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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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die Zeit vor Begründung der Bundesverfassung falle, die Beschwerdeführer
zu einem neuen Antrage an den Großherzog veranlaßt hatte, durch dessen ab¬
schlägige Bescheidung der Gegenstand der Beschwerde aus der Vergangenheit
in die Gegenwart gerückt und somit der Forderung des Bundesraths genügt
worden ist.

In der eine Zeit lang die deutschen Regierungen beschäftigenden Frage
wegen einer Reform der alten Bundesverfassung stand Herr v. Oertzen auf
Seiten der entschiedenen Gegner jeder parlamentarischen Vertretung und
wollte nur zu einer Kräftigung der Executive die Hand bieten. Es war
daher eine eigenthümliche Ironie des Schicksals, daß es gerade ihm beschieden
war, als Minister des Auswärtigen und mecklenburgischem Bevollmächtigten
bei der Begründung einer Bundesverfassung mitzuwirken, welche eine nicht
einmal aus ständischer Grundlage, sondern auf dem allgemeinen Stimm¬
recht ruhende Vertretung einführte und durch die freiheitliche Richtung, der
sie namentlich auf dem wirthschaftlichen Gebiete ihre Stütze lieh, mit Allem
in Conflict trat, was die alte Landesverfassung Mecklenburgs zu ihren un¬
entbehrlichen Besitzthümern zählte, und was Herr v. Oertzen stets als das
allein Gute und Heilsame gepriesen und verfochten hatte. Dennoch hatte er
die Selbstüberwindung, der Herbeiführung des Bündnißvertrages und der
daraus hervorgegangenen Bundesverfassung seine fördernde Mitwirkung nicht
zu versagen und sich noch drei volle Jahre nach den Ereignissen des Jahres
1866 an der Spitze der Geschäfte zu behaupten. Es müssen darum sehr
dringende Gründe gewesen sein, welche ihn endlich bestimmten, die Ent¬
lassung von seinem Posten nachzusuchen.

Der jetzige Ministerpräsident, Graf v. Basse Witz, hat im Reichstage
zur Genüge dafür gesorgt, daß seine politische Richtung zur allgemeinen
Kunde gelangt ist. In Mecklenburg hat er sich bereits im Jahre 1849 als
einer der eifrigsten Agitatoren aus dem Kreise der Ritterschaft für die Be¬
seitigung der constitutionellen Staatsform bekannt gemacht. Er war einer
der drei Vertrauensmänner der wenigen rennenden Mitglieder der gesetzlich
als politische Corporation aufgelösten Ritterschaft, welche, wie es in einer
Staatsschrift des constitutionellen Gesammtministeriums aus dem Anfange
des Jahres 18L0 heißt, das Aeußerste versuchte, um von den Zugeständnissen
der früheren Landstände entbunden zu werden, und deren Bestrebungen mit
Hilfe der Bundescentraleommission in Frankfurt das alte Ständewesen wie¬
der zur thatsächlichen Geltung zu bringen, schließlich mit Erfolg gekrönt
wurden. Als Abgeordneter im Reichstage hat er sich den Ruf zu erwerben
gewußt, daß es Keiner an tiefgewurzelten Haß aller freiheitlichen Entwicke¬
lung aus dem politischen wie aus dem wirthschaftlichen Gebiet mit ihm auf¬
nimmt, und daß er keine größere Sorge hat, als das feudale Mecklenburg


die Zeit vor Begründung der Bundesverfassung falle, die Beschwerdeführer
zu einem neuen Antrage an den Großherzog veranlaßt hatte, durch dessen ab¬
schlägige Bescheidung der Gegenstand der Beschwerde aus der Vergangenheit
in die Gegenwart gerückt und somit der Forderung des Bundesraths genügt
worden ist.

In der eine Zeit lang die deutschen Regierungen beschäftigenden Frage
wegen einer Reform der alten Bundesverfassung stand Herr v. Oertzen auf
Seiten der entschiedenen Gegner jeder parlamentarischen Vertretung und
wollte nur zu einer Kräftigung der Executive die Hand bieten. Es war
daher eine eigenthümliche Ironie des Schicksals, daß es gerade ihm beschieden
war, als Minister des Auswärtigen und mecklenburgischem Bevollmächtigten
bei der Begründung einer Bundesverfassung mitzuwirken, welche eine nicht
einmal aus ständischer Grundlage, sondern auf dem allgemeinen Stimm¬
recht ruhende Vertretung einführte und durch die freiheitliche Richtung, der
sie namentlich auf dem wirthschaftlichen Gebiete ihre Stütze lieh, mit Allem
in Conflict trat, was die alte Landesverfassung Mecklenburgs zu ihren un¬
entbehrlichen Besitzthümern zählte, und was Herr v. Oertzen stets als das
allein Gute und Heilsame gepriesen und verfochten hatte. Dennoch hatte er
die Selbstüberwindung, der Herbeiführung des Bündnißvertrages und der
daraus hervorgegangenen Bundesverfassung seine fördernde Mitwirkung nicht
zu versagen und sich noch drei volle Jahre nach den Ereignissen des Jahres
1866 an der Spitze der Geschäfte zu behaupten. Es müssen darum sehr
dringende Gründe gewesen sein, welche ihn endlich bestimmten, die Ent¬
lassung von seinem Posten nachzusuchen.

