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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band.

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Aufblühen der von ihr durchzogenen Gegenden zusammenhängt. Unermüd¬
lich in neuen Combinationen zur Förderung von Handel und Industrie
gründete er in Zürich eine Creditanstalt, welche bald zum Mittelpunkt einer
Gesammtheit von andern untergeordneten Instituten wurde. Einige Mißgeschicke
der schweizerischen Creditanstalt hatten, trotz der energischen und zum Theil
höchst originellen Schritte Escher's, wodurch das Schlimmste abgewendet
und die Anstalt wieder der ernsten Industrie dienstbar gemacht wurde, doch
nicht unerheblichen Schaden angerichtet und eine gewisse dumpfe Unzufrieden¬
heit herbeigerufen. Letztere hatte übrigens noch andere, vielleicht noch wich¬
tigere Ursachen. Durch die großartige Entwickelung der Industrie, durch den
Bau der Eisenbahnen war das im Lande disponible Geld beträchlich vermindert
und außerdem waren schon ungeheuere Summen von jenem einzigen Institute
verschlungen und verwendet worden. Die kleineren Industriellen und die Land¬
wirthe hatten immer mehr Mühe sich Geld zu verschaffen. Es kamen endlich noch
die Liquidation der Creditanstalt in Verbindung mit der amerikanischen Krise
und einer dreijährigen Mißerndte (1865 --1867). Das Mißbehagen wurde
durch das unmittelbar vorangegangene Gedeihen nur noch fühlbarer. Auf
dem Lande wie in der Stadt hatte in Folge des letztern ein allgemeiner Auf¬
schwung übertriebene Ausgaben der Privaten wie der Gemeinden herbei¬
geführt, welchen jetzt ein plötzlicher Rückschlag folgte.

^n allen diesen Verhältnissen lag eine der wesentlichsten Ursachen der
Politischen Bewegung im Canton Zürich. Es zeigte sich dies in dem drin¬
gend von allen Seiten, namentlich der Landschaft ausgesprochenen Wunsche
nach Gründung einer Cantonalbank, welchem jedoch von der Regierung un¬
kluger Weise nicht entsprochen wurde. Es kamen aber noch andere schon
von früher her datirende Ursachen hinzu. Durch das 1850 an die Stelle
des Collegialsystems getretene Directorialsystem in der Regierung waren die
einzelnen Geschäftszweige der selbständigen Leitung je eines Mitgliedes der
Regierung übertragen worden. So lange noch Herr Escher in letzterer war
und dann auch noch während der Mitgliedschaft des Herrn Dubs, waren die
Gefahren dieses Systems, namentlich der Mangel an einheitlicher Führung
der Exekutive noch nicht hervorgetreten. Nachdem aber Herr Dubs in den
Bundesrath berufen worden, kam jener Mangel fühlbar an den Tag. Man
hatte zwar eine Anzahl von Direktoren, aber keine Regierung mehr. Der
Cantonsrath hatte bei Besetzung der betreffenden Stellen mehr auf tüchtige
Verwaltungsbeamte als auf politische Köpfe und darauf gesehen, daß die
Gewählten auch zu einander paßten. Die Negierung verlor dadurch ihre
Bedeutung gegenüber dem Cantonsrath und dem Lande. Jener aber wurde
vor wie nach durch Herrn Escher, auch nachdem dieser aus der Regierung ge¬
treten, durch seine Verbindung mit den großen Landwirthen und Industriellen


Aufblühen der von ihr durchzogenen Gegenden zusammenhängt. Unermüd¬
lich in neuen Combinationen zur Förderung von Handel und Industrie
gründete er in Zürich eine Creditanstalt, welche bald zum Mittelpunkt einer
Gesammtheit von andern untergeordneten Instituten wurde. Einige Mißgeschicke
der schweizerischen Creditanstalt hatten, trotz der energischen und zum Theil
höchst originellen Schritte Escher's, wodurch das Schlimmste abgewendet
und die Anstalt wieder der ernsten Industrie dienstbar gemacht wurde, doch
nicht unerheblichen Schaden angerichtet und eine gewisse dumpfe Unzufrieden¬
heit herbeigerufen. Letztere hatte übrigens noch andere, vielleicht noch wich¬
tigere Ursachen. Durch die großartige Entwickelung der Industrie, durch den
Bau der Eisenbahnen war das im Lande disponible Geld beträchlich vermindert
und außerdem waren schon ungeheuere Summen von jenem einzigen Institute
verschlungen und verwendet worden. Die kleineren Industriellen und die Land¬
wirthe hatten immer mehr Mühe sich Geld zu verschaffen. Es kamen endlich noch
die Liquidation der Creditanstalt in Verbindung mit der amerikanischen Krise
und einer dreijährigen Mißerndte (1865 —1867). Das Mißbehagen wurde
durch das unmittelbar vorangegangene Gedeihen nur noch fühlbarer. Auf
dem Lande wie in der Stadt hatte in Folge des letztern ein allgemeiner Auf¬
schwung übertriebene Ausgaben der Privaten wie der Gemeinden herbei¬
geführt, welchen jetzt ein plötzlicher Rückschlag folgte.

