Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, scheint Niemand zu wissen, noch weniger, daß dadurch grade Allen im
Verhältniß zu früher eine Steuererleichterung zu Gute kommt..... Der
Kräftigung des preußischen Staats und damit der Erstarkung Deutschlands
werden für alle Zeit meine Wünsche folgen, weil darin auch das Wohl
Schleswig-Holsteins sich gründet. Ein starkes Preußen, ein starkes Deutsch¬
land kann nur ein freies Preußen und Deutschland sein!" In einer Reihe
weiterer Artikel im "Kieler Correspondenzblatt" erhärtete gleich darauf
Thomsen an der Hand authentischer Zahlen für die directen wie indirecten
Steuern die Wahrheit seiner Aufstellung, deren ziffermäßiges Gesammt-
ergebniß dies ist, daß Schleswig-Holstein jährlich früher an directen und in¬
directen Staatsauflagen 5,438,000 Thlr., jetzt unter preußischer Herrschaft
4,516.000 Thlr,, also 942.000 Thlr. weniger aufzubringen hat. -- Hiergegen
nun. gegen solche Ueberzeugungen und solche Thatsachen, von einem Schles-
wig-holsteinschen Patrioten ausgesprochen, erhob unter dem Vorantritt der
"Kieler Zeitung" die particularistische Presse ein ganz entsetzliches Zeter¬
geschrei. Vor Allem wurde natürlich jede Pflicht der Dankbarkeit gegen
Preußen heftig in Abrede gestellt. Nachdem die Entscheidung über das
Schicksal der Herzogthümer auf den Schlachtfeldern von Sadowa "gegen die
Rechtsüberzeugung der immensen Mehrheit der Schleswig-Holsteiner entschie¬
den worden, hat Preußen ausschließlich die Früchte der gemeinschaftlichen
Opfer (!?) für Schleswig-Holstein sich angeeignet und die Verbindung der
Herzogthümer mit Deutschland in die Form der Annexion eingezwängt", die¬
ses tiefsinnige Glaubensbekenntniß des ächten Schleswig-Holsteiners wurde den
Irrlehren Thomsen's zunächst entgegengehalten. Und was die unbequemen
Zahlen der Steuerauflagen anbetrifft, so wußten sich die Gelehrten der "Kie¬
ler Zeitung" dadurch zu helfen, daß sie beliebige Erträge und Einnahmen
des Staats aus Domainen und Forsten, der Justiz und Polizei, Post- und
Telegraphenverwaltung, brutto und netto, wie es grade paßte, zu den
Steuern hinzuzählten, und in dieser klugen Manier glücklich 8,432,000 Thlr.
als den von dem unterjochten Schleswig-Holstein an das siegreiche Preußen
jährlich gezählten erdrückenden Tribut herausrechneten. Solchergestalt, so
wurde von den Genossen allerwärts dem gutgläubigen Publicum versichert,
hatte man in Kiel die unwahren Berechnungen des Abgeordneten Thomsen-
Oldensworth glänzend widerlegt. Im Uebrigen vergaß man vorsichtiger
Weise auch nicht zu bemerken, im Grunde sei die eigentliche Steuerüberbür-
dung nicht der eigentliche Kern der Landesbeschwerden: Selbstverwaltung in
Provinz. Kreis und Gemeinde, das verlange man von Preußen und das
werde von Preußen den Herzogthümern in sträflichster Weise vorenthalten-

Ist über die Qualität dieses Ableugnens, Bestreitens. Verdrehens noch
ein Wort weiter zu verlieren? Ich glaube kaum. Wohl aber möchte ich dem


gen, scheint Niemand zu wissen, noch weniger, daß dadurch grade Allen im
Verhältniß zu früher eine Steuererleichterung zu Gute kommt..... Der
Kräftigung des preußischen Staats und damit der Erstarkung Deutschlands
werden für alle Zeit meine Wünsche folgen, weil darin auch das Wohl
Schleswig-Holsteins sich gründet. Ein starkes Preußen, ein starkes Deutsch¬
land kann nur ein freies Preußen und Deutschland sein!" In einer Reihe
weiterer Artikel im „Kieler Correspondenzblatt" erhärtete gleich darauf
Thomsen an der Hand authentischer Zahlen für die directen wie indirecten
Steuern die Wahrheit seiner Aufstellung, deren ziffermäßiges Gesammt-
ergebniß dies ist, daß Schleswig-Holstein jährlich früher an directen und in¬
directen Staatsauflagen 5,438,000 Thlr., jetzt unter preußischer Herrschaft
4,516.000 Thlr,, also 942.000 Thlr. weniger aufzubringen hat. — Hiergegen
nun. gegen solche Ueberzeugungen und solche Thatsachen, von einem Schles-
wig-holsteinschen Patrioten ausgesprochen, erhob unter dem Vorantritt der
„Kieler Zeitung" die particularistische Presse ein ganz entsetzliches Zeter¬
geschrei. Vor Allem wurde natürlich jede Pflicht der Dankbarkeit gegen
Preußen heftig in Abrede gestellt. Nachdem die Entscheidung über das
Schicksal der Herzogthümer auf den Schlachtfeldern von Sadowa „gegen die
Rechtsüberzeugung der immensen Mehrheit der Schleswig-Holsteiner entschie¬
den worden, hat Preußen ausschließlich die Früchte der gemeinschaftlichen
Opfer (!?) für Schleswig-Holstein sich angeeignet und die Verbindung der
Herzogthümer mit Deutschland in die Form der Annexion eingezwängt", die¬
ses tiefsinnige Glaubensbekenntniß des ächten Schleswig-Holsteiners wurde den
Irrlehren Thomsen's zunächst entgegengehalten. Und was die unbequemen
Zahlen der Steuerauflagen anbetrifft, so wußten sich die Gelehrten der „Kie¬
ler Zeitung" dadurch zu helfen, daß sie beliebige Erträge und Einnahmen
des Staats aus Domainen und Forsten, der Justiz und Polizei, Post- und
Telegraphenverwaltung, brutto und netto, wie es grade paßte, zu den
Steuern hinzuzählten, und in dieser klugen Manier glücklich 8,432,000 Thlr.