Der jetzige Ministerpräsident, Graf v. Basse Witz, hat im Reichstage
zur Genüge dafür gesorgt, daß seine politische Richtung zur allgemeinen
Kunde gelangt ist. In Mecklenburg hat er sich bereits im Jahre 1849 als
einer der eifrigsten Agitatoren aus dem Kreise der Ritterschaft für die Be¬
seitigung der constitutionellen Staatsform bekannt gemacht. Er war einer
der drei Vertrauensmänner der wenigen rennenden Mitglieder der gesetzlich
als politische Corporation aufgelösten Ritterschaft, welche, wie es in einer
Staatsschrift des constitutionellen Gesammtministeriums aus dem Anfange
des Jahres 18L0 heißt, das Aeußerste versuchte, um von den Zugeständnissen
der früheren Landstände entbunden zu werden, und deren Bestrebungen mit
Hilfe der Bundescentraleommission in Frankfurt das alte Ständewesen wie¬
der zur thatsächlichen Geltung zu bringen, schließlich mit Erfolg gekrönt
wurden. Als Abgeordneter im Reichstage hat er sich den Ruf zu erwerben
gewußt, daß es Keiner an tiefgewurzelten Haß aller freiheitlichen Entwicke¬
lung aus dem politischen wie aus dem wirthschaftlichen Gebiet mit ihm auf¬
nimmt, und daß er keine größere Sorge hat, als das feudale Mecklenburg


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[0268] die Zeit vor Begründung der Bundesverfassung falle, die Beschwerdeführer zu einem neuen Antrage an den Großherzog veranlaßt hatte, durch dessen ab¬ schlägige Bescheidung der Gegenstand der Beschwerde aus der Vergangenheit in die Gegenwart gerückt und somit der Forderung des Bundesraths genügt worden ist. In der eine Zeit lang die deutschen Regierungen beschäftigenden Frage wegen einer Reform der alten Bundesverfassung stand Herr v. Oertzen auf Seiten der entschiedenen Gegner jeder parlamentarischen Vertretung und wollte nur zu einer Kräftigung der Executive die Hand bieten. Es war daher eine eigenthümliche Ironie des Schicksals, daß es gerade ihm beschieden war, als Minister des Auswärtigen und mecklenburgischem Bevollmächtigten bei der Begründung einer Bundesverfassung mitzuwirken, welche eine nicht einmal aus ständischer Grundlage, sondern auf dem allgemeinen Stimm¬ recht ruhende Vertretung einführte und durch die freiheitliche Richtung, der sie namentlich auf dem wirthschaftlichen Gebiete ihre Stütze lieh, mit Allem in Conflict trat, was die alte Landesverfassung Mecklenburgs zu ihren un¬ entbehrlichen Besitzthümern zählte, und was Herr v. Oertzen stets als das allein Gute und Heilsame gepriesen und verfochten hatte. Dennoch hatte er die Selbstüberwindung, der Herbeiführung des Bündnißvertrages und der daraus hervorgegangenen Bundesverfassung seine fördernde Mitwirkung nicht zu versagen und sich noch drei volle Jahre nach den Ereignissen des Jahres 1866 an der Spitze der Geschäfte zu behaupten. Es müssen darum sehr dringende Gründe gewesen sein, welche ihn endlich bestimmten, die Ent¬ lassung von seinem Posten nachzusuchen. Der jetzige Ministerpräsident, Graf v. Basse Witz, hat im Reichstage zur Genüge dafür gesorgt, daß seine politische Richtung zur allgemeinen Kunde gelangt ist. In Mecklenburg hat er sich bereits im Jahre 1849 als einer der eifrigsten Agitatoren aus dem Kreise der Ritterschaft für die Be¬ seitigung der constitutionellen Staatsform bekannt gemacht. Er war einer der drei Vertrauensmänner der wenigen rennenden Mitglieder der gesetzlich als politische Corporation aufgelösten Ritterschaft, welche, wie es in einer Staatsschrift des constitutionellen Gesammtministeriums aus dem Anfange des Jahres 18L0 heißt, das Aeußerste versuchte, um von den Zugeständnissen der früheren Landstände entbunden zu werden, und deren Bestrebungen mit Hilfe der Bundescentraleommission in Frankfurt das alte Ständewesen wie¬ der zur thatsächlichen Geltung zu bringen, schließlich mit Erfolg gekrönt wurden. Als Abgeordneter im Reichstage hat er sich den Ruf zu erwerben gewußt, daß es Keiner an tiefgewurzelten Haß aller freiheitlichen Entwicke¬ lung aus dem politischen wie aus dem wirthschaftlichen Gebiet mit ihm auf¬ nimmt, und daß er keine größere Sorge hat, als das feudale Mecklenburg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/268>, abgerufen am 24.08.2024.