^n allen diesen Verhältnissen lag eine der wesentlichsten Ursachen der
Politischen Bewegung im Canton Zürich. Es zeigte sich dies in dem drin¬
gend von allen Seiten, namentlich der Landschaft ausgesprochenen Wunsche
nach Gründung einer Cantonalbank, welchem jedoch von der Regierung un¬
kluger Weise nicht entsprochen wurde. Es kamen aber noch andere schon
von früher her datirende Ursachen hinzu. Durch das 1850 an die Stelle
des Collegialsystems getretene Directorialsystem in der Regierung waren die
einzelnen Geschäftszweige der selbständigen Leitung je eines Mitgliedes der
Regierung übertragen worden. So lange noch Herr Escher in letzterer war
und dann auch noch während der Mitgliedschaft des Herrn Dubs, waren die
Gefahren dieses Systems, namentlich der Mangel an einheitlicher Führung
der Exekutive noch nicht hervorgetreten. Nachdem aber Herr Dubs in den
Bundesrath berufen worden, kam jener Mangel fühlbar an den Tag. Man
hatte zwar eine Anzahl von Direktoren, aber keine Regierung mehr. Der
Cantonsrath hatte bei Besetzung der betreffenden Stellen mehr auf tüchtige
Verwaltungsbeamte als auf politische Köpfe und darauf gesehen, daß die
Gewählten auch zu einander paßten. Die Negierung verlor dadurch ihre
Bedeutung gegenüber dem Cantonsrath und dem Lande. Jener aber wurde
vor wie nach durch Herrn Escher, auch nachdem dieser aus der Regierung ge¬
treten, durch seine Verbindung mit den großen Landwirthen und Industriellen


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[0253] Aufblühen der von ihr durchzogenen Gegenden zusammenhängt. Unermüd¬ lich in neuen Combinationen zur Förderung von Handel und Industrie gründete er in Zürich eine Creditanstalt, welche bald zum Mittelpunkt einer Gesammtheit von andern untergeordneten Instituten wurde. Einige Mißgeschicke der schweizerischen Creditanstalt hatten, trotz der energischen und zum Theil höchst originellen Schritte Escher's, wodurch das Schlimmste abgewendet und die Anstalt wieder der ernsten Industrie dienstbar gemacht wurde, doch nicht unerheblichen Schaden angerichtet und eine gewisse dumpfe Unzufrieden¬ heit herbeigerufen. Letztere hatte übrigens noch andere, vielleicht noch wich¬ tigere Ursachen. Durch die großartige Entwickelung der Industrie, durch den Bau der Eisenbahnen war das im Lande disponible Geld beträchlich vermindert und außerdem waren schon ungeheuere Summen von jenem einzigen Institute verschlungen und verwendet worden. Die kleineren Industriellen und die Land¬ wirthe hatten immer mehr Mühe sich Geld zu verschaffen. Es kamen endlich noch die Liquidation der Creditanstalt in Verbindung mit der amerikanischen Krise und einer dreijährigen Mißerndte (1865 —1867). Das Mißbehagen wurde durch das unmittelbar vorangegangene Gedeihen nur noch fühlbarer. Auf dem Lande wie in der Stadt hatte in Folge des letztern ein allgemeiner Auf¬ schwung übertriebene Ausgaben der Privaten wie der Gemeinden herbei¬ geführt, welchen jetzt ein plötzlicher Rückschlag folgte. ^n allen diesen Verhältnissen lag eine der wesentlichsten Ursachen der Politischen Bewegung im Canton Zürich. Es zeigte sich dies in dem drin¬ gend von allen Seiten, namentlich der Landschaft ausgesprochenen Wunsche nach Gründung einer Cantonalbank, welchem jedoch von der Regierung un¬ kluger Weise nicht entsprochen wurde. Es kamen aber noch andere schon von früher her datirende Ursachen hinzu. Durch das 1850 an die Stelle des Collegialsystems getretene Directorialsystem in der Regierung waren die einzelnen Geschäftszweige der selbständigen Leitung je eines Mitgliedes der Regierung übertragen worden. So lange noch Herr Escher in letzterer war und dann auch noch während der Mitgliedschaft des Herrn Dubs, waren die Gefahren dieses Systems, namentlich der Mangel an einheitlicher Führung der Exekutive noch nicht hervorgetreten. Nachdem aber Herr Dubs in den Bundesrath berufen worden, kam jener Mangel fühlbar an den Tag. Man hatte zwar eine Anzahl von Direktoren, aber keine Regierung mehr. Der Cantonsrath hatte bei Besetzung der betreffenden Stellen mehr auf tüchtige Verwaltungsbeamte als auf politische Köpfe und darauf gesehen, daß die Gewählten auch zu einander paßten. Die Negierung verlor dadurch ihre Bedeutung gegenüber dem Cantonsrath und dem Lande. Jener aber wurde vor wie nach durch Herrn Escher, auch nachdem dieser aus der Regierung ge¬ treten, durch seine Verbindung mit den großen Landwirthen und Industriellen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121220/253>, abgerufen am 25.08.2024.