als den von dem unterjochten Schleswig-Holstein an das siegreiche Preußen
jährlich gezählten erdrückenden Tribut herausrechneten. Solchergestalt, so
wurde von den Genossen allerwärts dem gutgläubigen Publicum versichert,
hatte man in Kiel die unwahren Berechnungen des Abgeordneten Thomsen-
Oldensworth glänzend widerlegt. Im Uebrigen vergaß man vorsichtiger
Weise auch nicht zu bemerken, im Grunde sei die eigentliche Steuerüberbür-
dung nicht der eigentliche Kern der Landesbeschwerden: Selbstverwaltung in
Provinz. Kreis und Gemeinde, das verlange man von Preußen und das
werde von Preußen den Herzogthümern in sträflichster Weise vorenthalten-

Ist über die Qualität dieses Ableugnens, Bestreitens. Verdrehens noch
ein Wort weiter zu verlieren? Ich glaube kaum. Wohl aber möchte ich dem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121499"/>
          <p xml:id="ID_909" prev="#ID_908"> gen, scheint Niemand zu wissen, noch weniger, daß dadurch grade Allen im<lb/>
Verhältniß zu früher eine Steuererleichterung zu Gute kommt..... Der<lb/>
Kräftigung des preußischen Staats und damit der Erstarkung Deutschlands<lb/>
werden für alle Zeit meine Wünsche folgen, weil darin auch das Wohl<lb/>
Schleswig-Holsteins sich gründet.  Ein starkes Preußen, ein starkes Deutsch¬<lb/>
land kann nur ein freies Preußen und Deutschland sein!"  In einer Reihe<lb/>
weiterer Artikel im &#x201E;Kieler Correspondenzblatt" erhärtete gleich darauf<lb/>
Thomsen an der Hand authentischer Zahlen für die directen wie indirecten<lb/>
Steuern die Wahrheit seiner Aufstellung, deren ziffermäßiges Gesammt-<lb/>
ergebniß dies ist, daß Schleswig-Holstein jährlich früher an directen und in¬<lb/>
directen Staatsauflagen 5,438,000 Thlr., jetzt unter preußischer Herrschaft<lb/>
4,516.000 Thlr,, also 942.000 Thlr. weniger aufzubringen hat. &#x2014; Hiergegen<lb/>
nun. gegen solche Ueberzeugungen und solche Thatsachen, von einem Schles-<lb/>
wig-holsteinschen Patrioten ausgesprochen, erhob unter dem Vorantritt der<lb/>
&#x201E;Kieler Zeitung" die particularistische Presse ein ganz entsetzliches Zeter¬<lb/>
geschrei.  Vor Allem wurde natürlich jede Pflicht der Dankbarkeit gegen<lb/>
Preußen heftig in Abrede gestellt.  Nachdem die Entscheidung über das<lb/>
Schicksal der Herzogthümer auf den Schlachtfeldern von Sadowa &#x201E;gegen die<lb/>
Rechtsüberzeugung der immensen Mehrheit der Schleswig-Holsteiner entschie¬<lb/>
den worden, hat Preußen ausschließlich die Früchte der gemeinschaftlichen<lb/>
Opfer (!?) für Schleswig-Holstein sich angeeignet und die Verbindung der<lb/>
Herzogthümer mit Deutschland in die Form der Annexion eingezwängt", die¬<lb/>
ses tiefsinnige Glaubensbekenntniß des ächten Schleswig-Holsteiners wurde den<lb/>
Irrlehren Thomsen's zunächst entgegengehalten.  Und was die unbequemen<lb/>
Zahlen der Steuerauflagen anbetrifft, so wußten sich die Gelehrten der &#x201E;Kie¬<lb/>
ler Zeitung" dadurch zu helfen, daß sie beliebige Erträge und Einnahmen<lb/>
des Staats aus Domainen und Forsten, der Justiz und Polizei, Post- und<lb/>
Telegraphenverwaltung, brutto und netto, wie es grade paßte, zu den<lb/>
Steuern hinzuzählten, und in dieser klugen Manier glücklich 8,432,000 Thlr.<lb/>
als den von dem unterjochten Schleswig-Holstein an das siegreiche Preußen<lb/>
jährlich gezählten erdrückenden Tribut herausrechneten.  Solchergestalt, so<lb/>
wurde von den Genossen allerwärts dem gutgläubigen Publicum versichert,<lb/>
hatte man in Kiel die unwahren Berechnungen des Abgeordneten Thomsen-<lb/>
Oldensworth glänzend widerlegt.  Im Uebrigen vergaß man vorsichtiger<lb/>
