Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.in welchem sie vereinigt sind, vorschreitet, desto greller tritt der Zwiespalt Dazu treten die fortwährenden Mahnungen jener Thatsachen, welche in welchem sie vereinigt sind, vorschreitet, desto greller tritt der Zwiespalt Dazu treten die fortwährenden Mahnungen jener Thatsachen, welche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/121493"/> <p xml:id="ID_894" prev="#ID_893"> in welchem sie vereinigt sind, vorschreitet, desto greller tritt der Zwiespalt<lb/> hervor, welcher zwischen der mecklenburgischen Landesverfassung und dem po¬<lb/> litischen Bedürfniß der mecklenburgischen Bevölkerung stattfindet. Ein Staat,<lb/> welcher der Gesammtheit der Bevölkerung die Theilnahme an der Vertretung<lb/> versagt und dieselbe auf eine Anzahl Privilegirter beschränkt, welcher hin¬<lb/> sichtlich des Vermögens und der Einkünfte mit dem Landesfürsten in Com¬<lb/> munismus lebt, welcher keinen Staatshaushaltsetat und keine Controle der<lb/> öffentlichen Einnahmen und Ausgaben kennt, welcher diese seine uralten Ein¬<lb/> richtungen nur mit Hilfe eines absolutistischen Polizeiregiments, durch Unter¬<lb/> drückung des politischen Vereins - und Versammlungsrechts, durch Knechtung<lb/> der Presse und gelegentlich auch durch eine ministerielle Correctur rechtskräf¬<lb/> tiger Erkenntnisse zum Nachtheil der Angeschuldigten zu behaupten vermag,<lb/> ist kein Staat, dessen Verfassung auf irgend eine Zukunft rechnen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_895"> Dazu treten die fortwährenden Mahnungen jener Thatsachen, welche<lb/> nun einmal durch keine Verdunkelung und keinen Schleier aus unserer Ge¬<lb/> schichte sich wieder entfernen lassen; die wiederholten Verheißungen einer Kon¬<lb/> stitutionellen Verfassung seitens des Großherzogs, die Betheuerungen und Zu¬<lb/> geständnisse der Stände, die erfolgte Vereinbarung, Verkündigung und Wirk¬<lb/> samkeit des Staatsgrundgesetzes von 1849, das auf das Staatsgrundgesetz<lb/> von dem Großherzog und den gewählten Vertretern abgeleistete feierliche Ge-<lb/> löbniß. Mag man selbst den im Jahre 1830 eingeschlagenen Weg der Zu-<lb/> rückführung der ständischen Verfassung für einen legalen halten, was er nicht<lb/> war, so bleiben doch noch immer jene Verheißungen und Zugeständnisse und<lb/> sie fordern ihre Erfüllung. Diese Vergangenheit macht es Allen, deren Mund<lb/> und Hand bei den Zusagen und Gelöbnissen betheiligt war, zu einer sittlichen<lb/> Unmöglichkeit, auf dem Standpunkte einer dauernden Vorenthaltung consti-<lb/> tutioneller Staatseinrichtungen zu verharren; denjenigen aber, welche das<lb/> gegebene Wort als Pfand einer besseren Zukunft entgegennahmen, erhält sie<lb/> die Erinnerung an das ihnen wieder entrissene Gut und das Verlangen nach<lb/> seiner Wiedergewinnung. Die Zeit, wo die Feudalen sich bereit erklärten,<lb/> ihre Vorrechte auf dem Altar des Vaterlandes zu opfern, wo sie nicht nur<lb/> constitutionellen Vereinen beitraten, sondern selbst Gründer solcher Vereine<lb/> wurden und sich zu Präsidenten derselben wählen ließen — wie dies unter<lb/> Anderem hinsichtlich des Herrn v. Plüskow feststeht — verschwindet nicht<lb/> wieder aus dem Gedächtnisse, trotz des Freienwalder Schiedsspruches, durch<lb/> welchen man sie zu Grabe rragen zu können meinte. Die Feudalen haben<lb/> damals ihre Fahne vor dem Constitutionalismus gesenkt, und kein Wandel der<lb/> Zeit kann diese Thatsache verwischen. Zum zweiten Male aber haben sie sieh<lb/> selbst und ihren obersten Grundsatz aufgegeben, als sie bei Begründung der<lb/> Bundesverfassung dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht ihre Zustimmung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
