundes Versasfungsleben gedeihen wird, das versteht sich von selbst.

Wenn der Bauerstand, dem wir sonst alles Gedeihen gönnen, lediglich
herangezogen werden soll, um die ständische Verfassung stützen und ausbauen
zu helfen: dann verliert die Vererbpachtungsmaßregel die Bedeutung einer
größeren, auf politische Wirkungen im Innern berechneten Reform.

Aber wir verzweifeln darum noch nicht. Wir erwarten vielmehr, daß
diese Ruine zusammenstürzen wird, sobald man an ihr überhaupt zu rütteln
beginnt. Der Tag des Zusammentreffens der neugebackenen Bauern mit den
Häuptern der alten Stände wird auf alle Fälle ein erschütternder Moment
sein und Erschütterungen kann der Erbvergleich nicht mehr vertragen.

Sofern die Regierung mit ihren Bauern in der angedeuteten Richtung
politische Pläne verfolgt, kann die Vererbpachtung der Bauerhufen vom Lande
noch nicht als politischer Fortschritt begrüßt werden, es sei denn, daß dieser
sich mit der Hoffnung zu beruhigen vermöchte, daß diese Pläne nicht zu dem
Ziele führen werden, auf welches sie gerichtet sind.

Aus einem anderen Gesichtspunkte betrachtet, bietet uns die Vererb¬
pachtung der Bauerhufen dagegen auch in ihren politischen Consequenzen ein
erfreuliches Bild, und dieses wollen wir der Vollständigkeit und des Con-
trastes wegen jenen Plänen gegenüberstellen.

Die Durchführung der Bererbpachtung im ganzen Domanium soll die
Vorlciuserin bilden für die Einführung der oben erwähnten Gemeindeordnung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/31>, abgerufen am 24.08.2024.