Weise auch nicht zu bemerken, im Grunde sei die eigentliche Steuerüberbür-<lb/>
dung nicht der eigentliche Kern der Landesbeschwerden: Selbstverwaltung in<lb/>
Provinz. Kreis und Gemeinde, das verlange man von Preußen und das<lb/>
werde von Preußen den Herzogthümern in sträflichster Weise vorenthalten-</p><lb/>
          <p xml:id="ID_910" next="#ID_911"> Ist über die Qualität dieses Ableugnens, Bestreitens. Verdrehens noch<lb/>
ein Wort weiter zu verlieren? Ich glaube kaum.  Wohl aber möchte ich dem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0278] gen, scheint Niemand zu wissen, noch weniger, daß dadurch grade Allen im Verhältniß zu früher eine Steuererleichterung zu Gute kommt..... Der Kräftigung des preußischen Staats und damit der Erstarkung Deutschlands werden für alle Zeit meine Wünsche folgen, weil darin auch das Wohl Schleswig-Holsteins sich gründet. Ein starkes Preußen, ein starkes Deutsch¬ land kann nur ein freies Preußen und Deutschland sein!" In einer Reihe weiterer Artikel im „Kieler Correspondenzblatt" erhärtete gleich darauf Thomsen an der Hand authentischer Zahlen für die directen wie indirecten Steuern die Wahrheit seiner Aufstellung, deren ziffermäßiges Gesammt- ergebniß dies ist, daß Schleswig-Holstein jährlich früher an directen und in¬ directen Staatsauflagen 5,438,000 Thlr., jetzt unter preußischer Herrschaft 4,516.000 Thlr,, also 942.000 Thlr. weniger aufzubringen hat. — Hiergegen nun. gegen solche Ueberzeugungen und solche Thatsachen, von einem Schles- wig-holsteinschen Patrioten ausgesprochen, erhob unter dem Vorantritt der „Kieler Zeitung" die particularistische Presse ein ganz entsetzliches Zeter¬ geschrei. Vor Allem wurde natürlich jede Pflicht der Dankbarkeit gegen Preußen heftig in Abrede gestellt. Nachdem die Entscheidung über das Schicksal der Herzogthümer auf den Schlachtfeldern von Sadowa „gegen die Rechtsüberzeugung der immensen Mehrheit der Schleswig-Holsteiner entschie¬ den worden, hat Preußen ausschließlich die Früchte der gemeinschaftlichen Opfer (!?) für Schleswig-Holstein sich angeeignet und die Verbindung der Herzogthümer mit Deutschland in die Form der Annexion eingezwängt", die¬ ses tiefsinnige Glaubensbekenntniß des ächten Schleswig-Holsteiners wurde den Irrlehren Thomsen's zunächst entgegengehalten. Und was die unbequemen Zahlen der Steuerauflagen anbetrifft, so wußten sich die Gelehrten der „Kie¬ ler Zeitung" dadurch zu helfen, daß sie beliebige Erträge und Einnahmen des Staats aus Domainen und Forsten, der Justiz und Polizei, Post- und Telegraphenverwaltung, brutto und netto, wie es grade paßte, zu den Steuern hinzuzählten, und in dieser klugen Manier glücklich 8,432,000 Thlr. als den von dem unterjochten Schleswig-Holstein an das siegreiche Preußen jährlich gezählten erdrückenden Tribut herausrechneten. Solchergestalt, so wurde von den Genossen allerwärts dem gutgläubigen Publicum versichert, hatte man in Kiel die unwahren Berechnungen des Abgeordneten Thomsen- Oldensworth glänzend widerlegt. Im Uebrigen vergaß man vorsichtiger Weise auch nicht zu bemerken, im Grunde sei die eigentliche Steuerüberbür- dung nicht der eigentliche Kern der Landesbeschwerden: Selbstverwaltung in Provinz. Kreis und Gemeinde, das verlange man von Preußen und das werde von Preußen den Herzogthümern in sträflichster Weise vorenthalten- Ist über die Qualität dieses Ableugnens, Bestreitens. Verdrehens noch ein Wort weiter zu verlieren? Ich glaube kaum. Wohl aber möchte ich dem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/278
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/278>, abgerufen am 01.07.2024.