in welchem sie vereinigt sind, vorschreitet, desto greller tritt der Zwiespalt
hervor, welcher zwischen der mecklenburgischen Landesverfassung und dem po¬
litischen Bedürfniß der mecklenburgischen Bevölkerung stattfindet. Ein Staat,
welcher der Gesammtheit der Bevölkerung die Theilnahme an der Vertretung
versagt und dieselbe auf eine Anzahl Privilegirter beschränkt, welcher hin¬
sichtlich des Vermögens und der Einkünfte mit dem Landesfürsten in Com¬
munismus lebt, welcher keinen Staatshaushaltsetat und keine Controle der
öffentlichen Einnahmen und Ausgaben kennt, welcher diese seine uralten Ein¬
richtungen nur mit Hilfe eines absolutistischen Polizeiregiments, durch Unter¬
drückung des politischen Vereins - und Versammlungsrechts, durch Knechtung
der Presse und gelegentlich auch durch eine ministerielle Correctur rechtskräf¬
tiger Erkenntnisse zum Nachtheil der Angeschuldigten zu behaupten vermag,
ist kein Staat, dessen Verfassung auf irgend eine Zukunft rechnen kann.
Dazu treten die fortwährenden Mahnungen jener Thatsachen, welche
nun einmal durch keine Verdunkelung und keinen Schleier aus unserer Ge¬
schichte sich wieder entfernen lassen; die wiederholten Verheißungen einer Kon¬
stitutionellen Verfassung seitens des Großherzogs, die Betheuerungen und Zu¬
geständnisse der Stände, die erfolgte Vereinbarung, Verkündigung und Wirk¬
samkeit des Staatsgrundgesetzes von 1849, das auf das Staatsgrundgesetz
von dem Großherzog und den gewählten Vertretern abgeleistete feierliche Ge-
löbniß. Mag man selbst den im Jahre 1830 eingeschlagenen Weg der Zu-
rückführung der ständischen Verfassung für einen legalen halten, was er nicht
war, so bleiben doch noch immer jene Verheißungen und Zugeständnisse und
sie fordern ihre Erfüllung. Diese Vergangenheit macht es Allen, deren Mund
und Hand bei den Zusagen und Gelöbnissen betheiligt war, zu einer sittlichen
Unmöglichkeit, auf dem Standpunkte einer dauernden Vorenthaltung consti-
tutioneller Staatseinrichtungen zu verharren; denjenigen aber, welche das
gegebene Wort als Pfand einer besseren Zukunft entgegennahmen, erhält sie
die Erinnerung an das ihnen wieder entrissene Gut und das Verlangen nach
seiner Wiedergewinnung. Die Zeit, wo die Feudalen sich bereit erklärten,
ihre Vorrechte auf dem Altar des Vaterlandes zu opfern, wo sie nicht nur
constitutionellen Vereinen beitraten, sondern selbst Gründer solcher Vereine
wurden und sich zu Präsidenten derselben wählen ließen — wie dies unter
Anderem hinsichtlich des Herrn v. Plüskow feststeht — verschwindet nicht
wieder aus dem Gedächtnisse, trotz des Freienwalder Schiedsspruches, durch
welchen man sie zu Grabe rragen zu können meinte. Die Feudalen haben
damals ihre Fahne vor dem Constitutionalismus gesenkt, und kein Wandel der
Zeit kann diese Thatsache verwischen. Zum zweiten Male aber haben sie sieh
selbst und ihren obersten Grundsatz aufgegeben, als sie bei Begründung der
Bundesverfassung dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht ihre Zustimmung
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